Der Biber darf wieder zurück
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Donnerstag, 08. Oktober 2020
An der B 85 Richtung Kronach hatte der große Nager einen gewaltigen Damm errichtet. Der wurde nun geöffnet. Dafür gab es Gründe.
Unter Naturliebhabern wurde die Stelle als Geheimtipp gehandelt: "Geh mal da hin, da ist ein riesiger Biberdamm" - immer verbunden mit der Bitte, das nicht weiterzusagen, damit nicht etwa jemand auf dumme Gedanken käme...
All die Umsicht hat nichts genützt: Seit etlichen Tagen ist der Biberdamm in der Dobrach unterhalb der B 85 Richtung Kronach Geschichte. Aufgerissen und abgetragen von schweren Maschinen, deren Spuren an der Böschung der Straße nicht zu übersehen sind.
Was auf den ersten Blick nach Vandalismus und Zerstörungswut aussieht, war eine geplante Aktion, durchgeführt von der Stadt Kulmbach und abgesegnet von der Unteren Naturschutzbehörde. Ziel der Aktion: Die Verkehrssicherheit auf der Bundesstraße 85 und dem parallel zur Dobrach laufenden Radweg auch weiterhin zu gewährleisten.
Weil sich hinter dem Biberdamm (der genaugenommen aus drei Einzeldämmen bestand), das Wasser staute, bekamen etliche Fichten, die dort stehen, nasse Füße. Das kann gefährlich werden. Fichten sind Flachwurzler. Weicht der Boden auf, verlieren sie an Halt und können umstürzen. "Es war wichtig, diese Gefahrenquelle auszuschalten", sagt dazu Jonas Gleich, der Pressesprecher der Stadt Kulmbach.
Nach einer gemeinsamen Erkundung durch Mitarbeiter des Tiefbauamtes der Stadt und Alexander Kusche dem Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, sei beschlossen worden, den Damm zu öffnen, so dass das Wasser zunächst einmal abließen kann. Sobald man das Gelände wieder trockenen Fußes betreten könne, werde man die Standfestigkeit der Bäume prüfen und entscheiden, welche davon eventuell entfernt werden müssen.
"Wenn dies geschehen ist, kann der Biber dort seinen Bau auch wieder weiterbauen", versichert Jonas Gleich. Immerhin könne er an dieser Stelle am wenigsten Schaden anrichten. Sowohl die landwirtschaftlichen Nutzflächen als auch die beiden Mühlen, die an der Dobrach liegen, hätten mit einem Biberdamm an anderen Stellen deutlich größere Schäden zu befürchten. "Daher sind wird grundsätzlich froh, dass der Biber dort sesshaft wurde und bald, wenn alle Gefahrenquellen im Umfeld entfernt wurden, dort weiterbauen kann, ohne jemanden zu stören."
Dass die Öffnung des Biberdamms notwendig war, bestätigt auch die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Kulmbach. Durch den Rückstau sei nicht nur die Standsicherheit der Bäume verringert worden. "Darüber hinaus war durch den Rückstau ein Teilbereich des Straßendammes der B 85 betroffen", heißt es auf unsere Anfrage. "Es bestand der begründete Verdacht, dass der Straßendamm durch die Wühltätigkeit des Bibers Schaden nehmen könnte."
Deshalb habe die Untere Naturschutzbehörde die Öffnung des Biberdamms genehmigt - unter der Voraussetzung, dass die bruchgefährdeten Bäume zeitnah entfernt werden.
Auch die Untere Naturschutzbehörde geht davon aus, dass die Maßnahme dem Biber nicht schadet. Der Damm an sich sei nicht die Ruhe- und Fortpflanzungsstätte. Der Biber werde nicht aus seinem Revier vertrieben, sondern ziehe sich vorerst in ein weiter bachaufwärts gelegenes Gebiet zurück. "Sind die burchgefährdeten Bäume entfernt und ist die Straßenböschung durch Wasserbausteine vor dem Unterwühlen gesichert, steht einer erneuten Besiedlung durch den Biber nichts im Wege."
Ist soviel Optimismus gerechtfertigt? Ja, sagt Erich Schiffelholz, Kreisvorsitzender im Landesbund für Vogelschutz und ehrenamtlicher Biberberater im Landkreis Kulmbach."Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass der Biber dort bleibt."
Biber sind streng geschützt. Deswegen müsse man in Fällen wie diesem stets abwägen, wie große die Gefahr ist. Entsprechende Maßnahmen müssten dann mit der Naturschutzbehörde abgesprochen werden, so Schiffelholz. "Das sind immer Einzelverfahren."
Im Fall des Bibers von der B 85 habe es durchaus Handlungsbedarf gegeben. "Aber das, was jetzt gemacht wird, ist insgesamt eine gute Maßnahme."
Dazu unser Kommentar
Man muss halt wollen
Ob der Biber wirklich zurückkommt und seinen Damm erneuert? Das vermag niemand mit Gewissheit zu sagen. Aber die Chancen stehen gut. Einen Biber dauerhaft zu vergrämen, ist ein Vorhaben, an dem schon mancher gescheitert ist. Und so hoffen wir auch diesmal auf pelzige Hartnäckigkeit.
Wo Infrastruktur und Natur aufeinandertreffen gibt es oft Probleme. Nicht selten fällt deren Lösung dann zuungusten der Natur aus. Der Biber an der B 85 hat wohl Glück gehabt. Ihm gesteht man das Recht zu, seinen Damm wieder aufzubauen und seine Behausung, die wohl ein Stück weiter weg bachaufwärts liegt, zu behalten.
Nicht mehr standfeste Bäume zu fällen und den Straßendamm zu sichern, ist sicher aufwendiger und teurer, als den Biber einfach zu vertreiben. Aber es ist ein wichtiges Signal. Dafür, dass ein Nebeneinander von Infrastruktur und Natur durchaus möglich ist. Man muss halt wollen.
Was man über den Biber wissen muss
Der Europäische Biber (Castor fiber) ist das größte Nagetier Europas und das zweitgrößte weltweit. Ein ausgewachsenes Tier wird etwa 1,30 Meter lang. Davon entfallen rund 30 Zentimeter auf die "Kelle", den typischen Schwanz des Bibers. Der Biber gehört zu den streng geschützten Arten. Wer einen Biber fängt, verletzt oder tötet, oder wer eine Ruhe- und Fortpflanzungsstätte eines Bibers beschädigt oder zerstört, kann mit einem Bußgeld bis zu 50 000 Euro belangt werden.
Schwimmer und Taucher Biber sind sehr gute Taucher und Schwimmer; ihr dichtes und wasserabstoßendes Fell schützt vor Auskühlung. Der Schwanz dient im Wasser als Ruder aber auch zur Fettspeicherung. Hauchdünne, transparente Haut (Nickhaut) schützt die Augen unter Wasser; Ohren und Nasenlöcher können verschlossen werden, so dass Tauchgänge bis zu 20 Minuten möglich sind. Die Nagezähne sind sehr groß, selbstschärfend und wachsen ständig nach. Ein ausgewachsener Biber wiegt etwa 30 Kilogramm.
Lebensraum Der Biber liebt gewässerreiche Landschaften, naturnahe Flussabschnitte und siedlungsnahe Gräben oder Fischteiche. In guten Revieren genügen zwei Kilometer Uferlänge für eine ganze Biberfamilie.
Ernährung Im Sommer vor allem Kräuter, Gräser und Wasserpflanzen, im Winter Rinden und Zweige weicher Hölzer wie Pappeln oder Weiden und vieler anderer Baum- und Straucharten.
Nahrungsbedarf etwa zwei bis drei Kilogramm pro Tag.
Quelle: Bund Naturschutz