Das Gute und die Gier

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Gedanken über den Zustand der Welt machte sich die "Berliner Compagnie" in ihrem Stück "Anders als du glaubst". Das Bild zeigt (von links) Selin Kavak, Jean-Theo Jost, Rondo Beat, Elke Schuster und H.G. Fries. Stephan Stöckel
Gedanken über den Zustand der Welt machte sich die "Berliner Compagnie" in ihrem Stück "Anders als du glaubst". Das Bild zeigt (von links) Selin Kavak, Jean-Theo Jost, Rondo Beat, Elke Schuster und H.G. Fries. Stephan Stöckel

Die "Berliner Compagnie" bot im Forum des Caspar-Vischer-Gymnasiums das eindringliche Stück "Anders, als du glaubst".

Auf der Bühne liegen fünf Menschen, die langsam zu sich kommen. "Richtig zerlegt hat's mich", bekennt eine Pfarrerin im Brustton der Überzeugung. Was ihr im richtigen Leben anscheinend nicht gelang, will sie im postmortalen Niemandsland zwischen Fegefeuer und Paradies vollführen - dem eingefleischten linken Atheisten eins auswischen. "Herr Kratz, jetzt merken auch Sie, dass danach noch was kommt." Der angesprochene bleibt auch in überirdischen Sphären seiner Überzeugung treu: "Das ist alles nur Blendwerk. Kulissen. Wahrscheinlich ein Trick des Klassenfeindes."

Doch es war ein Selbstmordattentäter, der eine fromme Muslima, eine gläubige Christin, einen gottesfürchtigen Juden, einen linker Atheisten und einen eingefleischten Skeptiker dorthin beförderte. Ein gespieltes Attentat, das am Donnerstagabend im Forum des Caspar-Vischer-Gymnasiums weder Entsetzen noch Fassungslosigkeit auslöste, sondern die Zuschauer mitnahm auf eine Reise, die ihnen viel Erhellendes über den Zustand der Menschheit im Jahre 2017 schenkte und sie zum Nachdenken anregte.


Über Religion und Toleranz

Die Ortsgruppe Kulmbach von Amnesty International (AI) und der Kulmbacher Freundeskreis der evangelischen Akademie Tutzing hatten die renommierte Theatergruppe "Berliner Compagnie" in die Bierstadt geholt. Schulleiterin Ulrike Endres, die zusammen mit Peter Hennings von AI und Peter Müller vom Landratsamt Kulmbach die 120 Besucher begrüßt hatte, erinnerte an die religiöse Toleranz, die Gotthold Ephraim Lessing in seinem Stück "Nathan der Weise" angesprochen hatte.
Wie sieht es heute damit aus? Eine Antwort darauf gab das Stück "Anders als du glaubst".

Entsprungen ist der nicht ganz leichte Stoff der regen Phantasie des renommierten Ensembles, das 2008 für sein "aufrüttelndes politisches Theater", so der Politikwissenschaftler Ekkehart Krippendorff, mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet worden war. Bei seinem Gastspiel in Kulmbach präsentierte die Gruppe (in Klammern die jeweiligen Rollen), bestehend aus Elke Schuster (Pfarrerin Kathi Hoffmann), Selin Kavak (Muslima Mariam Samet), Rondo Beat (Skeptiker Günther Schulz), Jean-Theo Jost (Atheist Gottfried Kratz), H. G. Fries (Jude Jehoschua Benda) Theaterkunst, die verstörend wirkt und sich einmischen will. Als Zuschauer fühlte man sich erinnert an das epische Theater von Bertolt Brecht, der in seinen Stücken gesellschaftliche Konflikte wie Krieg oder soziale Ungerechtigkeit beleuchtet.

Ein absonderliches Spiel nahm seinen Lauf auf einer schlicht eingerichteten Bühne, auf der als Kulisse lediglich fünf Sitzwürfel vorhanden waren. Es war die eindringliche Körpersprache der fünf Toten, die unter den Lebenden wandeln, der die Zuschauer in ihren Bann zog. Körper wogen hin und her, aus dem Munde drang ein Meeresrauschen und vor dem geistigen Auge der Theaterfreunde zogen die Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer vorüber.


Botschaft an das Publikum

Die fünf Idealisten machten sich auf den Weg, das Gute in ihren Religionen und Philosophien in den Krisenherden Afrikas und des Nahen Ostens zur Entfaltung zu bringen. Dabei kam es zum anregenden Diskurs über religiöse und weltanschauliche Fragen. Argument und Gegenargument gaben sich die Klinke in die Hand. Es wurde geflucht, gehofft, geweint. In jedem Land aufs Neue. Und am Ende scheiterten die Reisenden immer wieder mit ihrer Krisenintervention. Dabei wurde deutlich: Das Gute auf der Welt wird mit Machtinteressen, Eigennutz und Gier ungut verwoben.

Wie Parolen prasselten in einem Stimmengewirr Forderungen, die fast jeder unterschreiben konnte, auf das Publikum herab: "Schluss mit dem Waffenexport!" "Die Spekulation mit Nahrung, die sie unerschwinglich macht, gehört verboten!" Im Atheisten reifte die Erkenntnis "Was sind die Selbstmordattentäter gegen die finanziellen Massenvernichtungswaffen der Banken?" "Es reicht! Wir fordern eine gerechte Weltwirtschaftsordnung!", schallte es unisono von der Bühne herab, ehe sich Gott (Mia Albert) als kindliche Stimme aus dem Off an die Weitgereisten wendete, um sie trotz ihrer Misserfolge zu trösten: "Ihr habt Einiges gelernt. Und werdet weiterlernen!" Eine Botschaft, die sich auch an das Publikum richtete.