Das Paketgeschäft explodiert auch in Kulmbach
Autor: Alexander Hartmann
Kulmbach, Donnerstag, 17. Dezember 2020
Der Online-Handel boomt und bringt die Zusteller ins Schwitzen. Auch Jörg Obermaier und seine Kollegen von der Post, die gerade in der Vorweihnachtszeit gefordert sind. "Gefühlt bekommt pro Tag jeder zweite Kulmbacher ein Paket", sagt der 44-Jährige.
Jörg Obermaier hievt im Morgengrauen ein Paket nach dem anderen in seinen gelben Multivan: nicht planlos, sondern nach System, denn bei den Zustelltouren müssen die Kartons stets griffbereit sein. "Sonst verliert man Zeit", betont der 44-Jährige. Zeit, die in der Vorweihnachtszeit 2020 äußerst knapp bemessen ist.
"Noch nicht erlebt"
Was sich im Corona-Jahr abspielt, hat Jörg Obermaier, der seit 27 Jahren Zusteller bei der Deutschen Post ist, noch nicht erlebt. Die Zahl der Online-Bestellungen ist in der Pandemie in Rekordhöhen geschossen, die Zahl der Paketmengen explodiert. Und das fordert Mitarbeiter von Hermes, TNT, DPD, UPS und eben auch der Deutschen Post DHL Group.
Startschuss mit dem Mausklick
Wer per Mausklick im Internet bestellt, schickt Jörg Obermaier und seine Kollegen auf Reisen. Bei der Post waren es deutschlandweit 2019 durchschnittlich 5,2 Millionen Pakete, die pro Tag ausgeliefert wurden. "2020 sind es 6,5 bis 7 Millionen", sagt Pressesprecher Erwin Nier, der von absoluten Spitzenzahlen in der Adventszeit spricht. An vielen Tagen würden elf Millionen Paketsendungen verarbeitet.
Im Landkreis sind es viele Tausend Pakete. Am Zustellstützpunkt in der Hofer Straße herrscht am frühen Morgen reger Betrieb. 55 Frauen und Männer beladen bei unserem Besuch ihre Fahrzeuge, um dann zu ihrer Tour ins Kulmbacher Land zu starten. "Die dauert dann oft, bis es finster ist", sagt Obermaier.
Wie die "Elfen"
160 Paketsendungen muss er an diesem Tag zustellen. "So viel hatte ich noch nie", erklärt der 44-Jährige, der sich und seine Kollegen manchmal wie "Elfen am Nordpol sieht, die Päckchen für den Weihnachtsmann zusammenstellen". Und die dafür Überstunden schieben. Zu den Paketen kommen nämlich noch viele Hundert Briefe und Werbesendungen.
40.000 Schritte
Obermaier spricht von einer sportlichen Herausforderung. 300 bis 500 Mal am Tag müssten die Zusteller, die mit Fahrzeugen unterwegs sind, ein- und aussteigen. Die körperliche Belastung sei enorm. "Was wir leisten, wird oft unterschätzt", meint der 44-Jährige. Eine Kollegin habe jüngst gemessen, dass sie an einem einzigen Tag 40 000 Schritte zurückgelegt habe.
"Ich bin noch jung, aber das ist schon anstrengend", pflichtet ihm Tanja Ermoneit bei. Die 36-Jährige weiß, dass die Tage bis Weihnachten "knackig" werden. Ermoneit ist im dritten Jahr bei der Post, war zunächst in Kronach eingesetzt. "Kulmbach ist anstrengender, denn Kulmbach ist paketlastig", sagt sie.
Was ihr Teamleiter bestätigt. "Gefühlt bekommt pro Tag zurzeit wirklich jeder zweite Kulmbacher einen Karton geliefert", sagt Obermaier, der sich an einige außergewöhnliche Begebenheiten im Corona-Jahr erinnert. So musste er schon mal sieben Möbelpakete in eine Wohnung im vierten Stock tragen, wo ihm die Empfängerin dann mitgeteilt habe, dass sie diese gerne retour schicken würden. Beim ersten Lockdown habe sich ein Kunde 25 Säcke Rindenmulch liefern lassen. "Da wundert man sich schon", so der 44-Jährige.
Kunden erleichtern Arbeit
Obermaier ist seit vielen Jahren im Zustellbezirk Weiher unterwegs und hat dort, wie er betont, einen guten Draht zur Kundschaft. Die habe ihm die Arbeit erleichtert, weil die allermeisten eine Ablage-Genehmigung erteilt hätten. "Ist jemand bei der Zustellung nicht zuhause, kann ich die Sendung dann am vereinbarten Ort ablegen. Das kann die Garage oder auch das Gartenhaus sein", sagt Obermaier, dem es so erspart bleibt, bei den Nachbarn zu klingeln oder das Paket wieder mitnehmen zu müssen.
Fingerspitzengefühl gefragt
In einer Zeit, in der Kunden online en masse bestellen, gebe es Leute, die mit der Schubkarre auf die Zustellung warten, berichtet der Teamleiter, der weiß, dass in vielen Haushalten wenige Tage vor Heiligabend die letzten Weihnachtsgeschenke eintreffen. Da werde auch ihm oftmals Fingerspitzengefühl abverlangt. Ein Beispiel gefällig? Vor wenigen Tagen habe er einen Kindertraktor ausgeliefert, der nicht verpackt war, berichtet Obermaier. Als er diesen aus dem Kofferraum holen wollte, habe die Mutter mit den Kindern im Garten gespielt. "Ich konnte ihn ja nicht einfach ausladen. Ich habe gehupt, bis die Frau verstanden hat, dass was nicht passt."
Die Kulmbacherin habe die Kinder erst ins Haus gebracht und dann den Traktor in Empfang genommen. Obermaier: "Hätte ich nicht mitgedacht, wäre die Bescherung ins Wasser gefallen."