Druckartikel: Brandstifter von Oberzettlitz: Endet sein Leben im Knast?

Brandstifter von Oberzettlitz: Endet sein Leben im Knast?


Autor: Stephan Tiroch

Oberzettlitz, Mittwoch, 16. Sept. 2015

Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung haben am dritten Prozesstag plädiert. Für den 65-jährigen Angeklagten aus Bad Kissingen geht es darum, ob er noch eine Perspektive für einen Neuanfang in Freiheit hat.
Der Angeklagte trägt während des Prozesses Fußfesseln. Foto: Stephan Tiroch


Dass es sich beim Prozess gegen den Brandstifter von Oberzettlitz um ein ungewöhnliches und kompliziertes Verfahren handelt, zeigt allein schon die Zeitplanung des Gerichts: Nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung am Mittwochvormittag nimmt sich die 1. Große Strafkammer viel Zeit, bis das Urteil um 16 Uhr verkündet wird. Es geht für den Angeklagten darum, ob sein Leben im Knast endet - oder ob er noch eine Perspektive hat für einen Neuanfang in Freiheit.

Es ist der dritte Prozesstag am Landgericht Bayreuth, das den Brandanschlag vom 21. Januar in Oberzettlitz jursitisch aufarbeiten muss. Damals hatte der 65-jährige Angeklagte aus Bad Kissingen nachts um 2.30 Uhr am Wohnhaus eines früheren Geschäftspartners Feuer gelegt. Der Mann, seine Frau und die beiden Töchter konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Der Sachschaden belief sich auf 60.000 Euro, und das völlig verrußte Haus war mehrere Wochen unbewohnbar.

Das Motiv für den Mordversuch und die schwere Brandstiftung: Rache. Der Angeklagte, dessen Firma mit zeitweise 65 Mitarbeitern für eine Fleisch- und Wurstfabrik in Hammelburg tätig war, machte den Oberzettlitzer für den Ruin seiner Firma und die Vernichtung seiner Existenz verantwortlich, nachdem im August 2008 die Verträge für die Zusammenarbeit gekündigt worden waren. Nach der Tat stellte sich der 65-Jährige selbst und wurde von der Polizei in Neubau im Fichtelgebirge festgenommen.


Den Tod der Familie billigend in Kauf genommen

Nach Ansicht von Oberstaatsanwältin Juliane Krause hegte der Angeklagte seit damals den Plan, es dem Geschäftsführer heimzuzahlen. Wie ernst es ihm war, habe man im Januar gesehen. Nach einem Drohanruf an Heiligabend ("Ich erschieße Dich") habe der 65-Jährige am 25. Dezember die Örtlichkeit in Oberzettlitz ausgekundschaftet und anschließend weitere Vorbereitungen getroffen: falsche Nummernschilder besorgt und zwei Benzinkanister gekauft. Nach der Tat habe er seinen Suizid geplant. "Er wollte den Mann töten und nahm den Tod der Familie billigend in Kauf. Dass die Tötung nicht vollendet wurde, ist reiner Zufall", sagte Krause.

Die Oberstaatsanwältin ging von einem Mordversuch aus. Dafür sprächen die heimtückische Vorgehensweise, da die Opfer arg- und wehrlos waren, und die Rache als niederer Beweggrund. Aufgrund der schweren Depression und der Trunksucht ("Ohne Alkohol und die psychische Extremsituation hätte er es nicht getan") sei die Steuerungsfähigkeit des Täters allerdings erheblich eingeschränkt gewesen, sagte Krause. Daher komme eine Strafmilderung in Betracht. Sie forderte eine Gesamtstrafe von zwölf Jahren und drei Monaten. Zunächst solle der Mann im Vorwegvollzug drei Jahre und neun Monate in Strafhaft verbüßen, bevor er eine zweijährige Therapie in der Psychiatrie beginnen dürfe.


"Reines Glück, dass nicht mehr passiert ist"

Der Vertreter des Nebenklägers, Rechtsanwalt Philipp Grabensee aus Düsseldorf, schloss sich dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft an. Er betonte: "Es war reines Glück, dass nicht mehr passiert ist." Einen Tag später habe die Familie ein Fest geplant. Ob der Mann dann auch aufgewacht wäre, wenn man gefeiert und Bier getrunken hätte? Weiter wies Grabensee darauf hin, dass seine Mandanten immer noch unter dem Brandanschlag leiden: "Das Gefühl der Unsicherheit in den eigenen vier Wänden dauert an."

Nach Ansicht des Verteidigers, Rechtsanwalt Johannes Driendl aus Bayreuth, muss das Gericht mit seinem Urteil einen Spagat zwischen zwei Extremen hinkriegen: auf der einen Seite der Angeklagte, der bis zu der Tat ein durch und durch anständiges Leben geführt hat, und auf der anderen Seite der Brandanschlag, der für die Familie Todesgefahr brachte.


"Ein moderner Sisyphus"

Driendl bezeichnete seinen Mandanten als "modernen Sisyphus", der aus ärmlichsten Verhältnissen kommt und dem es gelungen ist, den Stein von ganz unten nach fast ganz oben zu rollen, der Tag und Nacht geschuftet hat. Aus seiner Sicht habe der Geschäftsführer der Fleisch- und Wurstfabrik in Hammelburg die Hauptschuld daran getragen, dass der Stein wieder nach ganz unten gerollt ist. "Er stand vor dem Nichts."

Allerdings, so der Verteidiger, sei es keineswegs so, dass der Angeklagte sich seit Jahren ständig mit dem Gedanken der Rache beschäftigt und die Tat geplant habe. Erst als sich 2014 alle seine Probleme - kaputte Ehe, Krankheiten, Geldsorgen - wie in einem Trichter verstärkten, habe er keinen Ausweg mehr gesehen. Er habe sich immer mehr in den Alkohol geflüchtet, was zusammen mit seiner depressiven Grundstimmung die letzte Hemmschwelle für eine persönlichkeitsfremde Tat beseitigt hat.

Driendl plädierte für eine Gesamtstrafe von maximal fünf Jahren - und begründete seinen Antrag mit der Risikosituation bei dem Brand, die er niedriger als Staatsanwaltschaft und Nebenklage einschätzte. Die Familie sei sofort aus dem Haus rausgekommen, und der Brand sei von Nachbarn und Polizei schnell gelöscht worden. "Man muss sehen, wie hoch das Risiko war, dass die Tat vollendet wird."


"Durch nichts zu entschuldigen"

In seinem Schlusswort erklärte der Angeklagte: "Die Tat ist durch nichts zu entschuldigen." Anschließend wurde die Verhandlung unterbrochen. Die Kammer berät über das Urteil.