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Biker verletzt, Traktorfahrer verurteilt: 2400 Euro Geldstrafe


Autor: Jürgen Gärtner

Kulmbach, Samstag, 08. Dezember 2012

Ein Landwirt hatte beim Linksabbiegen einen Motorradfahrer übersehen, der das Traktorgespann gerade überholen wollte. Es kam zu einem Unfall. Am Freitag trafen sich Bauer und Biker vor Gericht.
Am Freitag trafen sich Bauer und Biker vor Gericht.


Nein, Groll hege er keinen, sagte der verunglückte Motorradfahrer vor dem Amtsgericht Kulmbach. Obwohl er dazu allen Grund hätte: Der Mann verlor bei einem Unfall sein Bein, als er einen Traktor überholen wollte und der just in diesem Moment links abbog. Der Motorradfahrer streifte den Reifen des Traktors und stürzte schwer. Hätte der Unfall verhindert werden können? Diese Frage beschäftigte Richterin Sieglinde Tettmann.


Nur Schatten gesehen

Der Angeklagte, ein Landwirt, war mit seinem Traktor samt Heuwender am 26. Juli 2011 auf der Kreisstraße KU 1 von Sessenreuth in Richtung Marktschorgast unterwegs, als sich der Unfall ereignete. "Ich habe frühzeitig geblinkt, in die Spiegel geschaut und über die Schulter geblickt", sagte der 45-Jährige aus dem Landkreis. Als er Abbiegen wollte, habe er plötzlich einen Schatten gesehen, dann sei das Motorrad schon an ihm vorbeigeschlittert.

Der Motorradfahrer, ein 55-Jähriger aus Bayreuth, konnte sich an das Unglück kaum erinnern. "Ich weiß nur noch, dass der Vorderreifen des Traktors auf meiner Seite war." Als erfahrener Motorradfahrer mit über 30 Jahren Praxis könne er sich nicht vorstellen, dass er überholt hätte, wenn der Traktorfahrer geblinkt hätte. "Dazu hatte sich schon zu viele Situationen."

Dem Mann musste nicht nur das rechte Bein über dem Knie amputiert werden, sondern er erlitt auch Rippenbrüche, Hirnbluten, die Lunge fiel zusammen. Zehn Tage lag der Biker im künstlichen Koma. Nach einer Reha und Wiedereingliederung arbeite er inzwischen wieder voll, sei aber im Alltag eingeschränkt. Psychisch gehe es ihm "mal so, mal so. Ich darf halt nicht viel drüber nachdenken".


"Das ging so schnell"

Mehrere Zeugen hatten das Unglück beobachtet. Einer fuhr mit dem Motorrad in einem Abstand von 200 bis 300 Metern hinter dem Unglücksfahrer. "Ich hab mir gedacht, hoffentlich schafft er es, als ich gesehen habe, dass der Traktor abbiegt", schilderte er seine Gedanken. Doch dann habe das Motorrad den Vorderreifen des Traktors berührt. "Das ging so schnell, ich hatte zu tun, dass ich nicht auch noch auf den Heuwender auffahre." Er habe gehalten, der Biker sei 20 bis 25 Meter von der Unglücksstelle entfernt zehn Meter im Wald gelegen. "Das Motorrad lag auf ihm drauf."

Ein anderer Zeuge stellte seinen Wagen am Unfallort ab und kümmerte sich um die Sicherung der Unglücksstelle, "damit nicht noch was passiert". Er sagte aus, dass bei dem Traktor, der mittlerweile in der Einfahrt zum Feldweg stand, der linke Blinker an gewesen sei. "Ich kann aber nicht sagen, dass das schon beim Abbiegen der Fall war."

Das konnte auch der dritte Zeuge nicht, der das "sehr subjektive Gefühl hatte, dass das Motorrad relativ schnell war."

Auch ein Polizist war als Zeuge geladen. Er sprach von guter Sicht und einer übersichtlichen Strecke und beschrieb der Richterin die Unglücksstelle.


Kollisionsgeschwindigkeit: 85 Stundenkilometer

Sachverständiger Wolfgang Weiß aus Altenkunstadt hatte Sichtversuche durchgeführt und festgestellt, dass man nur mit dem linken Traktorspiegel Sicht hatte, mit dem mittleren und rechten Spiegel habe man nur den Heuwender sehen können. Er habe eine Kollisionsgeschwindigkeit von 85 Stundenkilometer ermittelt. Sein Fazit: "Der Unfall hätte vermieden werden können, wenn der Angeklagte angehalten, sich richtig mit der Hüfte gedreht und nach hinten geschaut hätte."

Für Staatsanwältin Sandra Staade steht "ohne Zweifel fest, dass der Landwirt fahrlässig gehandelt hat". Auf der langen gerade Strecke müsse er damit rechnen, überholt zu werden.

Der Verteidiger des Angeklagten, Gert Lowack aus Bayreuth, forderte Freispruch. "Man kann meinem Mandanten keinen Vorwurf machen." Auf offener Strecke zum Abbiegen anzuhalten, beinhalte noch höheres Gefährdungspotenzial.

Richterin Tettmann verurteilte den Landwirt schließlich wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 2400 Euro Geldstrafe. Es sei für beide Beteiligten ein tragischer Tag gewesen, "wären die Folgen nicht so dramatisch, säßen wir nicht hier."