Druckartikel: Christus befreit zur Freiheit

Christus befreit zur Freiheit


Autor: Werner Reißaus

Kulmbach, Freitag, 02. November 2018

"Zur Freiheit hat uns Christus befreit!" Das waren das Thema und zugleich die Botschaft des Dekanatsgottesdienstes in der Kulmbacher Petrikirche war Freiheit.
Der Bezirksposaunenchor setzte mit dem Musikstück "Highland Cathedral" einen fulminanten Schlusspunkt. Foto: Werner Reißaus


"Zur Freiheit hat uns Christus befreit!" Das waren das Thema und zugleich die Botschaft des Dekanatsgottesdienstes zum Reformationsfest am Mittwochabend in der Petrikirche. Die Predigt hielt der Pädagogische Leiter und Geschäftsführer vom evangelischen Bildungswerk Bayreuth/Bad Berneck/Pegnitz e.V., Jürgen Wolff.

"Highland Cathedral"

Für die musikalische Umrahmung des Festgottesdienstes sorgten neben Kirchenmusikdirektor Ingo Hahn, die Kulmbacher Kantorei und der Bezirksposaunenchor unter der Leitung von Hermann Weiß und Andreas Dietz. Gänsehautfeeling kam am Schluss auf, als der Bezirksposaunenchor das Musikstück "Highland Cathedral" spielte, eine beliebte Dudelsackmelodie, die dieses Mal mit der kleinen Trommel von Michaela Winterstein gespielt wurde und an der großen Trommel sprang kurzerhand Wolfgang Armbrecht ein, der die Petrikirche förmlich zum "Beben" brachte.

Dekan Thomas Kretschmar zog gemeinsam mit Jürgen Wolff und weiteren Pfarrern des Dekanates Kulmbach feierlich mit Musik in die Petrikirche ein und hieß die Besucher des Reformationsgottesdienstes in der gut besuchten Petrikirche herzlich willkommen. Mit der Vorstellung des Predigers machte Dekan Thomas Kretschmar deutlich, dass Bildung auch eine wichtige Aufgabe der Kirche ist. Dabei wird Wolff schon in wenigen Tagen dem neuen Bildungswerk Oberfranken-Mitte vorstehen, dem künftig auch neben den Dekanaten Bayreuth, Bad Berneck und Pegnitz die Dekanate Kulmbach und Thurnau angehören werden.

Wolff berichtete zunächst von einer 39-jährige Frau aus Uganda, die seit 14 Jahren in Bayreuth lebt: "Ich sah sie häufig bei den Internationalen Gottesdiensten in der Bayreuther Stadtkirche, aber auch werktags, wenn sie fast täglich durch die Richard-Wagner-Straße vorbei am evangelischen Gemeindehaus in die Stadtbibliothek ging, um für ihr Fernstudium zu lernen. Am 29. August wurde sie nach einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth in Abschiebehaft genommen." Dort antwortete sie in der vergangenen Woche auf die Frage nach ihrem größten Wunsch, dass sie in Freiheit ein normales Leben führen kann wie alle Bayreuther.

Selbstverständliche Normalität

Wolff: "Die Freiheit, liebe Gemeinde, ist für all die Menschen, die sie noch nicht oder nicht mehr erleben dürfen, ein äußerst wertvolles Gut. Das können all diejenigen Menschen bezeugen, die in Unfreiheit leben: Menschen, die in einem demokratischen Rechtsstaat in Haft leben müssen. Menschen, die politisch unfrei sind unter den Diktaturen dieser Welt, denen wesentliche grundlegende Freiheitsrechte vorenthalten werden. Menschen, die unfrei sind, weil sie unter Hunger, wirtschaftlicher Not und Elend leiden und ihre Freiheiten, sofern überhaupt vorhanden, schlichtweg nicht nutzen können."

Wolff verwies darauf, dass die Freiheit für Menschen, denen sie stets ungefährdet und uneingeschränkt zur Verfügung steht, zur selbstverständlichen Normalität wird. Damit unterliegt sie der Gefahr, ihren eigentlich hohen Wert still und leise zu verlieren. Ähnliches kenne man von der Gesundheit. Nur der, dem sie fehlt, kann ihren Wert ermessen. Für andere ist sie selbstverständlicher Normalzustand und wer will heute einen Ruf der Freiheit überhaupt noch hören: "Wir sind doch freie Bürger eines demokratischen Landes, das die Grundrechte achtet. Dafür haben Menschen ihr Leben gelassen. Ich denke hier an Hans Scholl. Sein letzter Satz, protokolliert unmittelbar vor seiner Hinrichtung, war: "Es lebe die Freiheit!"

Wolff verwies in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, die mit den Worten beginnt: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren". Der Diplom-Pädagoge weiter: "Wenn wir also schon frei sind, wenn uns Freiheit sogar politisch und rechtlich garantiert wird, sofern wir uns an die geltenden Gesetze halten, warum sollen wir uns dann am Reformationstag 2018 noch mit Freiheit beschäftigen. Oder sollten wir doch noch ein "Joch der Knechtschaft kennen?"

Freiheit ist nicht nur ein Thema der Moderne, sondern nach Ansicht von Wolff auch ein Motiv, das sich fast durch die ganze Bibel zieht - und zwar als äußere, politische Freiheit, aber auch als innere Freiheit. Es gibt aber auch scheinbare Freiheiten: "Freiheiten, die wir kaufen, die wir konsumieren können. Freiheit als Ware. Die Freiheiten der modernen Kommunikationstechnologien. Wir erhoffen uns die Freiheit weltweiter Kommunikation in Sekundenschnelle - und werden zur Sklaven von Facebook und Google, die uns klammheimlich ausspähen und unsere Wünschen und Vorlieben besser kennen als unsere engsten Freunde."

"Joch des 21. Jahrhunderts"

Das Smartphone kann klammheimlich zu einem Joch des 21. Jahrhunderts werden und wer von den Menschen unter 60 Jahren kann es sich noch leisten, ohne Smartphone unterwegs zu sein? Nicht nur beruflich, auch am Abend, am Wochenende und im Urlaub? Statt der erhofften Freiheit wird eine neue, moderne Form der Knechtschaft in Form einer Allzeitpräsenz und einer Dauerüberwachung erlebbar.

Für Wolff steht fest, dass Freiheit und Befreiung in allen Zeiten neu definiert werden muss. Bereits der Apostel Paulus stellte klar, dass die Freiheit, die in Jesus Christus geschenkt wurde, nicht erfordert, sich an die traditionellen jüdischen Vorschriften und Gesetze zu halten. Wolff: "Starke Worte, damals für die Gemeinde in Galatien und auch für uns heute. Liebe Gemeinde, wir alle wünschen uns Freiheit. In einer aktuellen repräsentativen Wertestudie der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen liegt der Wert Freiheit mit 90 Prozent auf Rang eins, vor Freunde, Familie, Natur oder Heimat. Abgesehen von autoritären Diktatoren, die Freiheit für ihr Volk fürchten müssen, gibt es wohl niemanden, der keine Freiheit will. Im Umkehrschluss: Niemand will unfrei oder geknechtet sein. Wir alle streben nach Freiheit: politisch, gesellschaftlich, natürlich auch höchst individuell wollen wir möglichst alle Zwänge, die uns daran hindern, unsere Persönlichkeit zu entfalten, hinter uns lassen. Das ist gut so. Wir brauchen in unserem Staat und in unsere Kirche freie, mündige Menschen, die mittels ihres Verstandes in der Lage sind, Strukturen von Unrecht oder Unterdrückung zu durchschauen, die nicht mit dem Strom schwimmen, die nicht ihre Fahne nach dem gerade vorherrschenden Wind ausrichten."

Liebe als Norm

"Zur Freiheit hat uns Christus befreit" - und aus dieser Freiheit erwächst ein Glaube, der durch die Liebe tätig ist. Die christliche Liebe als menschliche Antwort auf die Liebe Gottes wird zur zentralen Norm jeder evangelischen Bildungsarbeit, jeder diakonischen Arbeit und eines Lebens aus dem Evangelium. Wolff: "Diese Liebe kann gar nicht anders als konkret werden in unserer Arbeit und in unserem Leben. Sie führt zur Freiheit, uns zu engagieren für andere, ob dies anderen in Gesellschaft und Staat gefällt oder nicht. Wir sind Fürsprecher, Anwälte des Lebens und der Menschen. Aller Menschen, ungeachtet von Herkunft und Konfession.

Tätige Liebe

Die tätige Liebe führt uns in die Mitte der Gesellschaft. Die tätige Liebe führt uns an die Ränder der Gesellschaft, zu den Menschen, die abgehängt werden, die drohen, verloren zu gehen und vergessen zu werden. Die tätige Liebe ist keine blinde Liebe. Sie muss auch die Kraft haben zur Kritik, zum Ruf nach Kurskorrektur, zum Ruf nach Umkehr. Zur tätigen Liebe gehört auch die Kritik, wenn Politik Gesellschaft und Staat ihre humanen Wurzeln vergessen, wenn Menschenrechte gefährdet sind, wenn Unfreiheit droht."