Corona-Impfung: Was unterscheidet die Impfstoffe und wie gefährlich sind sie wirklich?
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Freitag, 19. Februar 2021
Auch im Landkreis Kulmbach stehen jetzt zwei Impfstoffe gegen das Corona-Virus zur Verfügung. Vor allem über einen wird viel diskutiert. Fakten, die man kennen sollte.
Die Zahl der Menschen, die gegen das Corona-Virus geimpft sind, steigt. Wie das Fernsehmagazin ZDFheute ermittelt hat (Stand Donnerstag) wurden deutschlandweit bereits 1,64 Millionen Menschen komplett geimpft. Das entspricht einer Impfquote von knapp 2 Prozent. Wie ist die Situation im Landkreis Kulmbach? Was ist dran an Nachrichten, dass der neue Impfstoff Astrazeneca deutlich schwerere Nebenwirkungen als das bisher verimpfte Präparat von Biontech hervorrufen und weniger wirkungsvoll sein soll? Wir haben uns erkundigt: Beim Landratsamt Kulmbach und bei Brigitta Wöhrl, Professorin am Lehrstuhl für Biochemie IV - Biopolymere an der Universität Bayreuth.
Der Landkreis verfügt nun auch über den zweiten Impfstoff Astrazeneca. Wie viele Dosen wurden davon schon verimpft?
Gibt es Rückmeldungen über Nebenwirkungen?
Es gab vereinzelt Rückmeldungen über leichte Nebenwirkungen wie beispielsweise Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber oder Schüttelfrost, heißt es aus dem Landratsamt. Diese Beschwerden hielten meist ein bis zwei Tage an. Einen schweren Verlauf von Nebenwirkungen hat es im Landkreis Kulmbach bisher bei keinem Impfstoff gegeben.
Viele Menschen haben Bedenken hinsichtlich Astrazeneca und möchten sich damit nicht impfen lassen. Muss das Team im Impfzentrum viel Überzeugungsarbeit leisten?
Entscheidend für die Akzeptanz ist eine ausführliche und persönliche Aufklärung durch das Ärzteteam. Eine strikte Ablehnung haben die Mitarbeiter bisher nur in wenigen Ausnahmefällen erfahren. "Grundsätzlich gilt aufgrund der geltenden Rechtslage: Wer einen Impfstoff ablehnt, bekommt zum vereinbarten Impftermin keinen alternativen Impfstoff angeboten. Zudem muss ein neuer Termin eigenständig vereinbart werden", heißt es aus dem Landratsamt.
Was unterscheidet eigentlich die beiden Impfstoffe voneinander? Das haben wir uns von der Bayreuther Wissenschaftlerin erklären lassen.
Wichtig ist in beiden Fällen das sogenannte Spike-Eiweiß, das sich auf der Oberfläche des kugeligen Corona-Virus befindet. Das ist gewissermaßen die Visitenkarte des Virus. Hier setzen beide Impfstoffe an: Das Immunsystem soll Informationen erhalten, die es ihm ermöglichen, das Spike-Eiweiß auf dem Corona-Virus zu erkennen und zu bekämpfen.
Der Impfstoff von Biontech gehört zu den sogenannten mRNA-Impfstoffen, wobei das "m" für "messenger", also für "Nachrichtenbote" steht. Die Nachricht ist in diesem Fall die genetische Information für die Produktion des Spike-Eiweisses. Sie wird in kleine Fett-Tröpfchen, sogenannte Lipidnanopartikel, verpackt. Auf diesem Weg kann die Information in die Zelle gebracht werden.
Astrazeneca wird den sogenannten Vektor-Impfstoffen zugeordnet. Hier wird ein für den Menschen ungefährliches Schnupfenvirus verwendet, das gewissermaßen als Transportmittel fungiert, um das Gen für das Spikeprotein in die Zelle zu bringen. Das Schnupfenvirus in Astrazeneca kann sich nicht mehr vermehren, stellt also für den Menschen keine Gefahr dar.
In beiden Fällen wird das Spike-Eiweiß vom Immunsystem als fremd erkannt und die Immunabwehr wird aktiviert.
Weil beide Impfstoffe keine vollständigen Coronaviren enthalten, kann man durch die Impfung auch nicht an Corona erkranken.
Es gibt Meldungen, wonach Astrazeneca mehr oder schwerere Nebenwirkungen hervorruft als Biontech. Ist das tatsächlich so?
Professorin Wöhrl möchte in diesem Zusammenhang nicht von "Nebenwirkungen" sprechen, sondern eher von "Impfreaktionen". Die könnten bei jeder Impfung auftreten. Am häufigsten komme es zu Schmerzen oder Schwellungen an der Einstichstelle, Muskelschmerzen und Müdigkeit. Auch Fieber und Schüttelfrost seien möglich. "Diese Impfreaktionen zeigen natürlich auch, dass das Immunsystem reagiert und Abwehrstoffe bildet", so die Wissenschaftlerin.
Es gibt Berichte aus anderen Bundesländern, dass sich Mitarbeiter einer Klinik, des Rettungsdienstes und der Feuerwehr nach der Impfung krank gemeldet haben.
Astrazeneca gibt an, dass etwa zehn Prozent der Geimpften starke Reaktionen haben. In den genannten Fällen waren es 20 bis 25 Prozent. Die Gründe hierfür seien noch nicht bekannt, so Birgitta Wöhrl. "Ich vermute, dass es an der Impfstoff-Charge liegen kann. Es könnte aber auch an den Impflingen liegen. Jüngere Personen reagieren meist heftiger auf einen Impfstoff als ältere, da das Immunsystem von älteren Personen schwächer ist. Wahrscheinlich, aber dafür habe ich natürlich keine Daten, sind bei Feuerwehr und beim Klinikpersonal eher jüngere Leute, während in den Impfstudien auch ältere Personen einbezogen wurden. Das würde die Anzahl an starken Impfreaktionen senken." Insgesamt seien aber keine neuen, nicht von den Herstellern beschriebene Impf-Reaktion beobachtet worden. Das wurde auch gestern vom Paul-Ehrlich-Institut bestätigt (deutsches Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel - red.)
Viel diskutiert wird über die Wirksamkeit der beiden Impfstoffe. Astraceneca wirke nur zu 70 Prozent, heißt es.
Nach derzeitigem Kenntnisstand bieten die Impfstoffe von Biontech und Moderna eine hohe Wirksamkeit von 95 Prozent beziehungsweise 94 Prozent. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken, war bei den gegen Covid-19 geimpften Personen um 95 Prozent beziehungsweise 93 Prozent geringer als bei den nicht geimpften Personen. Der Impfstoff von Astrazeneca hat eine Wirksamkeit von 70 Prozent gegen eine Covid-19-Erkrankung, erläutert die Wissenschaftlerin. "Das bedeutet aber nicht, dass die Impfung mit dem Biontech-Impfstoff bei 95 von 100 Geimpften wirksam ist, und bei 5 Personen nicht, sondern es geht um die relative Risikoreduktion."
Was bedeutet "relative Risikoreduktion"?
Angenommen man hätte eine Wirksamkeit von 50 Prozent. In der Placebogruppe der Ungeimpften infizieren sich 20 von 100 Personen mit Corona, in der Gruppe der Geimpften nur 10, dann hätte man eine Wirksamkeit von 50 Prozent.
Kann man verlässliche Aussagen über mögliche Langzeitfolgen der beiden Impfstoffe machen?
Langzeitnebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, sind bei Impfstoffen nicht bekannt. Komplikationen treten meist sofort, innerhalb weniger Stunden, auf oder nach ein paar Tagen, längstens nach ein paar Wochen. Eigentlich sind damit sehr seltene Nebenwirkungen gemeint, die man erst erkennen kann, wenn sehr viele Menschen geimpft wurden, also mehr als in den klinischen Studien.
Astrazeneca soll vor allem bei Menschen verimpft werden, die jünger als 65 sind. Das empfiehlt die ständige Impfkommission. Ist der Impfstoff für ältere Menschen womöglich gefährlich?
Das verneint die Wissenschaftlerin. Der Impfstoff sei nicht gefährlich für die Altersgruppe der über 65-Jährigen und es sei auch nicht so, dass er bei älteren Menschen nicht wirkt. "Aber es wurden in den Zulassungsstudien nur wenige TeilnehmerInnen eingeschlossen, die älter als 65 Jahre waren. Das heißt, es liegen für diese Altersgruppe noch keine ausreichenden Daten vor, um eine gesicherte Aussage über die Wirksamkeit zu machen."
Schließlich haben wir der Bayreuther Wissenschaftlerin noch eine ganz persönliche Frage gestellt: Würde sie selbst sich denn auch mit dem Impfstoff Astrazeneca impfen lassen?
Die Antwort von Brigitta Wöhrl ist knapp und eindeutig: "Ja, weil ich den Impfstoff für sicher halte. Und ich würde auch in Kauf nehmen ein oder zwei Tage Fieber und Schmerzen zu haben, wenn ich dadurch vermeiden kann schwer an Covid-19 zu erkranken und vielleicht beatmet werden zu müssen."