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Das "Phantom": Romantik und schräger Humor


Autor: Stephan-Herbert Fuchs

Kulmbach, Montag, 20. Januar 2014

Wer die weltberühmten Ohrwürmer von Andrew Lloyd Webber hören wollte, der war sicher enttäuscht. Wer zweieinhalb Stunden anspruchsvolle Unterhaltung mit ausgezeichneten Sängern und Schauspielern suchte, der war am Sonntagabend in der Dr. Stammberger-Halle bei "Phantom der Oper" genau richtig.
Deborah Sasson und Axel Olzinger im "Phantom der Oper". Foto: stephan Herbert Fuchs


Die Version tourt schon seit einiger Zeit kreuz und quer durch Europa. "Morgen sind wir in Basel", so der Manager, später geht es weiter nach Italien, sagt Deborah Sasson. Die US-amerikanische Sopranistin ist so etwas wie der Dreh- und Angelpunkt der Produktion. Deborah Sasson singt und spielt nicht nur die Hauptrolle der Christine, von ihr stammt auch der größte Teil der Musik, sie hat das Buch geschrieben und die künstlerische Gesamtleitung inne. Dazu kommt der Münchner Sänger, Tänzer und Choreograph Jochen Sauter als Textdichter und das legendäre Produzententeam Roland Heck und Gerd Köthe, das als "musikalischer Ideengeber" genannt wird. Sie alle schufen aus dem Roman von Gaston Leroux eine Version des Phantoms, die nahe an der Romanvorlage ist, viele Opernzitate enthält und die hauptsächlich von Romantik, Emotion und einer Prise schrägen Humors lebt.

Ein Ort des

Schreckens
Die Geschichte des Phantoms ist die des Titelhelden Eric, der mit verunstaltetem Gesicht in den Gewölben der Pariser Oper lebt und das Haus in einen Ort des Schreckens verwandelt. Anders als im Webber-Musical orientiert sich die Version inhaltlich geschlossener an der Bestseller-Vorlage und stellt die Rivalität zwischen dem Phantom und dem Grafen Raoul um die Chorsängerin Christine in den Mittelpunkt.

Auch wenn die Textverständlichkeit aufgrund der technischen Verstärkung manchmal etwas litt, so kam die Handlung dennoch nachvollziehbar rüber, was vor allem auch an den vielen aufwändigen Projektionen, Videozuspielungen sowie Licht- und Toneffekten lag.

Viele Musical-Profis

Wenn die Aufführung auf jeden Fall einen Besuch wert war, dann sicher vor allem wegen der ausgezeichneten Sängerdarsteller, allesamt langjährige Musical-Profis von den bedeutendsten europäischen Bühnen.

Allen voran Deborah Sasson in der Hauptrolle der Christine. Sie hatte im Laufe ihrer über 30-jährigen Deutschland-Karriere bereits den Grünen Hügel in Bayreuth erklommen und eine beispiellose Bühnen-, Platten- und TV-Karriere folgen lassen. Stimmlich wie darstellerisch kann Deborah Sasson auch in der "Phantom"-Aufführung auf eine beeindruckende Bühnenpräsenz verweisen, zumal das Musical ohnehin immer ihr Schwerpunkt war. Nuancenreich und modulationsfähige ist ihre Stimme, wenngleich auch hier etwas weniger Mikrofon-Verstärkung mehr gewesen wäre.

Ganz Profi erläuterte sie entspannt in der Pause, dass sie bewusst eine ganz andere Fassung als die von Andrew Lloyd-Webber schreiben wollte. "Manche Menschen glauben ja, Lloyd-Webber habe den Roman geschrieben", sagt die Sängerin. In Wirklichkeit war es der französische Schriftsteller Gaston Leroux. Ein Grund für die eigene Fassung sei es auch gewesen, dass die Version von Webber nicht verändert werden dürfe. Aber Theater lebe nur einmal non Veränderung und Neuinterpretation, gerade eine derartige Tourneeproduktion. Also schuf man sich ganz einfach eine eigene Version, die auf jeden Fall das Zeug zum Klassiker hat.

Auch bei Bregenzer Festspielen

Die Partie des Phantoms verkörperte Axel Olzinger, der als "Grease"-Darsteller und in der "West Side Story" bei den Bregenzer Festspielen bekannt wurde. Auch Olzinger ist ein Bühnenprofi in darstellerischer wie gesanglicher Hinsicht, der die Partie des Phantoms glaubhaft rüberbringt und schauspielerisch stimmlich in allen Lagen stets bestens präsent ist.

In weiteren tragenden Rollen des fast 50-köpfigen Ensembles waren Textdichter Jochen Sautter als leidenschaftlicher Graf Raoul und Annette Kuhn als überdrehte Charlotta sowie Niels Schwarzenbeck und Thomas Hartkopf als herrlich komische, rivalisierende Operndirektoren zu erleben.

Rockig

Kammermusikalisch mit nur rund 15 Musikern besetzt, aber kräftig mit Keyboard, Bassgitarre, Schlagzeug und Percussion aufgepeppt, erklang das Orchester unter der Leitung des polnischen Dirigenten Piotr Oleksiak ziemlich rockig und perfekt aufeinander abgestimmt. Zu den Höhepunkten gehörten die Szenen, bei denen sich das Arrangement einzelne Nummern großer Komponisten wie Giacomo Puccini, Charles Gounod Giuseppe Verdi oder Johann Strauss ausleiht, die dann geschickt mit den modernen Songs verwoben werden

Herzlicher Applaus

Die Zuschauer in der fast ausverkauften Halle dankten am Ende mit einem langen und herzlichen Applaus, so dass sich das Team mit einer kleinen Szene aus der Fledermaus von Johann Strauss und Debora Sasson mit der Habanera aus Georges Bizets Oper Carmen verabschiedeten.