Corona kontra Nachhaltigkeit

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Wenn Möbel zu gut für den Sperrmüll sind - wohin dann damit?
Wenn Möbel zu gut für den Sperrmüll sind - wohin dann damit?
Symbolfoto: BR-Archiv/Adobe Stock

Second-Hand-Läden sind derzeit zu. Ein Markt für gebrauchte Möbel fehlt in Kulmbach sogar ganz. Vieles, was noch gut ist, wandert deshalb auf den Müll.

Als Simone Bauer (Name von der Redaktion geändert) nicht mehr weiter weiß, fragt sie im Internet um Rat: "Wo kann ich Möbel und Hausrat abgeben?" postet sie in einer Kulmbacher Facebook-Gruppe. Sie bekommt viele Antworten, geht vielen Anregungen nach. Und stellt immer wieder enttäuscht fest: "Die nehmen nichts."

Ein Problem für Menschen wie Simone Bauer. Sie wohnt viele Kilometer von Kulmbach weg, hat nur wenig Zeit, um die Wohnung ihrer Mutter aufzulösen. Möbel und Hausrat seien gut erhalten, sagt sie. "Fast wie neu."

Raus aus dem Schmuddel-Image

So neu jedenfalls, dass jemand anders sicher gute Verwendung dafür hätte. Längst haben Gebrauchtwaren ihr Schmuddel-Image verloren. Im Gegenteil: Wer im Second-Hand-Laden einkauft, demonstriert damit, dass es ihm ernst ist mit dem Bemühen um Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt deshalb brummt allerorten der Handel mit gebrauchten Waren. Online-Plattformen wie ebay oder rebuy verzeichnen steigende Nutzerzahlen. Das Publikum ist oft jung, finanziell durchaus solvent - und umweltbewusst.

Üblicherweise gibt es auch in Kulmbach durchaus Möglichkeiten, gut Erhaltenes einer neuen Verwendung zuzuführen. Aber die Corona-Pandemie hat diesen Markt - wie vieles andere auch - schon vor Monaten lahmgelegt. "Wir nehmen nichts mehr an. Unser Lager ist voll", sagt zum Beispiel Pia Schmidt, die für den Ladentreff in der Goethestraße verantwortlich zeichnet. Geschirr, Gläser, Besteck, Dekomaterial für Weihnachten oder Ostern - für ganz kleines Geld gibt es hier beste Qualität. Aber pandemiebedingt ist seit langem geschlossen.

Ähnlich geht es Swenia Koch. Die junge Kulmbacherin hat im letzten Jahr zusammen mit ihrem Freund in Mangersreuth einen Second-Hand-Laden eröffnet - und musste kurz nach der Eröffnung schon wieder schließen. "Echt juter Laden" nennt sich das Projekt. Verkauft werden soll Kleidung aus zweiter Hand im Vintage-Stil - so denn ein Verkauf wieder einmal möglich ist.

Die Liste der Anlaufstellen für Gebrauchtwaren ließe sich fortschreiben - bis hin zu den großen Flohmärkten, die in Kulmbach schon Tradition haben und ebenfalls ein geschätzter Umschlagplatz für Hausrat, Kleidung oder Bücher sind. Aber sowohl der Lions-Club als auch der Freundeskreis der Werkstatt für Menschen mit Behinderung mussten Ende 2020 ihre Flohmärkte absagen.

Die Hoffnung ist da, dass nach dem Ende der Pandemie wieder alles seinen gewohnten Gang gehen kann.

Wann es in Kulmbach allerdings wieder eine Möglichkeit gibt, gebrauchte Möbel einer neuen Verwendung zuzuführen, bleibt wohl auch dann offen. Die Integra, ein gemeinnütziges Projekt, gibt es längst nicht mehr. Die Integra war zunächst im Gebäude des ehemaligen Güterbahnhofs, später dann in einer Halle in der Gummistraße untergebracht. Wer Schrankwand, Sofagarnitur oder Omas Küchenbuffet loswerden wollte, konnte sich dort melden. Mitarbeiter der Integra begutachteten die Möbel. Was brauchbar und wiederverkaufbar schien, wurde abtransportiert und in der Verkaufshalle wieder aufgebaut. Kunden der Integra waren nicht nur Leute mit schmalem Geldbeutel. Wer eine Studentenbude ausstatten, zu Hause ein Gästezimmer einrichten oder das zu klein gewordene Kinderbett gegen ein neues eintauschen wollte, schaute sich auch bei der Integra um.

Im September 2007 wurde die Integra geschlossen. Seither gab es viele Absichtsbekundungen, ein ähnliches Projekt auf die Beine zu stellen. Realisiert wurde es bislang nicht.

Der Bedarf wäre da. Davon ist Detlef Zenk von der Abfallberatung im Landratsamt überzeugt. Seiner Ansicht nach sollte ein solches Projekt zur Wiederverwertung Teil eines modernen, ökologisch orientierten Abfallwirtschaftskonzeptes sein.

Ausweichen nach Bayreuth oder Kronach

Hin und wieder erreichen das Landratsamt entsprechende Anfragen. "Wir verweisen dann auf die Gebrauchtwarenmärkte in Kronach und Bayreuth, die auch im Landkreis Kulmbach abholen", so Zenk. Allerdings haben auch diese Märkte eine unfreiwillige Corona-Pause eingelegt.

Dass es Bedarf für einen derartigen Markt gibt, weiß man auch beim Kreisverband des Roten Kreuzes und beim Diakonieverbund Kulmbach-Thurnau. Die beiden Verbände haben schon vor geraumer Zeit ein Konzept entwickelt - dessen Umsetzung bislang freilich vor allem deshalb gescheitert ist, weil sich keine geeigneten Räume gefunden haben. "Das ist nach wie vor der Engpass", sagt BRK-Kreisgeschäftsführer Jürgen Dippold. Die Räume sollten idealerweise barrierefrei und auch mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein. Sie sollten ausreichend Verkaufsfläche und zudem Platz für ein Lager und eine kleine Werkstatt bieten.

Dippold zufolge habe es vor kurzem bereits einen ziemlich konkreten Vorstoß gegeben, ein Gebäude im Industriegebiet entsprechend zu nutzen. Letztlich scheint da wohl das Geld ausschlaggebend gewesen zu sein: Ein anderer Bewerber kam zum Zug und übernahm die Immobilie. Aktuell verhandelt das BRK Dippold zufolge wieder - Ausgang offen.

Sollten BRK und Diakonie tatsächlich darangehen, eine Integra-Nachfolge zu etablieren, werde der Landkreis Kulmbach das natürlich als Partner unterstützen. "Von unserer Seite gibt es hierzu eine unverändert eindeutige und einheitliche Aussage, die eigentlich auch von anderer Seite nicht konträr ausfallen kann", sagt Detlef Zenk. Aber auch: "Erst wenn die Frage der Immobilie geklärt und in ein Konzept eingebunden ist, kann man über die - auch finanzielle - Umsetzung reden und entscheiden."

Die Stadt Kulmbach werde so ein Projekt ebenfalls unterstützen, heißt es aus dem Rathaus.

Wäre es prinzipiell auch denkbar, dass der Landkreis so ein Projekt in eigener Regie auf die Beine stellt, um sein Umwelt-Engagement auszuweiten? Damit könnte man ja das Engagement für mehr Nachhaltigkeit ausweiten. Detlef Zenk bejaht die Frage, räumt aber ein, dass die Umsetzung für eine Kommune wohl schwieriger sei als für eine gemeinnützige Organisation.

Resigniert

Viel guter Wille auf allen Seiten also - aber noch lange nicht das berühmte Licht am Ende des Tunnels. Die Corona-Pandemie tut ihr Übriges. Gut, wer Keller oder Garage hat, um Second-Hand-Waren erst einmal dort zwischenzulagern - bis bessere Zeiten kommen.

Für Simone Bauer war das keine Option: Ihre Mutter hatte in einer Mietwohnung gelebt, die fristgerecht geräumt werden musste. Simone Bauer hat dann, irgendwann, resigniert. Sie hat einen professionellen Entrümpler beauftragt. Der wird vielleicht das eine oder andere Stück verkaufen können. Der Rest landet vermutlich im Container. Nachhaltigkeit sieht anders aus.