Der Anwalt der Armen und ein Brünnlein bei Kulmbach
Autor: Erich Olbrich
Kulmbach, Donnerstag, 27. Februar 2020
Das Hirschenbrünnlein am Ende der Oberen Buchgasse in Kulmbach hat schon bessere Zeiten erlebt.
Am Ende der Oberen Buchgasse schlummert ein alter Brunnen. Seine moosüberzogenen, teilweise zerbrochenen Steine klagen, zeugen aber gleichzeitig von vergangenen guten Zeiten. Auf einer alten Aufnahme von Hans Edelmann aus den 1930er Jahren ist er noch in einem gut erhaltenen Zustand zu sehen.
Doch das Wasser kommt nicht mehr aus dem metallenen Rohr, sondern hat sich neue Wege ins Tal gesucht. Vermutlich haben Straßenarbeiten oder auch umgestürzte Bäume den jahrzehntelangen Wasserfluss unterbrochen. Aus der einst schönen Anlage ist ein unansehnlicher Platz geworden. Die Steinbank wurde zerschlagen, der Brunnenstein mit der gegossenen Inschrift "Negeleins-Stiftung" steht so schief, dass er wohl bald umfallen wird. Aus der kleinen Mauer bröckeln Steine.
Verhängnisvoller Hangrutsch
Lange Jahre pflegte der Kulmbacher Verkehrs- und Verschönerungsverein im Auftrag der Stadt Kulmbach den Platz, für einige Jahre übernahm das Technische Hilfswerk die Patenschaft. Als aber vor einigen Jahren nach einem Hangrutsch in der Oberen Buchgasse der Baustellenverkehr über Kauernburg über diesen Bereich geleitet wurde, kam das Ende der Anlage. Steine wurden verrückt, der Platz als Lager für Baumaterial genutzt. Das Herrichten hätte Kosten verursacht, die der THW-Ortsverband nicht hätte leisten können.
Wie kam überhaupt an diese Stelle im Wald eine Brunnenanlage? Ihre Entstehung ist einer Stiftung aus dem Jahr 1891 zu verdanken, die Dr. Karl Friedrich Gottlieb Negelein der Stadt Kulmbach vermachte. Stiftungszweck war es, die Umgebung der Stadt Kulmbach zu verschönern.
So wurden im Testament 3000 Gulden für die Errichtung eines großen Eisernen Kreuzes im heutigen Alten Friedhof und die Neufassung des Hirschenbrünnleins in der Oberen Buchgasse aufgeführt.
Zinsen für eine arme Jungfrau
Ein weiterer Punkt in Negeleins letztem Willen war, dass die Zinsen aus 6000 Gulden für die Ausstattung einer armen Jungfrau aus Kulmbach, die sich durch untadelhaften Lebenswandel, Sittlichkeit und Religiosität auszeichnete, dienen sollten. Ferner bestimmte der Erblasser die Zinsen aus 3000 Gulden für Weihnachtsgeschenke und Gaben zum Gregorifest an arme Kulmbacher Kinder.
Es wurden noch weitere Punkte aufgeführt, aber Inflation und Wirtschaftskrisen haben dazu beigetragen, dass es diese Stiftung nicht mehr gibt.