Druckartikel: Da verging dem Angeklagten das Grinsen

Da verging dem Angeklagten das Grinsen


Autor: Karl Heinz Weber

Kulmbach, Freitag, 30. November 2012

Schon als Stammgast nahm gestern ein 25-Jähriger auf der Anklagebank im Amtsgericht Kulmbach Platz. Dort saß er schon öfters und fühlte sich neben seinem Anwalt Andreas Piel sichtlich wohl - bis zur Urteilsverkündung.


Der junge Mann, der getrost als "amtsbekannt" bezeichnet werden darf, musste sich wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung verantworten. Am 22. Oktober 2011 war es in der späten Nacht in einem Haus in einer angesehenen Kulmbacher Wohngegend zu einem heftigen Streit gekommen.
Worum es dabei ging, war nicht allen Beteiligten vollkommen klar. Auf jeden Fall hatten die jungen Leute ohne Wissen der Hausbesitzerin das Gebäude betreten und sich im Zimmer eines Sohnes aufgehalten. Der Angeklagte, der ein Stiefbruder des Zimmerbewohners ist, kam mit zwei anderen Freunden als Letzter ins Zimmer. Da der Streit nicht geschlichtet werden konnte, sollten einige Gäste gehen, aber nicht alle waren sich einig, wer nun verschwinden soll und wer bleiben darf.

Einige Zeugen bestätigten, dass der Beschuldigte der 19-jährigen Geschädigten, die auf einem Sofa saß, versucht haben soll, mit dem Fuß ins Gesicht zu treten. Dann soll er sie an ihrem Mantel hoch gezogen und dabei am Hals verletzt haben. Schließlich soll der Satz gefallen sein: "Ich schlitze der Hure die Kehle auf."
Ins Rollen kam die Sache juristisch erst viel später, als das Auto der Mutter des Opfers beschädigt wurde. Im Gespräch mit dem Polizeibeamten kamen auch die Ereignisse jener Nacht ins Gespräch. Der Beamte musste nun tätig werden, obwohl es die 19-Jährige eigentlich gar nicht wollte.
Insgesamt wurden acht Zeugen vernommen. Um sich ein klares Bild von der Örtlichkeit zu machen, ließ sich Amtsrichterin Sieglinde Tettmann eine Skizze des Zimmers anfertigen. Staatsanwalt Florian Losert musste mehrmals nachfragen, denn nicht nur ihm war nicht ganz klar, wer nun mit wem und warum in Beziehung stand. Freund, Freundin, Bekannter, Ex-Freund, flüchtige Bekanntschaft, Stiefbruder, Hausbesitzer, dies musste erst einmal richtig eingeordnet werden.
Die Beweisaufnahme war eine zähe Angelegenheit und zog sich über drei Stunden hin. Einige Zeugen nahmen die Sache nicht allzu ernst, und mussten von der Richterin eindeutig darauf hingewiesen werden, dass Standartantworten wie "da kann ich nicht erinnern" oder "das weiß ich nicht mehr" nicht akzeptiert werden. Zwei Aussagen waren eindeutig, der Tritt fand statt, der Griff führte zu Atemnot, die Bedrohung wurde ausgesprochen. Die Verlesung der Vorstrafen war für den Angeklagten scheinbar eine lustige Angelegenheit. Mit breitem Grinsen quittierte er die Aufzählung seiner elf Vorstrafen. Die erneuten Straftaten wurden innerhalb einer Bewährungsfrist begangen.
Die Beweisaufnahme genügte dem Gericht, ein Urteil zu fällen. Die Staatsanwaltschaft hatte neun Monate ohne Bewährung gefordert. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch, da kein Straftatbestand erfüllt worden sei. Vielmehr hätte sein Mandant in Notwehr gehandelt, da das Opfer einen Hausfriedensbruch begangen hätte. Eine gewagte Rechtsauslegung.
Die gute Laune des Beschuldigten verflog schnell, als das Urteil verkündet wurde. Sieben Monate ohne Bewährung und dazu die Kosten des Verfahrens. Vermutlich wird der gleiche Mann bald wieder auf dem gleichen Stuhl Platz nehmen, denn das nächste Verfahren kündigt sich schon an.