Brauereimuseum zeigt, was früher alles ins Bier durfte
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Freitag, 22. April 2016
Was war vor der ältesten Lebensmittelverordnung der Welt? Im Brauereimuseum im Mönchshof gibt es Antworten darauf.
Schon gewusst? Als die Bayern dem Bier auf den Tag genau vor 500 Jahren ihr Reinheitsgebot gaben, hatten die Juden dem alkoholischen Getränk schon längst den Segen gegeben. Bereits vor 5000 Jahren lernten die Israeliten in Ägypten das Bier schätzen. Ja sogar so sehr, dass es im Talmud für rituelle Speisen gestattet wurde - denn es galt als koscher.
In unseren Breitengraden tut das wenig zur Sache - das Datum aber ist evident: 500 Jahre Reinheitsgebot. Da machen die Brauereien zum heutigen Gedenktag natürlich ein Fass auf und rühren dementsprechend den Werbebottich. Im Zentrum der Maßgabe vom 23. April 1516, die eingegliedert ist in die neue bayerische Landesordnung, stehen vier schlichte Zutaten: Wasser, Gerste und Hopfen sowie Hefe zum Gären.
Sigrid Daum, Geschäftsleitung des Bayerisches Brauerei- und Bäckereimuseums Kulmbach, zeichnet ein Bild von der Geschichte des Bierbrauens vor jener Zeit der Beschränkung auf
Giftiges im Gerstensaft
Zugegeben: Es war vieles erlaubt vor dem Gebot. Wie es im "Neuw Kreuterbuch" von 1588 steht, mischten die Germanen allen Ernstes Wacholderbeeren, Rosmarin, Anis und Ingwer in den Sud, wahlweise Fenchel, Kümmel/Kreuzkümmel, Koriander, Salbei und Lorbeer in ihr Getränk, aber auch Wildpflanzen wie Gagel, Schlehe, Wermut, Schafgarbe, Engelwurz, Bärwurz, Rainfarn, gelber Günsel und Johanniskraut, ja sogar Fichtenspäne und Kiefernwurzeln.
Selbst Giftpflanzen wie Seidelbast, Stechapfel oder Bilsenkraut wurden als Bierwürze verwendet, weiß die Expertin. Solche Zusätze galten jedoch als gesundheitsschädigende Verfälschung des Bieres, die bestraft wurden."Insofern diente das Reinheitsgebot natürlich zum Schutz der Verbraucher vor Verwendung minderwertiger, bisweilen sogar giftiger, zumindest aber gesundheitlich bedenklicher Zutaten, um dem Bier zu Farbe, Geschmack oder auch berauschender Wirkung zu verhelfen, ohne die teuren Zutaten Malz und Hopfen einsetzen zu müssen. Zum anderen ist die Beschränkung auf Gerste eine Maßnahme gewesen, hochwertigeres Getreide wie den Weizen für die Herstellung von Brot zu sichern."
Kurioser Weise war Bayern damals noch gar nicht Biernation, sondern Weinland. Die Biere, die zur Geburtsstunde des Reinheitsgebots gebraut wurden, wiesen oft weniger Alkohol auf als die Vollbiere der Moderne, nämlich maximal zwischen zwei und drei Prozent.
Ein Aspekt, bei dem Sigrid Daum auf den Punkt "Genuss" zu sprechen kommt. "Es hat sich rund um das Biertrinken eine Genusskultur entwickelt, die mir gefällt. Es geht nicht darum, viel zu trinken, sondern was G'scheit's und Gut's." Doch auch das Gute bedarf von Zeit zu Zeit einer Anpassung an den Zeitgeist und den Geschmack einer Zeit. Sidgrid Daum: "Durch viele Gespräche mit den Museumsbesuchern spüren wir, dass der Konsument immer mehr das Besondere sucht."
Viele Biere - eine Grundrezeptur
Die bayerischen Brauereien antworteten darauf mit einer Vielfalt an Spezialitäten.
"Wenn ich allein daran denke, dass die Kulmbacher Brauerei insgesamt rund 30 verschiedene Biere im Sortiment hat - alle gebraut nach dem Bayerischen Reinheitsgebot mit Malz, Hopfen, Hefe und Wasser gebraut - fin de ich das erstaunlich."Ein Ansatz: unterschiedliche Hopfensorten. "Während die klassischen Hopfensorten dem Bier seinen typischen bitteren Geschmack verleihen, steigt momentan das Interesse an komplexeren Aromaprofilen. Eigens hierfür entwickelte und gezüchtete Aromahopfen werden dazu verwendet, den Geschmack und Bouquet noch facettenreicher zu machen." Einige Beispiele für Aromahopfen seien Cascade, Smaragd, Opal oder Saphir. "Das ist eine hochfeine Aromasorte mit einem sehr guten Allgemein-Aroma. Die Aromabeschreibung ist blumig, citrusartig, fruchtig, wenig süßlich, aber würzig. Der Gesamteindruck ist harmonisch, anhaltend voll und mild. Andere Hopfensorten wecken etwa Erinnerungen an Mandarine, Honigmelone oder Stachelbeere, nach Nelke oder Banane."
Einer, der das Zusammenspiel der Rohstoffe kennt, ist Braumeister Robert Boser. In der "Gläsernen Brauerei" des Museums im Mönchshof demonstriert er den Besuchern das Zusammenspiel der Rohstoffe beim Brauen. Angesichts von 500 Jahren Reinheitsgebots sagt er: "Die deutsche Braukunst zeichnet die Vielfalt an Bieren aus, die trotz der ,nur' vier natürlichen Rohstoffe riesig ist. Genau deswegen genießt sie zurecht weltweit höchste Anerkennung."