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"Das schadet uns massiv"


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Montag, 22. Februar 2021

Jüngst hagelte es in den sozialen Netzwerken Kritik am Tierschutzverein. Der Vorsitzende wehrt sich und rechtfertigt Maßnahmen auch gegen Ehrenamtliche.
Auch für Notfälle wie Sultan muss das Tierheim ein Plätzchen schaffen: Der Vierbeiner stammt aus einer Beschlagnahmung durch die Polizei. Eine der zentralen Aufgaben, um die sich die Tierheimleiterinnen Carina Wittmann und Angelika Enzmann (von links) sowie Vereinsvorsitzender Wolfgang Hain zu kümmern haben. Nicht alle sind mit ihrer Arbeit einverstanden.


Der Tierschutzverein Kulmbach sieht sich aktuell heftiger Kritik ausgesetzt - angefangen von den jüngsten Diskussionen um die vermeintlich nicht artgerechte Haltung dreier verwilderter Katzen (BR vom 19. Februar) in einem Außengehege bis hin zu Vorhaltungen, die beiden Leiterinnen des Tierheims würden Interessenten vergraulen oder gar keine Tiere mehr aufnehmen wollen. Zu diesen und anderen Vorwürfen gab es gestern einen Pressetermin im Tierheim.

Was hat die Negativ-Publicity aktuell für Auswirkungen?

Dazu sagt Vereinsvorsitzender Wolfgang Hain: "Leider sind es ein paar ganz wenige Einzelne, die die Arbeit der Tierheimleiterin Carina Wittmann und ihrer Stellvertreterin Angelika Enzmann schlecht reden und damit auch andere Ehrenamtliche belasten." Diese Stimmungsmache habe bereits dazu geführt, dass einige spendenwillige Personen von ihren Zuwendungen abgesehen hätten. Das schlage ins Kontor. Vor diesem Hintergrund sei der Verein auch mit einer Anzeige gegen eine Tierschützerin und deren Äußerungen in den sozialen Medien vorgegangen, "weil wir Schaden vom Verein abwenden müssen, vor allem mit Blick auf die Tiere und deren notwendige Versorgung".

Was kostet der laufende Betrieb und wie wird er bezahlt?

Die Gesamtausgaben beliefen sich jährlich im Schnitt auf 150000 Euro, sagt Wolfgang Hain. Darunter fielen Gehälter für Angestellte (vier an der Zahl), ferner Kosten für Strom, Wasser und Heizung, Unterhaltungskosten für die diversen Heimgebäude und das Grundstück, für den Unterhalt des Tierheimfahrzeugs, aber natürlich auch für Futter. Einen großen Batzen machten Tierarztkosten aus, die per anno allein mit rund 25 000 Euro zu Buche schlügen.

Der Verein ist beim Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Nach den Worten von Kassier Hans Beyer stammen 50 Prozent der Gelder, mit denen der Verein seine Kosten kalkuliert, aus privaten Spenden, umgerechnet um die 60000 Euro. "Falls die wegfallen, können wir unseren Aufgaben in keiner Weise mehr nachkommen und hätten große Probleme." Die andere Hälfte wird über die Beiträge der aktuell rund 600 Mitglieder finanziert sowie über die sogenannte Fundtierversorgung generiert. Dies ist laut Gesetz eine Pflichtaufgabe der Städte und Gemeinden des Landkreises. Jede Kommune delegiert diese Aufgabe in der Regel an den ortsansässigen Tierschutzverein. Dieser bekommt dafür eine Abgabe, die aktuell 50 Cent pro Landkreisbewohner und Jahr beträgt. Nach den Worten des Regionalreferenten des bayerischen Tierschutzbundes, Andreas Brucker, müssten es angesichts der gestiegenen Anforderungen mindestens 1,20 Euro sein. In Summe kommen so aktuell etwa 36000 Euro zusammen. Leider beteiligten sich nicht alle Gemeinden, so Hain. Weitere Einnahmen, rund 10000 Euro, stammten aus Gebühren bei der Vermittlung - für eine geimpfte Katze sind das 120 Euro, für einen Junghund/Welpen 300 Euro. Im Jahr kämen an Abgabetieren durchschnittlich 20 Hunde, 50 Katzen und 80 Kleintiere zusammen. Wäre keine Pandemie mitsamt aller Beschränkungen, könnte der Verein noch auf etwa 10000 Euro aus dem beliebten Sommerfest zurückgreifen und die gleiche Summe nochmals über die monatlichen Flohmärkte erhalten. Hain: "Wenn wir Einnahmen und Ausgaben gegenrechnen, haben wir die vergangenen Jahre trotzdem immer mit einem Verlust von 20000 Euro abgeschlossen."

Wofür sind die Einnahmen?

Unter anderem für die Kastrationen von Katzen. "Wir können und wollen das Elend gerade von verwilderten Katzen nicht ins Uferlose steigen lassen über eine unkontrollierte Vermehrung. Deswegen ist Kastration oberstes Gebot, um die Zahlen zu begrenzen. Dazu brauchen wir auch Ehrenamtliche", sagt Hain - schränkt aber gleichzeitig ein: "Wir wollen, dass die Ehrenamtlichen, die hier wertvolle Arbeit leisten, dies nicht ohne Absprache mit dem Tierschutzverein tun. Wir verbieten keinem, Katzen zu kastrieren. Wir wollen aber vorher darüber informiert werden, wenn das beim Tierarzt in unserem Namen geschieht." Wenn alles geklärt sei, werde der Verein uneingeschränkt weiterhin auch die Kosten übernehmen. Es könnten freilich nicht einfach wahllos Tierarztrechnungen vorgelegt werden, die der Verein ungefragt zu bezahlen habe. "Wir als Verein müssen nachweisen, wofür die Gelder ausgegeben worden sind. Dass wir da einfach immer weiter Geld abdrücken, funktioniert so nicht länger."

Stimmt es, dass Interessenten im Tierheim abgewiesen werden?

"Bei uns bekommt nicht jeder ein Tier. Das ist gutes Recht des Vereins, wenn berechtigte Zweifel an der Eignung bestehen oder an den Haltungsbedingungen allgemein", sagt Wolfgang Hain. Man handele zu allererst im Sinne des Tieres, das vermittelt werden soll. "Deswegen kann es sein, dass unsere Tierheimleitung ,Nein' sagt, etwa wenn ein Kleinkind eine kleine Katze bekommen soll oder ein alleinstehender älterer Mensch einen jungen Hund. Unser Ziel ist, die Tiere an einen ordentlichen Platz zu vermitteln, wo sie gut aufgehoben sind." Dazu gehöre, dass bei Bedarf eine Vorkontrolle stattfindet. "Es geht nicht nur darum, einfach Tiere loszuwerden. Wir müssen immer das Für und Wider abwägen. Und wir haben Regularien, an die wir uns zu halten haben."

Wie steht es um das Verhältnis von Tierheimleitung und Ehrenamtlichen?

Wolfgang Hain definiert klar: "Die Tierheimleitung bestimmt die Regeln - und die Ehrenamtlichen haben sich dran zu halten. Anders geht es nicht." Die Vergangenheit habe gezeigt, dass der allergrößte Teil der Gassigeher und Katzenstreichler mitziehe. Aber: Es könne nicht sein, dass einige Ehrenamtliche ohne Erlaubnis etwa in Unterlagen kramten oder mit einem eigenen Schlüssel nach Gusto zu jedem beliebigen Zeitpunkt ins Tierheim kämen - gerade in Corona-Zeiten.

Angeblich gibt es im Kulmbacher Tierheim kaum Hunde, Katzen & Co. zu vermitteln, während andere Einrichtungen aus allen Nähten platzten. Gassigeher sagen: Es ist nix zum Ausführen da - wie kann das sein? Warum werden die freien Zwinger nicht beispielsweise für Hunde aus dem Auslandstierschutz genutzt?

Andreas Brucker, Regionalbeauftrager für Oberfranken im Landestierschutzbund Bayern, bekundet: "In anderen Tierheimen ist der Tierbestand ebenfalls entsprechend niedrig." Es gebe viele Mitgliedstierheime mit einem hohen Anteil an so genannten Problemhunden, wobei dieser Bestand sich schon vor Corona aufgebaut habe. "Grundsätzlich sagen wir: Ein Tierheim komplett vollmachen mit Auslandshunden geht nicht, weil ich Reserven für die eigentliche Aufgabe der Fundtierversorgung vor Ort brauche. Aber, und das ist meine persönliche Meinung: Tierschutz darf gerade in Europa keine Grenzen kennen. Wenn also Platz da ist, sollen gerne Auslandstierschutzhunde aufgenommen werden - nur eben nicht wahllos, sondern mit Herz und Verstand." Brucker selber habe im Schnitt jede Woche mit vier aufgegriffenen illegalen Tiertransporten zu tun. "Wir reden hier von einem einzelnen Hund bis zu 30 Tieren auf einmal. Diese müssen wir ja alle zeitnah unterbringen."

Hinzu kommt: Seit zwei Jahren finde Tierschutz auch wieder im bayerischen Landeshaushalt statt. In Zahlen: eine Million Euro an Mitteln für ganz Bayern. "Nur zur Einordnung: Allein unser Landesverband hat 85 Mitgliedstierheime", stellt Brucker klar. Die Krux: Tierheime, die Auslandstierhunde aufnehmen, fielen grundsätzlich aus dem Förderraster raus. Der Regionalbeauftragte weist darauf hin, dass es neben der Kostenfrage noch ein anderes Problem gibt: "Diese Tiere kommen oft ohne jegliche Impfung. Da sind höchste Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, und das kostet. Denn wenn es dumm läuft, kann ich ein ganzes Tierheim mit Tollwut, Staupe etc. überschwemmen." Angelika Enzmann ergänzt: "Was unsere Platzkapazitäten angeht, müssen wir damit rechnen, dass so manches Tier, das in einer euphorischen Stimmung während des Corona-Lockdowns angeschafft wurde, über kurz oder lang wieder bei uns im Tierheim landet, weil die Leute merken, dass so ein Tier Arbeit macht. Auch für solche Fälle müssen wir gewappnet sein."