Den Unbelehrbaren droht ein Verbot

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Kinder, deren Eltern im Auto rauchen, sind dem Qualm wehrlos ausgeliefert. Das könnte sich jedoch bald ändern - durch ein Gesetz.

In dem kleinen Raum ist die Schadstoffbelastung besonders hoch - eine Zumutung für alle, die dem Nikotingenuss des Mannes oder Frau am Steuer nichts abgewinnen können. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CDU), startete deshalb zusammen mit MdB Emmi Zeulner in Kulmbach die Kampagne "Du und dein Kind. Rauchfrei unterwegs." Das war am 7. Juni vergangenen Jahres. Jetzt kommt das Thema erneut auf, wohl vor dem Hintergrund des Rauchverbots in Autos mit Kindern, das am 1. Mai in Österreich in Kraft tritt.

Die Initiative nach dem Vorbild der alpenländischen Nachbarn ergriff der SPD-Abgeordnete Lothar Binding, unterstützt von seinem Kollegen aus der CDU-Fraktion, Rudolf Henke. Letzterer hält zum Schutz der Kinder auch ordnungspolitische Vorgaben für gerechtfertigt: "Der Gesundheitsschutz hat einen höheren Stellenwert als Freiheit zur Ignoranz."

Wie wird das Thema in Kulmbach bewertet? Soll der Schutz Minderjähriger vor Tabakrauch im Auto per Gesetz verboten werden? Oder setzt man lieber auf die Vernunft der Erwachsenen?

Hartwig Höhre plädiert für ein offizielles Verbot. "Denjenigen, die es nicht kapieren, muss man schon drohen. Über den Geldbeutel kriegt man sie alle", sagt der Kulmbacher Kinderarzt, der gleichzeitig einräumt, dass die rücksichtslosen Raucher im Auto seltener geworden sind. "Die Situation ist besser als vor zehn Jahren."

Eine Studie in den USA habe ergeben, dass schon Menschen. die 300 Meter vom Highway entfernt wohnen, bessere Lungenwerte haben als diejenigen, die direkte Anlieger sind.

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2000 Schadstoffgruppen

Im Auto sei die Situation katastrophal, vor allem für Kinder: "Die Lunge ist nach der Geburt noch nicht fertig. Solange sie in der Reifung ist - und das dauert bis zum 8. Lebensjahr -, sind Kinder den mindestens 2000 Schadstoffgruppen schutzlos ausgesetzt. Selbst geringste Konzentrationen, auch durch verrauchte Kleidung, sind extrem schädlich." Die Schadstoffe in der Zigarette behinderten die Ausdifferenzierung des Bronchialbaumes, so der Kinderarzt. Noch schlimmer sei es deshalb, in der Schwangerschaft zu rauchen.

Fahrlehrer Jürgen Schautzgy sieht zwei Aspekte: Zum einen den Schutz der Gesundheit, mit dem in Österreich argumentiert werde, zum anderen die Gefahren durch Ablenkung, die Polens Politiker ins Feld führen. Dort ist ebenfalls ein Verbot geplant. "Ich würde bei uns aber nicht unbedingt ein Gesetz daraus machen. Manchmal geht das zwar nicht anders, aber man sollte die Menschen lieber für das Thema sensibilisieren", so der 54-Jährige, der das Rauchen vor sieben Jahren aufgehört hat. "Meine Lebensqualität hat sich seitdem stark verbessert."


"Es gibt noch Rücksichtslose"

Nachdem er als Fahrlehrer täglich tausende von Verkehrsteilnehmern sieht, kann er auch die Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren kommentieren: "Die Zahl der Raucher hat sich deutlich vermindert. Aber einige Rücksichtslose gibt es natürlich immer noch."

Was sagt ein erfahrener Polizist zu dem Thema? Alexander Horn, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Kulmbach, bleibt in seinem Statement als Beamter neutral: "Grundsätzlich sollte beim Führen eines Fahrzeugs jegliche Ablenkung vermieden werden."


"Nicht alles sanktionieren"

Persönlich sei er der Meinung, dass nicht alles durch Gesetze sanktioniert werden sollte, zumal diese ja auch überwacht werden müssten. "Ich würde eher an die Vernunft der Autofahrer appellieren. Und die Erziehungsberechtigten sollten eigentlich wissen, was sie zum Wohl ihrer Kinder unternehmen müssen."

Laut ADAC gilt in Österreich ab 1. Mai Rauchverbot im Auto, wenn Minderjährige mitfahren. Wer erwischt wird, muss bis zu 1000 Euro Bußgeld berappen.

MdB Emmi Zeulner war in dieser Woche nicht erreichbar. Wie Jessica Engelbrecht vom Berliner Büro der Lichtenfelser CSU-Bundestagsabgeordneten mitteilt, sollen das Thema und das weitere Vorgehen am nächsten oder übernächsten Dienstag in einer Arbeitsgruppe der Union besprochen werden.


Pro und Contra

Soll das Rauchen im Auto für den Fall, dass Minderjährige mitfahren, per Gesetz verboten werden? Oder reicht es, an die Vernunft der Autofahrer zu appellieren? In einem Pro und Contra stellen Redaktionsleiter Alexander Müller und Redakteur Peter Müller ihre Argumente gegenüber.


Pro

Nur so sind Strafen möglich

Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher." Dieses Zitat, das Albert Einstein zugeschrieben wird, können sich all diejenigen hinter die Ohren schreiben, die ihre Kinder im Auto zuquarzen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Autor dieser Zeilen, bis vor vier Jahren selbst leidenschaftlicher Raucher, will hier keinesfalls der in Deutschland und Europa zweifellos herrschenden Regulierungswut das Wort reden. In diesem Fall scheint aber eine ordnungspolitische Maßnahme geboten - nicht zuletzt aus Gründen der Gleichbehandlung.

Denn: Wer im Auto mit dem Handy am Ohr ertappt wird, zahlt hundert Euro, einen Punkt in Flensburg gibt's gratis dazu.

Warum also sollte ein Autofahrer, der seine Kinder mit Zigarettenqualm malträtiert, ungeschoren davonkommen? Unterhalten Sie sich einmal mit einem Kinderarzt, dann wissen Sie, dass eine solche Rücksichtslosigkeit nichts weiter ist als Körperverletzung. Wobei noch zu klären wäre, ob hier Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegt. Schon bei Fahrlässigkeit droht laut Paragraf 229 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Und, ganz wichtig: Nur wenn es ein Gesetz gibt, kann jemand für einen Verstoß bestraft werden.
Sicher: Das Argument, dass die Überwachung schwierig ist, mag einleuchtend sein, gilt aber genauso beim Thema Handy.

Doch wenn das Damoklesschwert einer saftigen Strafe über den Unbelehrbaren schwebt, dann siegt vielleicht doch die Vernunft über die menschliche Dummheit.

Contra

Setzen wir doch auf Aufklärung

Wir Deutschen haben sie gerne, die Ge- und Verbote, die uns daher auch täglich begegnen. Nirgendwo sonst sieht man so viele Schilder mit Texten wie "Widerrechtlich geparkte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt", "Betreten verboten" oder "Schuttabladen untersagt".

Offenkundig brauchen wir für alles Regeln - und manchmal ziemlich unnötige, weil man problemlos auch den gesunden Menschenverstand bemühen könnte, der beispielsweise nahelegt, dass man eben nicht einfach irgendwo Schutt abladen kann. Ein neuer Vorstoß aus dieser Richtung ist meiner Meinung nach der, das Rauchen im Auto zu verbieten, wenn Kinder an Bord sind.

Zunächst einmal: Ich bin reichlich unverdächtig, dem Qualmen das Wort zu reden. Ich bin seit Geburt Nichtraucher und habe auch nicht vor, dies jemals zu ändern. Aber: Muss der Staat tatsächlich in die Privatsphäre von Bürgern so weit eingreifen? Muss wirklich alles bei uns durch Ge- und Verbote geregelt werden?

Ganz richtig, wer ein Gesetz fordert, muss auch dafür sorgen, dass dessen Einhaltung kontrolliert werden kann. Dass aber die Polizei auf Grund ihrer aktuellen Personalausstattung schon überfordert ist, bestehenden Regeln - etwa Tempolimits auf Bundesstraßen oder den Promillegrenzen - Nachdruck zu verleihen, wird jedem, der mit dem Auto unterwegs ist, täglich klar. Und dann auch noch Raucher-Kontrollen im Auto?

Setzen wir doch einfach auf Gesundheitsbildung, Aufklärung und Überzeugungsarbeit. Dann können wir der Problemlösung näher kommen. Und diejenigen, die sich nicht von guten Argumenten überzeugen lassen, helfen auch Kontrollen und Strafen nicht.