Braucht jetzt jeder ein Abitur?
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Freitag, 14. Juni 2013
Es war vom Start weg ein Desaster: Das G 8 hat bei seiner Einführung praktisch jeden überfordert, der damit zu tun hatte. Heute, zehn Jahre später, hat sich der schulische Alltag zwar eingependelt, aber die Liste der Kritikpunkte ist nach wie vor lang.
Lehrer, Schüler und Eltern klagen über ein zu hohes Lernpensum, das in zu kurzer Zeit durchgepeitscht werden muss. Die Freien Wähler streben deshalb nun ein Volksbegehren an, um die Reform erneut zu reformieren. Ob sich durch die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 die Probleme lösen lassen, ist aber fraglich. In der Theorie ist die Idee gut, doch wie so oft wird eine geglückte Umsetzung letztlich am Geld scheitern. Es werden keine Millionen Euro für die Anstellung etlicher Lehrer fließen, damit kleinere Klassen in allen Fachrichtungen gebildet werden können (die Schüler werden ja nicht mehr). Ebenso wenig werden die Bagger rollen, um neue Räume zu bauen, in denen die kleineren Klassen untergebracht werden.
Weil das so ist, würde die Wahlfreiheit in Kulmbach künftig so aussehen: Das Kind besucht das G 8 am MGFG oder das G 9 am CVG (oder umgekehrt) und kann unter den dort angebotenen
Gerechtigkeit soll das Volksbegehren herstellen, weil in städtischen Bereichen Übertrittsquoten ans Gymnasium von 70 Prozent erreicht werden, in ländlichen nur 25 Prozent. So steht es im Konzept. Das Ziel heißt also: Möglichst viele Kinder aufs Gymnasium schicken - und danach auf die Uni. Nur das Beste ist gut genug. Wer braucht schon Handwerker? Das kaputte Dach seines Hauses richtet der umfassend gebildete Akademiker künftig selbst. Wer sonst?
Wir haben ein vergleichsweise kleines Problem mit dem Feintuning der Strukturen am Gymnasium, dafür aber ein großes mit der Wertschätzung von unterschiedlichen Bildungsabschlüssen. Das Gymnasium ist gedacht als elitäre Einrichtung für die Besten eines Jahrgangs, nicht als Volksschule für alle. In der Diskussion um das G 8 entsteht der (falsche) Eindruck, dass man es ohne Abitur zu nichts bringen kann. Und so quälen sich schon Grundschüler zur Nachhilfe, um den Sprung aufs Gymnasium zu schaffen, statt auf dem für sie besten Weg zu einem Beruf zu finden, mit dem sie glücklich werden. Ein gefragter Handwerker kann mehr Erfolgsmomente genießen als ein arbeitsloser Wissenschaftler.