Braucht Kulmbach so eine Architektur?
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Dienstag, 16. Juli 2019
Mälzerei Müller: Für das Neubauprojekt eines Investors aus Rosenheim soll Kulmbacher Geschichte plattgemacht werden. Es geht auch anders, wie Experten aus ganz Bayern meinen.
Viel mehr Identität geht in Kulmbach nicht: Brauerei, Mälzerei und Backsteinarchitektur der Gründerzeit. Denn als Bierstadt hat sich Kulmbach in Deutschland einen Namen gemacht. Und die Kulmbacher sind stolz auf die Brautradition.
Den Grundstein dafür legten vor über 100 Jahren Brauereien und Mälzereien. Wie die Petzbräu, die um 1880 vor den Toren der Stadt einen Neubau - heute Pestalozzistraße 3 - hinstellte. Als die Familie von Kommerzienrat Müller 1923 die Brauerei aufgab, sattelte man um und stieg ins Mälzereigeschäft ein. Bis Anfang der neunziger Jahre wurden Braumalze hergestellt.
Entscheidung am Donnerstag
Jetzt sollen die leerstehenden Backsteingebäude der ehemaligen Mälzerei abgebrochen werden. Über den Antrag des Investors Drösel, Rosenheim, entscheidet der Stadtrat am Donnerstag. Es ist das größte private Bauvorhaben in Kulmbach seit Jahrzehnten: 120 Wohneinheiten für Studenten und 37 Seniorenwohnungen plus Garage im Erdgeschoss.
Der Entwurf zeigt ein massiges Gebäude - rechteckig, praktisch, groß. Was halten Fachleute von dem Projekt? Braucht Kulmbach so eine Architektur?
"Riesige vertane Chance"
Den Abbruch der Backsteingebäude bezeichnet Karlheinz Beer, Vizepräsident der Bayerischen Architektenkammer, als "riesige vertane Chance". Freilich sei es für den Stadtrat bequemer, den Investor machen zu lassen. Die Kommunalpolitik habe aber die Aufgabe, vorauszudenken und die Identität Kulmbachs zu erhalten. Beer, selbst Stadtratsmitglied in Weiden, weiß, dass ein Stadtratsgremium Gestaltungsmöglichkeiten hat, "etwas Einzigartiges für Kulmbach zu erhalten". Und dafür auch Fördergelder zu akquirieren, die es dem Investor ermöglichen, ein rentables Projekt zu realisieren.
Kulmbach müsse sich bewusst sein, dass Städte miteinander konkurrieren. Beer: "Dazu braucht man Attraktivität und hohe Lebensqualität. Die Leute - auch Studenten - suchen keine austauschbare Architektur, sondern Städte mit Charakter und Identität."
Er empfiehlt, "Tempo rauszunehmen" und betont: "So etwas reißt man nicht weg. Hier ist Stadtgeschichte geschrieben worden." Ein Architektenwettbewerb könne helfen, eine intelligente Lösung zu finden. "Heute wird viel über Heimat geredet - hier kann man zeigen, dass man es ernst meint", betont der Architekt und Stadtplaner.