Druckartikel: Das böse Ende vom Märchenwald-Märchen

Das böse Ende vom Märchenwald-Märchen


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Montag, 05. April 2021

Wenn man den Forst vor lauter toter Bäume nicht mehr sieht, wird es Zeit umzudenken. Dann müssen neue Ideen her, um Besitzer und die Natur zu entlasten. Aber wie ?
Wo Trockenheit und Käfer zuschlagen, bleibt oft nur die Radikalkur.


Den Wald von morgen einfach "bauen": Geht das überhaupt? Es klingt jedenfalls fantastisch. Und das ist es auch, wenn man Experten zuhört: Fantasie. Die Wirklichkeit sieht anders aus, sagt Theo Kaiser, Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung Kulmbach/Stadtsteinach. "Umbauen ist sicher nötig, aber ein Patentrezept dafür kann es heute gar nicht geben, weil wir alle nur mutmaßen können, wie die Klimaverhältnisse in den kommenden Jahrzehnten aussehen. Wald ist immer ein Generationenprojekt, da muss man in 50-Jahr-Abständen denken. Und wir als diejenigen, die sich mit dem Wald der Zukunft befassen, bräuchten die berühmte Glaskugel."

Warum aber nicht, wie es Kanzlerin Angela Merkel immer als Leitlinie ihrer Politik bekundet, die Sache vom anderen Ende her denken? Sprich: den Wert des Waldes anders bemessen als bisher? "Das betonen wir schon lange", sagt Kaiser. Er macht aber auf eine entscheidende Divergenz aufmerksam: "Reden wir vom Wald als Ökosystem oder vom Wald, von dem sein Besitzer finanziell etwas hat?" Das Geld sei nur ein Stein im vielfältigen Puzzle.

Was die WBV ihren Klienten raten kann? "Es geht in erster Linie um Werterhalt und Zuwachs, das ist unter den jetzigen Bedingungen schwer genug, und nicht jeder will sich unter den unsicheren Prognosen die Arbeit in seinem Forst noch länger antun." Wichtigste Grundlage für Kaiser: Der Wald müsse Wald bleiben "und nicht zur Tundra werden". Das zu stemmen, übersteige bei vielen die Möglichkeiten. "Das muss man fairerweise sehen und darf den Leuten nicht auch noch einen Strick draus drehen." Es sei löblich, so Kaiser, dass sich die Politik mittlerweile auch um den Privatmann und seinen Bestand kümmere und Jungpflanzen staatlich bezuschusse. Das aber genüge nicht. "Die Arbeit wird nicht honoriert - und die ist nicht zu unterschätzen. Wer das mal gemacht hat, der wird das bestätigen." Ohne die Ideale des Besitzers, sein Fleckchen Erde zu bewahren, würden sich viele Parzellen in den kommenden Jahren verabschieden - aufgefressen vom Borkenkäfer und/oder vertrocknet im nächsten Rekordsommer. "Hier wäre ein echter Generationenvertrag wünschenswert." Heißt: Der Besitzer hat heute etwas davon und die Erben morgen und übermorgen auch noch.

Für ein Butterbrot

Traurige Realität sei aber: "Die jetzige Generation Waldbauern hat viele Bestände wegen des Käferbefalls runterraspeln müssen für ein Butterbrot, mit ganz schwachen Erlösen - und soll zusätzlich den Umbau bewerkstelligen, um den Wald klimafest zu machen? Das ist ein bisschen viel verlangt." Kaiser zufolge sei wegen dieser Unwucht vieles an Biomasse im Privatwald in den vergangenen Jahrzehnten gar nicht so genutzt worden, wie es in den Zeiten davor der Fall gewesen sei. "Wer regulär auf die Arbeit geht, dem ist nicht zuzumuten, dass er sich auch noch Vollzeit um seinen Bestand kümmert, selbst wenn es nur wenige Hektar sind. Der Wald wird quasi geparkt, denn er macht sonst nur Arbeit, die nicht vergütet wird. Das fällt uns jetzt auf die Füße, denn die Durchforstungen, die nötig gewesen wären, um die Zukunft zu sichern, die sind unterblieben."

Eigentlich müsste der Ansatz ein ganz anderer sein, bekundet Kaiser. Einer, der den Waldbesitzer motiviert und gleichzeitig hilft, den Bestand zu bewahren: "Der Waldbesitzer müsste ein Bewirtschaftungsgeld für seine Arbeit bekommen. Wahlweise kann er einen Dienstleister wie die WBV beauftragen, einen Waldpflegevertrag abzuschließen, dann werden ihm diese Aufgaben abgenommen." Schließlich gilt das eherne Prinzip des deutschen Grundgesetzes auch im Wald: Eigentum verpflichtet.

Was, wenn diese monetäre Entschädigung politisch nicht durchsetzbar ist? Nützte "einfach liegenlassen"? Theo Kaiser ist skeptisch. "Holznutzung in einem halbwegs gesunden Wald ist per se doch nicht schädlich, im Gegenteil: Wenn ich Holz, das ich nutzen könnte, stattdessen im Wald verrotten lasse, habe ich den berühmten Speichereffekt für Kohlendioxid ja gar nicht, weil der Baum beim Zersetzen das gebundene CO2 wieder abgibt. Mache ich stattdessen Bauholz daraus, bleibt dieser Effekt erhalten und das Kohlendioxid für weitere 50 oder noch mehr Jahre eingeschlossen. Das ist nachhaltig. Und selbst wenn der Stamm als Balken ausgedient hat, kann ich ihn immer noch häckseln und als Brennholz verwerten. Wir sprechen hier vom Kaskadeneffekt in der Nutzung."