Damoklesschwert Abschiebung: Die Uhr läuft gegen sie
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Donnerstag, 23. März 2017
Das Damoklesschwert Abschiebung hängt über drei jungen Afghanen, die an der FOS unterrichtet werden. Der Unesco-Club setzt sich für ihr Bleiberecht ein.
"Sie sind gute Schüler, sie sind motiviert, haben sich angestrengt - und dann das!" Hartmuth Schuberth deutet auf ein Schreiben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Drei Afghanen, die er in der Vorklasse an der Fachoberschule in Sozialkunde unterrichtet, haben die Nachricht erhalten, dass ihr Asylantrag abgelehnt ist. Und weil ihre Heimat als sicheres Herkunftsland eingestuft ist, müssen Muham mad Amiri, Ehsan Sakhizada und Mohammad Zai Sharifi mit ihrer Abschiebung rechnen - in ein Land, aus dem sie vor Krieg und Verfolgung geflohen waren.
Die "Rückführung"
Der "Rückführung", wie es im Amtsdeutsch heißt, wollen Schuberth und sein Kollege Wolfgang Schoberth (er gibt an der FOS die Fächer Deutsch und Politische Bildung) nicht tatenlos zusehen. Schoberth schüttelt den Kopf angesichts der politischen Entscheidung. "Da legst du als Pädagoge dein Herzblut rein, um diesen Menschen auf ihrem Weg zu helfen - dann heißt es knallhart: Adieu, das war's. Dabei könnten wir als Gesellschaft von solchen engagierten Jugendlichen profitieren."
Hoffen auf Statusänderung
Hartmut Schuberth hat sich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Unesco-Clubs Kulmbach an diverse Stellen gewandt, um das drohende Schicksal der Afghanen abzuwenden. Unter anderem war er jüngst bei SPD-Landtagsvizepräsidentin Inge Aures in München. "Unsere Hoffnung liegt darin, dass ihr Parteikollege Sigmar Gabriel in seiner Eigenschaft als Außenminister am Status Afghanistans als sicheres Herkunftsland rüttelt. Wenn dem so wäre, dann kämen unsere Schüler wenigstens in den Status der Duldung. Damit hätten sie die Bleibeperspektive und die Sicherheit, die sie brauchen, um in Ruhe ihre Schule und Ausbildung bei uns abschließen zu können."
"Toller Fürsprecher"
Als "tollen Fürsprecher für unser Anliegen" nennt Schuberth Klaus Peter Söllner. Der Landrat ist selber Mitglied im Unesco-Club und sagt: "Ich bedauere, aber als Kreisverwaltung haben wir das nicht mehr in der Hand, auf solche Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Wir haben ja nicht einmal mehr die Akten zu den jeweiligen Personen vorliegen. Das läuft alles über die Zentrale Ausländerbehörde. Aber ich gebe zu bedenken: Auch die Beamten dort führen nur geltendes Recht aus."
Votum des Bundestags
Es war ein Votum des Bundestages, wonach Afghanistan nicht mehr jenen Krisenstatus einnimmt, der Abschiebungen kategorisch ausschließt. "Ich verstehe das Bemühen von Hartmuth Schuberth und schätze es sehr", sagt Söllner. "Gerade wenn wir sehen, welcher Facharbeitermangel uns bevorsteht, müsste uns jeder junge Mensch, der Handwerker oder Ingenieur werden will, willkommen sein. Einige der Schüler an der FOS sind auf einem guten Weg, da wäre es schade, wenn auch sie in eine unsichere Zukunft abgeschoben würden."
Einzellfall stärker prüfen
Söllner plädiert für eine verstärkte Betrachtung des Einzelfalls durch die ZAB. Das wäre gerechter und würde auch berücksichtigen, ob sich jemand während des Aufenthalts bei uns eine gute Perspektive verdiente, indem er sich Sprachkenntnisse angeeignet und viel zur eigenen Integration in die Gesellschaft beigetragen hat. "Ich habe persönlich mehrfach die Angelegenheit an übergeordneter Stelle vorgetragen. Ich stieß dabei auf viel Verständnis - und doch ist die geltende Rechtslage momentan eben so, wie sie ist."
"Nach Afghanistan wollen wir nicht zurück"
40 Tage alleine auf der Flucht, über den Iran und die Türkei bis nach Kulmbach - über mehr als 6000 Kilometer zurückgelegt: Ehsan Sakhizada (19) und Mohammed Zaki Sharifi (18) haben 2015 diese Strecke aus Afghanistan bewältigt, sind vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat nach Deutschland geflüchtet. Beide besuchen die Integrationsvorklasse der Adalbert-Raps-Fachoberschule in der Lichtenfelser Straße.
"Flucht war schrecklich"
"Die Flucht war schrecklich", berichtet der 19-jährige Ehsan Sakhizada, der seine Familie in Afghanistan zurücklassen musste. "Hunderte von Leuten quetschten sich in ein kleines Boot. Es war sehr gefährlich." Mehrere 100 Kilometer mussten die jungen Afghanen aber auch laufen. Manchmal hatten sie Glück und durften in einem fremden Auto mitfahren oder mit dem Zug reisen.
Abschiebung trotz Integration
"Ich möchte eines Tages Zahnarzt werden", erzählt Ehsan stolz. Er hat gute bis sehr gute Noten, im Fach Deutsch steht er auf eins. "Ich freue mich jeden Tag darauf, in die Schule zu gehen", sagt er. Schon von klein auf wollte er Zahnarzt werden. Um seinen Traumberuf näher zu kommen, machte er bereits ein freiwilliges Praktikum in einer Zahnarztpraxis. Mitschüler Mohammed hat sich für die Osterferien auch bereits freiwillige Praktika gesucht. In der ersten Woche fängt er in der Firma Schwender Energie und Gebädetechnik in Thurnau an. Danach möchte er in einer Schreinerei Betriebserfahrungen sammeln.
Die Angst im Nacken
Was den beiden immer im Nacken sitzt: die Angst. "Ich will nicht zurück nach Afghanistan. Es ist kein sicheres Land", erzählt Ehsan und fügt hinzu: "Hier in Deutschland will ich bleiben. Ich möchte weiter hier zur Schule gehen können und neue Sachen lernen." Der Unterricht an der Fachoberschule macht ihm Spaß. "In Deutschland kann ich ohne Krieg und Tod leben. Hier lebe ich in Frieden und in Schutz", berichtet der junge Flüchtling. Auch Mohammed ist dankbar. "Jeden Morgen stehe ich auf und bin in Sicherheit. Hier habe ich Rechte." Eine glückliche Zukunft kann er sich nur in Deutschland vorstellen.