Bürger wollen nicht zehn Jahre warten
Autor: Dagmar Besand
Stadtsteinach, Donnerstag, 06. April 2017
Bei einem Diskussionsabend unserer Zeitung in Stadtsteinach standen alle bisherigen Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssituation auf dem Prüfstand.
Der Saal ist voll, denn das Thema des Abends ist spannend und wird sehr emotional diskutiert: Wie lässt sich die schwierige und gefährliche Verkehrssituation in Stadtsteinach verbessern? Die Bayerische Rundschau hat am Mittwoch ins Schützenhaus eingeladen, um alle denkbaren Möglichkeiten zu beleuchten und herauszufinden, welche machbar sind und tatsächlich eine Entlastung bringen könnten. Diese wünschen sich vor allem die Anwohner, die unter der starken Zunahme des Lkw-Verkehrs leiden, und alle Fußgänger, die extrem gefährlich leben, wenn sie entlang der Ortsdurchfahrt unterwegs sind.
Echte Alternative gibt es nicht
Im Gespräch mit Politikern und Bürgern geht BR-Redaktionsleiter Alexander Müller als Moderator des Abends dem Problem auf den Grund und der Frage, warum es so schwierig ist, eine befriedigende und schnelle Lösung zu finden.
Die Diskussion dreht sich nicht darum, ob Stadtsteinach die geplante Ortsumgehung braucht oder nicht. Die Mehrheit der Stadträte und der Stadtsteinacher ist überzeugt davon, dass nur auf diesem Weg die aktuellen Probleme aus der Welt geschafft werden können.
Über Alternativen muss man sich trotzdem Gedanken machen, denn der Leidensdruck ist groß, und bis das erste Fahrzeug über die neue Straße rollen kann, werden wohl noch zehn Jahre ins Land gehen. "Zu lang", sagt Stadtrat Wolfgang Hoderlein (SPD) und spricht damit vielen aus dem Herzen. "Wir können nicht nichts tun und auf die Umgehung warten. Wir müssen im Altbestand etwas verbessern. Die Fußgänger sind die Verlierer im Verkehrsgeschehen. Das darf nicht sein."
Zu den Leidtragenden gehört Diana Kraus, die mit ihrer Familie an der Hauptstraße wohnt und Szenen aus ihrem Alltag schildert. Die Mutter eines eineinhalbjährigen Kindes spricht von lebensgefährlichen Situationen, wenn sie mit dem Kinderwagen auf den schmalen Gehwegen unterwegs ist. "Lastwagen im Begegnungsverkehr weichen auf die Gehwege aus, Zentimeter neben den Fußgängern."
Die meisten Mütter hätten Angst, ihre Kinder zu Fuß loszuschicken. "Obwohl der Weg zur Schule nicht weit ist, fahren die meisten ihre Kinder mit dem Auto hin."
Die Anwohner haben noch ein weiteres Problem: die Belastung durch Dreck, Lärm und Erschütterungen: "Wenn die Laster vorbeifahren spüren wir in unserem Haus extrem starke Vibrationen. Morgens und nachts ist es besonders schlimm."
Ein Umzug kommt für Diana Kraus und ihre Familie nicht in Frage: "Das ist das Elternhaus meines Mannes. Das wollen wir nicht aufgeben. Außerdem: Wo ist Stadtsteinachs Zukunft, wenn alle Familien mit Kindern wegziehen?" Spontaner Applaus im Saal für die Rednerin.
Was lässt sich umsetzen?
Welche Möglichkeiten gibt es, die Situation zu entschärfen? Im Gespräch sind ein Lkw-Durchfahrtsverbot, eine Lkw-Umleitung für eine Fahrtrichtung durch die Knollenstraße, Tempo-30-Zonen, Ampellösungen, Gehwege auf nur einer Straßenseite, dafür breiter, Begrenzungspfosten an besonders gefährlichen Engstellen, Querungshilfen für Fußgänger, streng kontrollierte Halteverbote und Warnschilder am Ortseingang, die auf die beengten Verhältnisse aufmerksam machen.
Viele Ideen - doch sind sie auch praktikabel? Im Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner (CSU), Bürgermeister Roland Wolfrum (SPD) und vielen weiteren Gästen analysierte Alexander Müller das Für und Wider der einzelnen Vorschläge. Jeder hat Nachteile. Das ist keine Überraschung, denn nur weil die Situation so ist, wie sie ist, bleibt als großer Wurf nur die Umgehung. Andererseits zeigt die Debatte deutlich: Wenn man nichts probiert, ändert sich auch nichts. Der Leidensdruck bleibt.
Und was sagt die Jugend? Jonas Gleich vom Jugendparlament der Stadt hat sich bei seinen Altersgenossen umgehört und festgestellt: "Die Jugendlichen haben das Thema nicht auf dem Schirm, es sei denn, sie sind direkt betroffen." Ihr Kommentar zum Thema: "Macht's doch einfach!"
Wenn die Schmerzen schlimmer werden...
Seit Jahrzehnten wird über eine Umgehung für Stadtsteinach diskutiert. Warum hat man das Projekt erst in den letzten Jahren vorangetrieben? "Bis in die 1970er Jahre war die Situation nicht so schlimm. Es gab weniger Lastwagen, und die waren nicht so groß wie heute", sagt Bürgermeister Roland Wolfrum. Doch nach der Grenzöffnung hat sich das geändert: "Mit den Jahren wurde es schmerzhaft, und wenn's richtig weh tut, kommt wieder Zug in ein solches Thema."Er selbst sei anfangs auch nicht wirklich überzeugt davon gewesen, "dass die Umgehung das einzige Mittel ist, das hilft", erzählt er. "Heute ist für mich klar: Es gibt keine Alternative, weil wir an den räumlichen Verhältnissen nichts ändern können. Wir werden nur kleine Verbesserungen erzielten, setzen aber alles daran, diese auch zu erreichen."
Bereits auf den Weg gebracht ist die Fußgängerzählung seitens des Straßenbauamts im Bereich der Metzgerei Schüssler. Bestätigt sie den Bedarf, soll eine Querungshilfe dafür sorgen, dass Kinder und andere Passanten zumindest dort sicher über die Straße kommen. Auch das Aufstellen von Warnschildern hält Wolfrum für eine sinnvolle Idee.
Lösungsvorschlag: Transitverkehr raus
"Pro Stadtsteinach" beteiligt sich seit Beginn der Diskussion über die Verkehrsprobleme intensiv im Ortskern intensiv mit eigenen Vorschlägen an der Debatte. Einer, der versucht, alternative Lösungen zu erarbeiten, ist Jürgen Machulla.Die Sorgen der Familie Kraus und aller anderen Anwohner entlang der Bundesstraße versteht er gut. Deshalb sei es wichtig, schon vor dem Bau der Umgehung eine Entlastung zu erzielen. Machulla sieht im Lkw-Transitverkehr das Hauptproblem: "Der Transitverkehr zwischen Tschechien und dem Raum Coburg, hat bei uns nichts zu suchen. Der könnte alternativ auch über die A70 und die A73 fahren." Er plädiert deshalb für ein Lkw-Durchfahrtsverbot. Es sei jedoch sehr fraglich, ob eine solche Sperrung vor Gericht bestehen könne, wenn dagegen geklagt wird, gibt MdB Emmi Zeulner zu bedenken.
Einige Anwesende hielten wohl wenig von Machullas Vorschlag und taten dies durch Zwischenrufe kund. Moderator Alexander Müller mahnte zur Fairness und lud die streitbaren Gäste ein, sich konstruktiv an der Diskussion zu beteiligen. Dazu hatten diese offensichtlich keine Lust, nahmen sich die Ermahnung aber zu Herzen.