Demografie: Leichtes Plus macht Hoffnung
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Dienstag, 09. Februar 2016
Die Stadt Kulmbach legt nur aufgrund der Flüchtlinge zu. In einigen Gemeinden hat sich der bisweilen deutliche Rückgang an Einwohnern verlangsamt.
Innenminister Joachim Hermann (CSU) blickte im Jahr 2012 in die Kristallkugel zur bayerischen Bevölkerungsentwicklung. Die Prognose war nicht so schwer zu stellen: Den größten Einwohnerschwund, so die Auguren der Staatsregierung, müsse die nächsten 20 Jahre Oberfranken verkraften. Dort würden 2030, sollte die Entwicklung nicht gestoppt werden, annähernd zehn Prozent weniger Menschen leben. Hauptgrund für die Rückgänge sei die stark sinkende Zahl der Geburten, denen immer mehr Sterbefälle gegenüberstünden. Hermann fügte hinzu: "Die Entwicklung können wir auch durch Zuwanderung nicht völlig kompensieren."
Zugegeben: Die Flüchtlingssituation, wie sie sich seit vergangenem Spätsommer darstellt, war womöglich so extrem nicht vorhersehbar (auch wenn Nahost-Experten seit vielen Jahren exakt auf diese Entwicklung hinweisen). Fakt ist: Der Zuzug an Menschen mit Migrationshintergrund hat nicht zuletzt in der Stadt Kulmbach immerhin zu einer Stabilisierung der Einwohnerzahl geführt. Wir haben in Sachen Bevölkerung einige Schlaglichter auf die Region gerichtet.
Kulmbach
Die jüngsten Erhebungen aus der Verwaltung belegen, dass den 1157 Wegzügen 1315 Zuzüge gegenüber stehen; Kulmbach zählte zum Jahresende 2015 insgesamt 26 448 Einwohner (macht minus 31 zum Vorjahr). "Das ist so schlecht nicht auf den ersten Blick", wertet OB Henry Schramm - um aber gleich einzuschränken: "Da sind die aktuell 130 Flüchtlinge mit eingerechnet, ansonsten lägen wir bei minus 160. Und es waren auch schon mehr als 200 weniger binnen eines Jahres." Eine Entwicklung, die Schramm bedenklich nennt. "Man muss natürlich auch berücksichtigen, dass wir bei 184 Geburten 386 Sterbefälle gegenrechnen müssen."Kinder seien das Beste, was einer Kommune passieren könne. "Wir als Verwaltung müssen die Rahmenbedingungen schaffen. Und wir tun das im Rahmen unserer Möglichkeiten: Wir investieren Millionen in Schulen und Kindertagesstätten, wir versuchen Arbeitsplätze hierher zu verlagern. Wir weisen günstiges Bauland aus. Gerade für junge Familien ist Kulmbach eigentlich sehr attraktiv."
In Sachen Bevölkerungsentwicklung lohnt sich ein kurzer der Blick über die Stadtgrenzen. Bamberg gehört da klar zu den Gewinnern: Zum 31. Dezember 2015 zählte die Stadt mehr als 73 300 Bürger - ein Zugewinn binnen eines Jahres von über 1000 Menschen. Bayreuth legte moderater zu, aber auch die Wagnerstadt verzeichnet ein Plus und steht bei 72 295 Einwohnern (Vorjahr: 71 689).
"Vor 30 Jahren hätte sich Kulmbach als Hochschulstandort bewerben sollen", sagt Schramm mit Blick auf diese Zahlen. Eine Uni in der Stadt sei wie ein Sechser im Lotto: Sie zieht junge Leute an, ermöglicht ganz andere Entwicklungsperspektiven. "Wenn ich sehe, was allein durch die Hochschule an neuen Forschungseinrichtungen nach Bayreuth kommt..." Schramm versuche, diesen Standortnachteil unter anderem mit dem geplanten Medizin-Campus wettzumachen. "Da gibt es natürlich mittlerweile auch andere Mitbewerber, die sich davon Chancen versprechen. Wir haben gesehen, wie schwierig es ist, bei der Behördenverlagerung zum Zuge zu kommen." Der Kampf um die Köpfe - er werde nicht einfacher.
Einen Rückgang bei den Bürgerzahlen: Den gibt es übrigens nicht automatisch überall im Landkreis Kulmbach. Im Gegenteil: Rekurriert man auf das Jahr 2014, verzeichnet manche Kommune einen stattlichen Zuwachs.
Ködnitz
Relativ konstant im Laufe der vergangenen drei Jahre hielt sich die Gemeinde Ködnitz mit Blick auf die Bevölkerung. "Wir profitieren gerade in den Ortsteilen Fölschnitz und Kauerndorf natürlich von der Nähe zur Stadt", sagt Bürgermeister Stephan Heckel-Michel (CSU). Die schnelle Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes ist das eine - Infrastruktur am Wohnort den allermeisten aber genau so wichtig. Hier spielen der Breitbandausbau und vor allem der Kindergarten eine entscheidende Rolle. "Der ist gerade für junge Familien ein Grund, hierzubleiben oder herzuziehen." Interessenten für die Wohngemeinde Ködnitz als Lebensmittelpunkt gebe es einige. "Wir sind bemüht, etwa in der Siedlung bei den Häusern aus den 1970er- und 1980er-Jahren keine Leerstände entstehen zu lassen." In Heinersreuth sollen drei Bauplätze ausgewiesen werden, auch dafür hat der Bürgermeister potenzielle Abnehmer. Und noch eine Zahl, die ihn froh stimmt: 12 Sterbefällen stehen 14 Geburten gegenüber. "Das Pendel hatte schon mal deutlich andersrum ausgeschlagen."
Himmelkron
Die relativ große Zahl an Sterbefällen bereitet hingegen Himmelkrons Rathauschef Gerhard Schneider (CSU) Kopfzerbrechen: 54 waren es 2015. "Natürliche Schwankungen lassen sich freilich nie vorhersehen. Es gab jedenfalls keine Krankheitswelle, auf die das zurückzuführen wäre." Bei den dagegen gesetzten 23 Geburten spricht der Statistiker schonungslos von einem "Sterbeüberschuss". Schneider mag das Wort nicht. "Ich bin zufrieden, dass wir unsere Einwohnerzahl halten konnten. Die Entwicklung ist seit etwa 2005 zum Glück relativ stabil. Unser oberstes Ziel muss es sein, Himmelkron als Wohngemeinde attraktiv zu halten." Ein Weg dahin: Bautätigkeit. Unter diesem Schlagwort subsummiert der CSU-Politiker das, was die Gemeinde gerade jungen Familien an Bauland zur Verfügung stellen möchte. "In der jüngsten Gemeinderatssitzung standen allein vier Bauanträge drauf - das zeigt mir, das etwas geht." Hinzu kommt, dass Himmelkron aktuell etwa 2400 Menschen einen Arbeitsplatz bieten kann. "Das ist in guten Konjunkturzeiten wie diesen ein schönes Zeichen. Wir wissen aber nur allzu gut, dass sich das sehr schnell ändern kann."
Thurnau
Nicht schnell ändern kann Thurnaus Bürgermeister Martin Bernreuther (CSU) die Tatsache, dass er wesentlich mehr Bauland bräuchte, als er anbieten kann. "Bauplätze, Bauplätze, Bauplätze - das ist es, was für die nahe Zukunft zählt. Der Markt Thurnau ist hier leider limitiert. Das liegt wahrlich nicht an der Verwaltung: Wir würden sehr gerne." Aber die Gegebenheiten, sagt er, sind schwierig, was die Flächen angeht, die der Kommune schon gehören. "Mal müssen wir in der Nähe der Autobahn die Lärmschutzauflagen berücksichtigen. An anderer Stelle treibt die Hochwasserfreilegung die Kosten in die Höhe."Bestandsmanagement sei ein Gebot der Stunde - Thurnau hat die vorhandenen Lücken kartiert und auf der Gemeinde-Homepage aufgeführt. "Wir wissen, dass in den nächsten Jahren manches Haus, gerade im Kernort, leerstehen wird. Aber die Bereitschaft der Eigentümer zu verkaufen, die hält sich in Grenzen."
Eines seiner Hauptziele sei, den Industriestandort auszubauen und zugleich den Handel im Ortsinneren zu halten. Lösungen auf der grünen Wiesen würden über kurz oder lang nur dazu führen, dass die Zentren ausbluten.
Thurnau sei rotz alledem darauf angewiesen, durch Zuzug die Einwohnerzahl wenigstens gleich zu halten. "Mir bereitet die Entwicklung schon auch Sorge, wenn ich betrachte, dass die Gemeinde seit 2005 einen Bevölkerungsrückgang von 7,5 Prozent aufweist." Insofern freut ihn der, wenn auch kleine, aktuelle "Überschuss" von 20 Bürgern.