Das Zauberwort heißt Respekt
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Freitag, 18. Januar 2019
Drei Generationen - drei unterschiedliche Lebensentwürfe: Die Kulmbacher Familie Stindl hält in allen Lebenslagen fest zusammen.
Es ist ein emotionales Gespräch, und ein anrührendes. Es ist die Geschichte dreier Generationen, die zusammenhalten wie Pech und Schwefel und die bei allen Unterschieden in ihren jeweiligen Biografien viel gemeinsam haben. Das Gemeinsame sind die Werte - unverrückbar in Stein gehauen: Die Familie ist wichtig, gegenseitiger Respekt und Wertschätzung selbstverständlich. Die Unterschiede liegen vor allem in den Chancen, die den Familienmitgliedern in ihrer Jugend offenstanden.
Schlesien im Jahr 1943. Die 14-Jährige Erna ist mit der Volksschule fertig. Sie hat keine hochfliegenden Träume, nur einen bescheidenen Wunsch: Sie möchte gerne eine Lehre machen und Schneiderin werden. Doch daraus wird nichts. Es ist Krieg. Sie muss das für Mädchen obligatorische Pflichtjahr bei einer kinderreichen Familie absolvieren - in einer Bahnhofswirtschaft. Schwere Arbeit für eine Jugendliche. "Das hat damals aber niemanden interessiert, ob ich das will oder kann."
Mehr als sieben Jahrzehnte später hat es die Enkelin da deutlich leichter: Carina Krauß darf das Gymnasium besuchen, ihre Wunschausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin machen. Sie arbeitet derzeit auf der Frühchen-Station im Krankenhaus Ingolstadt. Oma Erna macht das glücklich: "Ich bin so froh, dass Carina die Chancen hat, die es für mich damals nicht gab."
In der Folge des Krieges verschlug es Erna Stindls Familie 1945 nach Kulmbach. Als ungelernte Arbeiterin geht das junge Mädchen zum Geldverdienen in die Spinnerei. Sie heiratet, bekommt zwei Söhne und setzt alles daran, ihren Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen.
Sohn Helmut, Carinas Vater, wird Kaufmann für Groß- und Außenhandel. "Das war genau das, was ich machen wollte", sagt der 58-Jährige. Auch seine Frau Andrea, gelernte Bekleidungsfertigerin, profitierte von der inzwischen etablierten Gleichberechtigung zwischen Jungen und Mädchen.
Die Familienbande der Stindls sind stark. Füreinander da zu sein, ist eine Selbstverständlichkeit. Gesamtgesellschaftlich sehen sie das Thema Generationensolidarität allerdings als eine große Herausforderung. Die 25-jährige Carinabeobachtet: "Unsere Gesellschaft wird kälter, irgendwie rücksichtsloser. Die meisten Leute sind gestresst und denken zuerst an sich."
Gleichaltrige und sogar kleine Kinder verbrächten ihre Freizeit vor allem mit dem Handy oder am Computer. "Ich habe als Kind mit meiner Oma viel gespielt, gerne Puzzles gelegt." Die junge Frau möchte diese gemeinsamen Stunden um nichts in der Welt missen. "So wie ich aufgewachsen bin, wächst jetzt kaum noch ein Kind auf. Das ist schade."