Bierfest-Unfall: Eltern verlieren die Berufung
Autor: Stephan Tiroch
Ziegelhütten, Freitag, 15. August 2014
Eine Verurteilung der Autofahrerin wegen fahrlässiger Tötung kommt nicht in Betracht. Der Vater des getöteten Matthias H. ist enttäuscht - und das Landgericht Bayreuth weiß, dass das Urteil von Laien schwer zu verstehen ist.
Die Mutter von Matthias H. aus Weißenbrunn, der vor zwei Jahren bei dem Unfall nach dem Bierfest auf der B 85 bei Ziegelhütten angefahren und getötet worden ist, hat es wohl geahnt: Sie kommt am Freitag nicht zur Urteilsverkündung in den Schwurgerichtssaal des Landgerichts Bayreuth, wo die Jugendkammer das Urteil des Amtsgerichts Kulmbach bestätigt. Damit verlieren die Eltern, die eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung erreichen wollen, ihre Berufung gegen den Richterspruch der ersten Instanz.
So hört nur der Vater die ausführliche Urteilsbegründung des Gerichts, warum die damals 20-jährige Autofahrerin nicht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden kann. Hinterher sagt der Nebenkläger auf Befragen der Presse, dass er enttäuscht sei von der Entscheidung der Jugendkammer. "Aber ich bereue die Berufung nicht", betont er.
Verständnis für die Mutter
Vorsitzender Richter Michael Eckstein äußert seinerseits Verständnis für das Fernbleiben der Mutter: "Weil sie nicht wusste, wie es ausgeht, wollte sie sich der nervlichen Belastung nicht aussetzen." Das zeige, wie sehr das schreckliche Unfallgeschehen nach wie vor auf der Familie liegt. Davon zeugt auch die Aussage des Bruders, der vor Gericht erklärt hat: "Es ist unbeschreiblich. Es fehlt ein Mensch im Haus, mit dem man tagtäglich zusammengelebt hat. Da merkt man, dass das ganze Materielle nichts wert ist."
Weiter räumt Eckstein ein, dass die Entscheidung des Gerichts von juristischen Laien nur schwer zu verstehen ist. "Wir müssen aber streng trennen zwischen moralischer und strafrechtlicher Schuld", sagt er.
Unstrittig ist dagegen, was am 4. August 2012 geschehen ist, nachdem die Angeklagte in den frühen Morgenstunden den verhängnisvollen Entschluss gefasst hat, mit 1,6 Promille vom Bierfest nach Hause zu fahren. Auf der B 85 nahe Ziegelhütten überfährt sie um 4.45 Uhr Matthias H., der an der Unfallstelle stirbt. Der 30 Jahre alte Fußgänger befindet sich vom Bierfest auf dem Heimweg nach Eichenbühl bei Weißenbrunn, weil er kein Taxi bekommen hat, und läuft auf der rechten - falschen - Seite. Er trägt dunkle Kleidung, so dass er schwer zu erkennen ist. Die Autofahrerin hat nur Abblendlicht eingeschaltet und fährt sehr weit rechts. Mit Fernlicht oder mittiger Fahrweise wäre der Unfall vermeidbar gewesen. Insgesamt eine Verkettung unglücklicher Umstände.
Bei ihrer Entscheidung stützt sich die Kammer vor allem auf das Gutachten des Sachverständigen Stefan Luther. Nach Angaben des Dekra-Ingenieurs wäre der Unfall auch für einen nüchternen Autofahrer nicht vermeidbar gewesen wäre.
Keine Sorgfaltspflichtverletzung
Die für den Vorwurf der fahrlässigen Tötung notwendige Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Autofahrerin, so der Richter, "können wir nicht erkennen". Er erläutert, dass es im Gesetz keine Vorschrift gibt, mittig zu fahren. Nur innerstädtisch müsse man Abstand vom Gehsteig oder Fahrradweg halten. Gleiches gelte für die Benutzung des Fernlichts. Im Gesetz sei nur geregelt, wann man es nicht einschalten darf. Somit kommt eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung nicht in Betracht.
Schon beim ersten Verfahren in Kulmbach hat das Gericht einen Totschlag durch Unterlassen ausgeschlossen. Denn laut ärztlichem Gutachten hätte man Matthias H. auch nicht mehr retten können, wenn sofort der Notarzt gerufen worden wäre.
Zusammenfassend stellt Eckstein fest: "Wir kommen zum selben Ergebnis wie das Amtsgericht Kulmbach." Die Studentin habe sich der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht. Auch bei der Anwendung des Jugendstrafrechts und beim Strafmaß schließt sich die Jugendkammer der ersten Instanz an.
Damit dürfte die juristische Aufarbeitung des Kulmbacher Bierfest-Unfalls beendet sein. Es ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft das Urteil akzeptiert, wie es auch die Studentin tut. Die inzwischen 22-Jährige muss also 120 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten, zweimal zum Drogenscreening und ihre psychotherapeutische Behandlung fortsetzen.
Belastende Berufung
"Die Entscheidung war so zu erwarten", sagt Verteidiger Thomas Dolmány. Er bedauert es, dass alle Beteiligten, die Familie des Toten wie die Angeklagte, durch die Berufung noch mal mit dem Verfahren belastet worden sind. "Aber ich bin froh, dass meine Mandantin nun wieder nach vorne schauen kann."