Beißangriff in Kulmbach: Falschaussagen stehen im Raum
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Donnerstag, 01. August 2019
Zwei Rottweiler haben einen Buben in Ziegelhütten übel zugerichtet. Seit Donnerstag arbeitet sich in Bayreuth die Berufungskammer durch die Aktenberge. Für zwei Entlastungszeugen im Prozess könnte es eng werden.
Von diesem Fall gibt es Aktenberge: bei der Stadt Kulmbach, beim Strafgericht, beim Zivilgericht, beim Verwaltungsgericht und in der Anwaltskanzlei des Verteidigers. Schon lange geht es beim Beißangriff von zwei Rottweilern, die einen neunjährigen Buben in Ziegelhütten schwer verletzt haben, nicht nur um fahrlässige Körperverletzung - sondern um viel mehr. Spannend wie ein Krimi.
Vor einem halben Jahr wurde der Hundehalter vom Amtsgericht Kulmbach zu 3200 Euro Geldstrafe verurteilt. Dagegen legten der 58-jährige Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Bayreuth Berufung ein.
Eine Marathonsitzung
Seit Donnerstag wird der Prozess vor der Berufungskammer des Landgerichts Bayreuth noch einmal aufgerollt. In einer über acht Stunden dauernden Marathonsitzung arbeitete sich Vorsitzende Richterin Andrea Deyerling akribisch durch die Aktenberge.
Was ist an dem Samstag im Mai 2017 geschehen? Der Junge lief damals nichtsahnend an dem Anwesen vorbei. Durch das Hoftor, das nicht hätte offen sein dürfen, rannten die zwei Rottweiler "Max" und "Alfons" auf die Straße. Die kräftigen Hunde, jeder mit 50 Kilo doppelt so schwer wie der schmächtige Schüler, fielen den Neunjährigen an, rissen ihn beim Gasthaus "Schweizerhof" zu Boden und bissen zu. Gästen im Biergarten gelang es, die auf dem Buben liegenden Hunde abzudrängen.
Kopfhaut abgetrennt
Der Neunjährige wurde übel zugerichtet. Unter anderem erlitt er eine 15 Zentimeter große Skalpierungsverletzung - die Kopfhaut war vom Schädel abgetrennt. Der Vater gab an, dass sein Sohn noch heute unter den Folgen leide. Schmerzen, Alpträume, Schlafstörungen und ständige Angst vor Hunden. Er habe eine große sichtbare Narbe am Kopf sowie Narben am Arm und am Rücken. Der Angeklagte sei nie bei der Familie gewesen und habe das im Zivilprozess festgesetzte Schmerzensgeld von 4700 Euro nicht bezahlt.
Da es im Strafrecht eine Gefährdungshaftung nicht gibt, geht es darum, ob dem Hundehalter ein individuelles Verschulden nachzuweisen ist. Ja, meint die Staatsanwaltschaft. Der Vorfall sei für den Mann vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Nein, sagte Rechtsanwalt Alexander Schmidtgall. Seinem Mandanten sei kein Vorwurf zu machen. "Ihm ist es ein Rätsel, wie die Hunde rauskommen konnten. Es tut ihm unendlich leid, was passiert ist."
Im Gegensatz zur ersten Instanz hatte die Verteidigung ihre Strategie geändert. Diesmal machten sowohl der Angeklagte als auch seine Frau Angaben.