Bei syrischer Hochzeit in Presseck bröckeln viele Vorurteile
Autor: Klaus Klaschka
Presseck, Montag, 10. Oktober 2016
Ein Flüchtlingspaar aus Syrien feierte in Presseck Hochzeit. Auch deutsche Gäste waren eingeladen und mussten dabei mit einigen Vorurteilen aufräumen.
Hochzeiten werden in allen Kulturen groß und meist auch teuer gefeiert. Im Flüchtlingsstatus ist das aber etwas schwierig. Für Berevan Mohamad und Hasan Ahmad kam noch ein weiteres Problem hinzu. Formell hatten sie schon vor einiger Zeit geheiratet, doch richtig feiern konnten die beiden bislang nicht. Der Grund: Der Vater der Braut war auf der Flucht aus Syrien gestorben und das Trauerjahr war noch nicht vorüber.
Brautvater auf der Flucht gestorben
Am Samstag wurde die Hochzeitsfeier aber endlich nachgeholt. Und zwar in Presseck, wo die Braut bis zu ihrer Heirat untergebracht war. Die Kuratie Presseck hatte hierfür das Paulusheim zur Verfügung gestellt.
Neben den Freunden aus der Flüchtlings-Community waren selbstverständlich auch Einheimische eingeladen worden, die sich sonst um die in Presseck untergebrachten Syrer und Afghanen kümmern.
Selbstverständlich, denn Gastfreundschaft ist heilig. Kommunikation ist in Presseck inzwischen möglich, aber immer noch schwierig. Allerdings kann man in kürzester Zeit auch keine völlig fremde Sprache lernen. Aber das muss sein.
Ohne Deutsch geht gar nichts
Gerhard Leinfelder sitzt in einer Ecke mit zwei Syrern zusammen und predigt unerbittlich, dass ohne Deutsch hier gar nichts geht, weder Arbeit noch Ausbildung. Der eine hat das längst verstanden. Er spricht leidlich Deutsch, hat Buchhaltung studiert und sucht nach einer Schulungsmöglichkeit, um das deutsche System zu lernen.
Sein Kollege hat merkbare Probleme mit der Sprache. Beide unterhalten sich auf Farsi (Persisch). Nicht alle Syrer sprechen in erster Linie Arabisch. Das wäre ein Vorurteil, heißt es. Arabisch ist die gemeinsame Plattform zur Kommunikation. Kurdisch, eine Variante des Türkischen mit arabischem Einschlag, ist die erste Sprache des Brautpaars. Es kommt aus dem Norden Syriens.
Anita und Reinhard Baar machen aus den Sprachproblemen keine Sache. Wer Deutsch nicht versteht, dem wird es halt gezeigt. Und der Kontakt besonders mit den Kindern ist ohnehin unkompliziert, da ist die Verständigung das geringste Problem.
Die Sache mit der Pünktlichkeit
Gelernt haben die Flüchtlinge schnell, dass Pünktlichkeit eine typisch deutsche Tugend ist. Es geht das Gerücht um, dass die deutschen Gäste für 13 Uhr eingeladen wurden, die syrischen aber schon für 12 Uhr, damit alle zum Beginn der Hochzeitsfeier wirklich anwesend sein würden. Zumindest ist die Braut um 12.30 Uhr immerhin schon mit der Frisur fertig.
Bis 13.30 Uhr erscheint das Brautpaar schließlich unter Johlen und Rufen der Gäste und nimmt am Tisch auf dem Podest im Saal Platz. Dort, etwas höher als die Gäste, bleibt es fast den ganzen Nachmittag.
Bei einer einheimischen Hochzeit würde bei dieser Gelegenheit jemand aufstehen, sein Glas erheben und einen artigen Glückwunsch an das Brautpaar richten. Der Rest der Hochzeitsgesellschaft würde dann ebenfalls das Glas erheben.
Lauter als in Deutschland
Im Syrischen ist das anders und heftiger: Emphatisch und mit weit erhobenen Armen ruft jemand dem Brautpaar etwas zu, der Rest der Hochzeitsgesellschaft stimmt noch lauter ein und das Ganze endet mit einem hohen Ruf der Frauen. Und das immer wieder.
Das Brautpaar ist erfreut und sieht sich von Fotografen umlagert. Die Gäste am deutschen Tisch, in diesem Fall sprachunkundig, denken, gerade einer Königsproklamation der Schützen beigewohnt zu haben. Dana erklärte später, dass man so einfach Glück wünsche und die Frauen mit hohen Stimmen ihre Freude ausdrücken.
Als schließlich das Buffett eröffnet wird, fällt ein weiteres Vorurteil: Nicht die Frauen besorgen das Essen und die Männer sitzen herum, wie es hierzulande trotz Gleichberechtigung meist noch Brauch ist. Im Gegenteil: Die Männer richten alles hin, andere stehen auf und schauen, ob es für sie noch etwas zu tun gibt. Die Frauen bleiben sitzen.
Kein Alkohol, kein Kaffee
Es gibt Süßes in vielen Variationen zu essen und zu trinken alles außer Alkohol und Kaffee - und alles mit Selbstbedienung. Aber zwei weitere Teller voll werden noch auf den Tisch gestellt. Die Deutschen werden zuerst ans Buffett komplimentiert. Dana erklärt, dass man in Syrien durchaus groß auftische und auch die ganze Nacht durch feiere. Aber im Frankenwald bekomme man die Zutaten für ein syrisches Festessen nicht, versucht sie zu erklären. Der deutsche Tisch versteht aber gut, dass man sich im Augenblick nicht mehr leisten kann.
Im Hintergrund spielt schwach Musik, so wenig die Lautsprecher hergeben. Es hört sich sehr orientalisch an. Ein paar junge Leute fangen an zu tanzen. Im Kreis, was sehr an griechischen Sirtaki erinnert, allerdings nicht schneller wird. Das Brautpaar wird dazu geholt.
Tiefes Dekolleté
Am deutschen Tisch fällt auf, dass doch nicht wenige Frauen zwar Kopftuch und lange Gewänder tragen, aber auch sehr hochhackige Schuhe. Die Braut selbst trägt ein weißes Brautkleid mit überhaupt nicht sparsamem Dekolleté und einen Schleier - nicht vor dem Gesicht, sondern an einem Reif in den offenen Haaren schmal über den Rücken zusammengeschoben.
Ein weiteres Vorurteil fällt, und der deutsche Tisch denkt darüber nach, worüber hierzulande so alles diskutiert wird.
Gefeiert wird in Presseck nicht wie in Syrien die ganze Nacht. Um 17 Uhr neigt sich die Feier dem Ende zu. Einige der Gäste müssen noch bis nach Kelheim fahren.