Das Bauchgefühl aus dem Kopf
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Mittwoch, 03. Dezember 2014
Wie steuern Emotionen unser Verhalten? Warum denkt der Kopf, er lenkt - und in Wahrheit tut das häufig das Unterbewusstsein? Autor und Theologe Werner Tiki Küstenmacher hat neue Erkenntnisse und erklärte in der Kulmbacher Buchhandlung Rupprecht, warum Limbi unser Freund sein sollte.
Als innerer Schweinehund denunziert zu werden: Das hat Limbi nicht verdient. Findet jedenfalls Werner Tiki Küstenmacher. Der Theologe und Bestsellerautor mit dem Thor-Heyerdahl-Gedenk-Vornamen Tiki (vom Schilfboot "Kon Tiki" abgeleitet) schenkt am Dienstagabend in der Buchhandlung Rupprecht seinem Limbi mit ein paar schnellen Strichen ein Gesicht. Dabei ist Limbi eigentlich kein Jemand, sondern ein System. Das limbische System ist, was seine Entstehungszeit angeht, ein sehr alter Bestandteil im menschlichen Gehirn und Steuerzentrale für Emotionen sowie mitverantwortlich für das Triebverhalten.
Schutzpatron im Untergrund
Was nach Hirnphysiologie-Vorlesung klingt mit Ausflügen in die Neurobiologie, gerät bei Küstenmacher zum handfesten Brain-Storming der charmant-humorigen Art.
Küstenmacher will mit seinem neuen Buch "Limbi - Der Weg zum Glück führt durchs Gehirn" den Beweis antreten, dass wir uns mit dem limbischen System verbünden sollten, statt dagegen anzugehen. "Der Gefühlshaushalt entscheidet oft für uns, ohne dass wir es merken", sagt der Autor und schränkt gleich ein: Limbi hat zwar seine Finger überall im Spiel, aber er hat weiß Gott nicht immer Recht. Das Bauchgefühl, das im Kopf entsteht, muss des öfteren im Zaum gehalten werden.
Sich die Freiheit zu bewahren, sich von seinem Inneren nicht alles gefallen zu lassen: Das lässt sich lernen. Küstenmachers Buch ist eine Anleitung für jede Lebenslage. Das Problem mit Limbi ist: Er will zu unserem Schutz handeln, ist sozusagen immer (noch) evolutionstechnisch auf dem Sprung vor dem Säbelzahntiger - aber aus dieser Funktion heraus stellt er oft die negativen Gefahren-Einflüsse über alles Positive.
"Wir müssen an die Freude ran, an die momentanen Glücksmomente, die unser Limbi bereithält, auch wenn die oft versteckt sind hinter Wut und Furcht, Trauer und Ärger." Insofern verdichtet Küstenmacher seine Glücksformel auf ein eigentlich einfaches Prinzip: Limbi machen lassen, wenn es uns nützt; ihm aber rechtzeitig die Maske vom Gesicht reißen und ihn stilllegen, wenn er uns - seinen Wirt quasi - in die falsche Richtung dirigieren möchte.
Das funktioniert, so der Autor, in allen Lebenslagen: sei es beim Ordnung halten in der Küche oder beim sinnvollen Einkaufen, in der Liebe genauso wie beim Essen. Küstenmacher aber rät, nicht alles auf einmal anzugehen. "Unser Neocortex, das ist der wahre Multitasker." Deswegen zeichnet der Karikaturist den Tausendsassa auch als Artisten, der in der Kopf-Manege viele Teller gleichzeitig auf den Stangen balanciert. "Limbi kann das nicht. Er sagt uns, wir sollten mit dem Herzen bei einer Aufgabe bleiben - und das muss nicht die mit der vermeintlich höchsten Priorität sein."
Doping für Herz und Hirn
Was bleibt von fast zwei Stunden mit Limbi und Werner Tiki Küstenmacher? Die Erkenntnis, dass des Menschen Unterbewusstsein kein undomestizierbarer Quälgeist ist, sondern ein Teamplayer mit durchaus guten Absichten. Und dass Erkenntnisse aus Psychologie und Hirnforschung, wenn sie entspannt und spannend präsentiert werden wie vom 61-Jährigen, auch dem wissenschaftlichen Laien zu Aha-Erlebnissen verhelfen. Allein dadurch stellt sich beim Zuhörer der eine odere andere Glücksmoment ein. Das ist bestes Doping für Herz und Hirn.