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Den Kirchen gehen die Mitglieder verloren


Autor: Sebastian Martin

Kulmbach, Mittwoch, 17. April 2013

Der demografische Wandel macht auch vor den Kirchen nicht Halt. In den vergangenen Jahren haben die Dekanate im Landkreis Kulmbach tausende Mitglieder verloren. Das wirkt sich auf Struktur und Finanzen aus.
Die Kulmbacher Kirchen haben mit abnehmenden Mitgliederzahlen zu kämpfen. Betroffen ist auch das katholische Dekanat, in das auch die Pfarrkirche St. Michael in Stadtsteinach gehört. Fotos: S.Martin


Die Kirchenaustritte sind es nicht. Da sind sich alle drei Dekane einig. Die Zahlen belegen das auch. Mehr Beerdigungen als Taufen, das ist der beste Beweis dafür, dass es dennoch immer weniger werden: Die Mitgliederzahlen in den drei Dekanaten des Landkreises Kulmbach nehmen ab. "Kirchenaustritte spielen so gut wie keine Rolle, das liegt im Promille-Bereich", sagt Hans Hager, der evangelische Dekan von Thurnau. Das bestätigen auch Hagers Kulmbacher Kollege Jürgen Zinck und der katholische Dekan Hans Roppelt aus Stadtsteinach.

Doch beruhigen kann das die drei Kirchenvertreter nicht. Allein das evangelische Dekanat Kulmbach hat seit 2001 über 5000 Mitglieder verloren. Das evangelische Dekanat Thurnau ist inzwischen unter die 9000er- Marke gerutscht, und das katholische Dekanat Kulmbach hat in den vergangenen vier Jahren 1000 Mitglieder verloren. Wie sich die Lage in den einzelnen Dekanaten darstellt, zeigt der folgende Überblick.

Finanzen, Personal, Gebäude: Das sind die Felder, auf denen Konsequenzen aus dem Mitgliederschwund gezogen werden müssen.

Evangelisches Dekanat Kulmbach

"2003 haben wir damit angefangen, uns genauer vor Augen zu führen, was auf uns zukommt", sagt Dekan Jürgen Zinck. Schon damals vor zehn Jahren waren allerdings bereits die Zahlen rückläufig. Noch 2003 waren es mehr als 35 000 Gläubige im evangelischen Dekanat Kulmbach. Inzwischen sind es 31 641. Tendenz fallend. "Wenn wir weniger werden, bekommen wir weniger Geld", sagt Zinck. So einfach ist die Rechnung.

In der evangelischen wie auch in der katholischen Kirche werden die Schlüsselzuweisungen nach Mitgliederzahl und Fläche des Dekanats berechnet. 133 Euro bekommen die evangelischen Dekanate von ihrer Landeskirche als sogenannter Punktwert pro Kopf. Die Fläche bleibt immer gleich groß; was sich ändert, sind die Mitgliederzahlen. Das spüren die Kirchen in den Dekanaten. In der Petri-Kirchen gemeinde von Zinck musste man sich bereits auf jährliche Mindereinnahmen von 25.000 Euro über fünf Jahre einstellen. Und die hauptamtliche Mesnerstelle ist weggebrochen.

"Weniger Mitglieder heißt auch weniger Pfarrstellen", sagt Jürgen Zinck zwar, doch das sei die letzte Option. Das Kulmbacher Dekanat hat alle 22 Stellen erhalten können - und will das auch weiterhin schaffen. In anderen Bereichen wurde jedoch schon früh reagiert. "Wir haben Verbünde geschaffen", sagt Zinck. "Seit 2003 als eines der ersten Dekanate haben wir die Kindertagesstätten zusammengefasst in eine Kita gGmbH." Eine größere Einheit sei so entstanden, die wirtschaftlich bleibt.

Und was die Gebäude betrifft, die will man im Dekanat wenn möglich auch erhalten. "Kirchen werden grundsätzlich nicht aufgegeben." Die Gebäude sollen alle in der Nutzung bleiben. Und bei den Gemeindehäusern wurde fast als Zeichen bereits investiert.

Katholisches Dekanat Kulmbach

Auch im katholischen Dekanat Kulmbach wird in Gebäude investiert, obwohl die Zahlen abnehmen: 2008 hatte das Dekanat noch 21.098 Mitglieder, daraus sind inzwischen 19 811 geworden. "Als ich vor 17 Jahren gekommen bin, hat sich die Zahl der Taufen und Beerdigungen die Waage gehalten", erinnert sich Dekan Hans Roppelt. In seiner Pfarrei in Stadtsteinach waren es 2012 noch 23 Taufen, dafür wurden 45 Menschen beerdigt. Fast doppelt so viele also.

Dennoch: Das Pfarrheim in Stadtsteinach, wo Roppelt seine Pfarrei hat, wird für insgesamt 685.000 Euro renoviert. Allerdings, sagt der Dekan, sei man auf Spenden angewiesen. Ein Drittel komme vom Erzbistum Bamberg, der Rest müsse selbst finanziert werden. Deshalb sei man nun dazu übergegangen, vieles ehrenamtlich zu machen.

Und das gilt nicht nur für das Handwerkliche. Gerade die Einzelseelsorge müsse in Zukunft stärker ehrenamtlich gemacht werden. Roppelt stört das aber gar nicht so sehr: "Der Ursprung der Kirche war auch ehrenamtlich."
Eine weitere Konsequenz aus dem Mitgliederschwund war die Bildung von sogenannten Seelsorgeeinheiten im katholischen Dekanat, die bereits 2006 gebildet wurden. Inzwischen gibt es vier Seelsorgeeinheiten im Dekanat Kulmbach. Darin werden umso mehr ehrenamtliche Helfer gebraucht.

Und es muss auch im katholischen Dekanat gespart werden. Die Seelsorgeeinheit Steinacher Land, zu dem die Gemeinden Stadtsteinach, Presseck und Wartenfels gehören, bekommt in diesem Jahr Schlüsselzuweisungen aus Bamberg von 84.700 Euro. Davon müssen der Mesner, Hausmeister und die Pfarrsekretärin sowie Strom und Heizung bezahlt werden. Der Pfarrer wird extra finanziert. "Das Geld wird weniger, in der Pfarrei haben wir 6000 Euro mehr ausgegeben als eingenommen", sagt Dekan Roppelt. Auch in der Kirche muss man auf die Zahlen schauen.

Evangelisches Dekanat Thurnau

Ein Sonderfall ist das Dekanat Thurnau, das sich über 13 Kirchengemeinden erstreckt. Es gehört zu den kleinsten Einheiten in der evangelischen Landeskirche in Bayern. 2006 hatte das Dekanat noch 10.147 Mitglieder, inzwischen sind es noch 8990. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Kirchengemeinde Neustädtlein auf Antrag ausgetreten ist (bedeutet: weitere 600 Gläubige weniger). Der Aderlass im evangelischen Dekanat Thurnau wäre demnach wesentlich geringer ausgefallen, hätte sich die Kirchengemeinde Neustädtlein 2009 nicht entschieden, künftig dem benachbarten Dekanat angehören zu wollen. Aber Verlust ist Verlust: "Das hat uns schon sehr weh getan, als Neustädtlein an Bayreuth abgegeben werden musste", sagt Dekan Hans Hager.

Dennoch, das Dekanat schrumpft und Dekan Hager weiß, dass irgendwann auch in der Landeskirche aus wirtschaftlichen Gründen eine Mindestgrenze an Mitgliedern für ein Dekanat definiert werden muss. Was dann mit Thurnau passiert, wagt bisher keiner zu sagen. "Bisher ist es uns gelungen, die Jahresrechnungen positiv zu gestalten." Luxus gönne man sich allerdings keinen.

Die Jugend nicht vernachlässigen

Die evangelischen Dekane Hager und Zinck sagen, dass sie sich derzeit mit dem Rückgang akut nicht beschäftigen. Der aktuelle Landesstellenplan ist in der evangelischen Kirche seit 2010 vollzogen. Als nächstes wird 2019 diskutiert.

Auf die Frage, wie dem demografischen Wandel beizukommen ist, kann keiner eine Antwort geben, aber Zinck ist sich sicher: "Die Jugend vernachlässigen wir nicht." Und natürlich vergesse man auch die Bedürfnisse der Senioren nicht.