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CDU/CSU, FDP und Grüne: Ist Jamaika realistisch?


Autor: Andreas Schmitt

Kulmbach, Montag, 25. Sept. 2017

Deutschland diskutiert über "Jamaika". Am Tag nach der Wahl lautet eine der zentralen Fragen: Ist eine Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen vorstellbar?
Die schwarze Union, die Grünen und die gelbe FDP: Werden sie die neue Bundesregierung stellen?


"Ein Teil der Menschen will eine Kurskorrektur." So wie der stellvertretende Landrat Jörg Kunstmann klingen am Montag viele CSU-Politiker. Der Tenor: Wir haben verstanden, das konservative Profil wird wieder geschärft. Oder wie es Kunstmann sagt: "Wir müssen mit klaren Aussagen arbeiten und diese auch umsetzen."

Der CSU-Landesgeschäftsführer denkt dabei auch an Digitalisierung und Klimawandel. Zentrale Politikfelder, in denen die CSU Wiedergutmachung betreiben will, bleiben aber Migration und Innere Sicherheit. Gerade dabei aber stellt sich die Frage: Wie passt ein schärferes konservatives Profil in eine Jamaika-Koalition?


Zusammenarbeit möglich

"Es wird nicht einfach", sagt Henry Schramm, Kulmbachs Oberbürgermeister und CSU-Kreisvorsitzender. "Jede Partei muss auf die anderen zugehen." Ausschließen will Schramm eine Zusammenarbeit nicht. "Der Wähler hat gewählt, jetzt müssen wir das Beste daraus machen." Im Lokalen habe man in einigen Punkten gut mit FDP und Grünen gearbeitet. "Es gibt überall vernünftige Leute."

Ähnlich argumentiert Abgeordnete Emmi Zeulner, die am Sonntag gegen den Negativtrend der CSU ihr Bundestagsmandat im Wahlkreis Kulmbach mit 55,4 Prozent, dem bayernweit besten Erststimmen-Ergebnis, verteidigte. "In Baden-Württemberg gibt es mit Winfried Kretschmann einen grünen Ministerpräsidenten, der in der CSU sein könnte. Und bei der Gesundheit habe ich mit Elisabeth Scharfenberg gut zusammengearbeitet."

Eine Koalition könne es aber nur durch Fortschritte bei der Inneren Sicherheit geben. "Bislang haben sich die Grünen hier nicht bewegt. Man wird sehen, welche Strömung sich in der Partei durchsetzt."
Die CSU hingegen habe in der Flüchtlingskrise Position bezogen. "Es muss eine klare Begrenzung der Zuwanderung geben. Und wir müssen wissen, wer im Land ist", sagt die Lichtenfelserin. Gerade in der Frage der sicheren Herkunftsländer seien es zuletzt die Grünen gewesen, die blockiert hätten.

Aussagen, die zeigen, dass komplexe Verhandlungen bevorstehen. Mit den Grünen - und mit der FDP. Zeulner, die Fragen nach einer persönlich wichtigeren Rolle abwehrt ("Personaldebatten sind jetzt wirklich nicht das, um das sich die CSU kümmern sollte"), betont: "Über die Mütterrente werden wir heftig diskutieren. "


FDP mit wichtiger Rolle

Den Liberalen könnte direkt nach dem Wiedereinzug in den Bundestag gleich eine wichtige Rolle zukommen. Sie wären in Jamaika die zweitgrößte Regierungspartei und könnten in der Migrationspolitik ausgleichender Faktor sein. Wobei auch sie gegen eine Obergrenze sind. "Ich habe noch nie gehört, was das für eine Obergrenze sein soll", betont Michael Otte. Der 48-Jährige aus Krumme Fohre bei Kasendorf ist FDP-Kreisvorsitzender. "Zu einer Obergrenze für Zuwanderer sagen wir ja. Wir wollen ein Einwanderungsgesetz. Eine Obergrenze für Asylsuchende halte ich für schwierig."

Und auch in Richtung der Grünen findet er kritische Töne. Mit den Realos sei sicher Politik zu machen. Aber mit den Fundis, der zweiten Strömung der Partei, die sich schon durch ihren Namen als unrealistisch zu erkennen gebe, werde es nicht einfach. "Wir dürfen keine faulen Kompromisse eingehen. Das wäre politischer Selbstmord."

Ähnlich argumentiert Thomas Nagel, oberfränkischer FDP-Bezirksvorsitzender. "Jamaika ist nicht gewollt, aber wir wollen auch nichts ausschließen." Er hält eine Einigung für möglich. "Es geht um die besten Ideen, wir müssen Schranken im Kopf abbauen." Die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein könne Vorbild sein. Rote Linien sieht Nagel beim Soli ("Den nicht abzuschaffen, ist nicht zu vermitteln") oder Digitalisierung und Bildung ("Hier müssen wir mehr tun").

Und was sagen die Grünen? "Die Unterschiede sind groß, es ist keine Liebe. Aber wir müssen es versuchen", sagt Kreis-Sprecherin Dagmar Keis-Lechner. Vor allem zwischen ihrer Partei und der CSU gebe es Unterschiede. "Im Falle einer Koalition wird vieles, was mitgetragen wird, den Stammwählern beider Seiten in der Seele weh tun."


Union soll sich bewegen

Auch die Union müsse sich bewegen. "Bisher waren bei der CSU ja immer die Migranten schuld." Für die Grünen würde eine rote Linie überschritten, wenn schutzsuchenden Menschen nicht mehr höflich gegenüber getreten werde. "Es ist ein Unding, an einer Obergrenze von 200 000 Menschen festzuhalten." Vielmehr müssten Fluchtursachen bekämpft werden. "Wenn wir als westliche Welt auf Kosten anderer leben, dann müssen wir auch die Verantwortung übernehmen." Die Grünen seien dafür, Migranten aufzunehmen, bis die Verhältnisse in den Herkunftsstaaten besser seien. Generell plädiert Keis-Lechner aber für Verhandlungen. "Neuwahlen machen das Ergebnis nicht liberaler."

Was aber, wenn es keine Einigung gibt? Gerhard Schneider (CSU), Himmelkrons Bürgermeister, antwortet: "Wenn die Schnittmengen zu klein sind, müsste die CSU in die Opposition gehen." Auch für ihn ist die Migration der Knackpunkt. Zwar müsste man Menschen in Not helfen, aber nicht alle bräuchten eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Doch für Schneider ist das nicht die einzige rote Linie. "Ein Diesel-Fahrverbot können die Grünen nicht ernst meinen." Bis zur Koalition müsse noch viel passieren. Schneider plädiert dafür, die CSU-Mitglieder über den Vertrag abstimmen zu lassen.