Danke, lieber Staat!
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Freitag, 17. Juli 2015
Zunächst einmal klingt das Vorhaben gut: Qualität verbessern für Menschen, die in Pflegeheimen leben. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber beim Pflege- und Wohnqualitätsgesetz schießt der Gesetzgeber mit deutscher Gründlichkeit übers Ziel hinaus.
Muss es wirklich sein, in Einrichtungen der Altenpflege jedes noch so kleine Detail der baulichen Ausstattung zu reglementieren? Die Vorschriften vermehren sich wie von Geisterhand. Viel Arbeit für die Betreiber und die Heimaufsicht, denn die muss die Einhaltung aller Regeln kontrollieren.
Das PfleWoqG an sich ist nicht das Problem. Der Teufel steckt wie immer im Detail, in diesem Fall in der Ausführungsverordnung zum Gesetz. Sie fordert die Einhaltung der Din-Norm 18040-2, die Barrierefreiheit gewährleisten soll.
Barrierefreiheit ist natürlich etwas Gutes, aber am grünen Tisch im Ministerium scheint doch manch realitätsferne Idee zu entstehen. Und was für einen Rollstuhlfahrer gut ist, behindert den, der - mit oder ohne Rollator - aufrecht gehen kann. Beispiel Türgriffe: Für den Rollstuhlfahrer sind 85 Zentimeter über dem Boden bequem, für den Rollator-Nutzer ist höher besser.
Wertvoll sind die neuen Standards für Einrichtungen, in denen Menschen leben, die sich im Alltag weitgehend selbstständig bewegen können. Doch in den Altenpflegeheimen sieht die Realität anders aus. Nur etwa zehn bis 20 Prozent der Bewohner sind rüstig - Tendenz: sinkend. Die meisten können nicht aus eigener Kraft von A nach B gelangen, viele sind dauerhaft bettlägerig.
Da darf man schon mal ein Fragezeichen setzen, ob das aufwendige Umbauen aller Zimmer und Gemeinschaftsflächen sinnvoll und damit angemessen ist. Könnte es nicht genügen, in bestehenden Gebäuden einen gewissen Anteil barrierefreier Räume vorzuhalten?
Schließlich kostet die Umsetzung der Auflagen viel Geld, und das bezahlt nicht der Gesetzgeber, sondern der Bewohner. 100 bis 200 Euro wird ein Pflegeplatz wohl künftig monatlich mehr kosten, schätzen die Träger. Reichen Rente und Vermögen nicht, werden die Angehörigen zur Kasse gebeten.
Das Gesetz wird dadurch vor allem eines: ein Pflegeverteuerungsgesetz! Da ist es doch mal Zeit für ein Lob an die erfindungsreichen Erneuerer im Ministerium, im Sinne des bekannten Songtextes von Farin Urlaub: "Lieber Staat, ... du lenkst mein Leben jeden Tag und bist furchtbar fürsorglich. Ach, was wär ich ohne dich? Danke, dass Du mich regierst!"