Bürger unter Strom: Trassengegner konfrontieren Minister Altmaier mit Gegenargumenten
Autor: Jochen Nützel
Redwitz, Freitag, 16. November 2018
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier stand in Redwitz auch Bürgern aus Neuensorg Rede und Antwort.
In den Reihen der Demonstranten und Vertreter diverser Bürgerinitiativen aus Bayreuth, Regensburg und Redwitz steht Peter Pittroff nicht. Sein Gesundheitszustand, sagt er, lässt das nicht zu. Während die Gegner des Ostbayernrings" draußen im Sonnenschein auf Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warten, hat der Neuensorger auf einer Bierbank drinnen im Redwitzer Feuerwehrhaus Platz genommen. Der Geruch von Bratwürsten vermengt sich mit dem Aroma von Löschschaum. Pittroff sortiert seine Gedanken und die Papiere, auf denen er niedergeschrieben hat, was er dem hohen Besuch aus Berlin in wenigen Minuten zu sagen haben wird.
Draußen heben Sprechchöre an. "Hopp Hopp Hopp - Monstertrassen Stop!" und "Unser Land braucht Energie in Bürgerhand" wird skandiert. Der Minister rollt an. Transparente werden in die Höhe gereckt, ein Stakkato aus Trillerpfeifen legt sich über den Platz. Altmaier soll gleich hören, was ihn erwartet. Es dürfte sich nicht groß unterscheiden von der Geräuschkulisse aus Coburg. Von dort kommt der gebürtige Saarländer gerade, das Anliegen der Bürger ist dasselbe: keine weiteren Stromleitungen durch die Region. Das eint über Landkreisgrenzen hinweg, und zwar nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Kommunalpolitik.
Anreise im Doppeldeckerbus
Zwei Limousinen fahren als Vorhut in den Innenhof der Floriansjünger, gefolgt von einem schwarzen Doppelstockbus. 200 Augenpaare verfolgen das Geschehen. Man könnte meinen, eine Rockgruppe kurvt mit ihrem Bandvehikel heran. Peter Altmaier hat diverse Mitglieder seines Ministeriums an Bord, dazu kommen Vertreter der Bundesnetzagentur. Mit ihnen ist er seit gestern unterwegs - eine Tour mit Auftritten in Thüringen und Bayern.
Emmi Zeulner, die CSU-Bundestagsabgeordnete für Kulmbach und Lichtenfels, nimmt ihren Gast in Empfang, führt ihn zu den wartenden Bürgern. "Emmi hat mich seit Monaten immer wieder angesprochen, mehrmals die Woche, und Wert darauf gelegt, dass ich komme", sagt Altmaier. Wer sie kennt, der wisse um ihre Hartnäckigkeit. Er lächelt, sie lächelt. Altmaier betont, dass diese Termine "nicht immer vergnügungssteuerpflichtig" seien. Doch es stehe für ihn außer Frage, sich an "allen neuralgischen Punkten des Netzausbaus selber ein Bild zu machen". Man hätte diese Tour fünf Jahre früher antreten müssen. "Aber da war ich als Minister noch nicht zuständig."
Um Peter Pittroff wuseln derweil Dutzende Menschen herum. Pressevertreter, Politiker und Demonstranten strömen ins Feuerwehrhaus. Gleich geht es um ihn, seine Gesundheit und die seiner Familie. Vorher stellt Bürgermeister Christian Mrosek fest: "Diese Halle war das letzte Mal bei der Einweihung 1992 so voll wie heute." Damals war der Anlass wohl ein erfreulicherer.
Bayerns neuer Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagt, in Sachen Netzausbau bedürfe es eines Plans B. "Wir kommen auch beim Ostbayernring nicht mehr vorwärts, wir können es nicht mehr gegen die Bürger und die Politik vor Ort durchsetzen. Jetzt gilt es, die Energiewende neu aufzusetzen und zu sagen: Was brauchen wir wirklich? Was lässt sich vor Ort erzeugen, was mit intelligenten Steuerungen lösen - auch ohne Leitungen." Applaus.
Im Zangengriff der Leitungen
Auf einer Leinwand erscheint der Schriftzug Neuensorg. Eine Luftaufnahme zeigt Wald, einen Streifen Landstraße, einen Weiler. Peter Pittroff schiebt die Schultern zurück. Da ist sein Haus. Ein Strommast ragt aus einem der Felder des Landwirts; hier verläuft die bestehende Verbindung. Doch die noch größere Sorge bereitet dem Neuensorger, was nicht real auf dem Bild zu sehen, aber mittels roter Linie angedeutet ist: die geplante Trasse des Ostbayernrings, ein sogenannter Ersatzneubau. Eine Familie buchstäblich im Zangengriff von Elektrizität.