Bei der ersten Kerwa in der Blaich war die Not überall spürbar
Autor: Stephan Tiroch
Blaich, Montag, 12. Juni 2017
Mitte Juni wird wieder Kirchweih gefeiert in der Blaich. Von wegen Schlachtschüssel und Krenfleisch - vor 70 Jahren war die Not überall spürbar.
Eine fränkische Kerwa dauert heute mindestens fünf Tage. Donnerstag geht's los mit der Schlachtschüssel, es folgt das Krenfleisch, dann kommen die verschiedenen Braten - und am Montag wird rumg'spielt. Was fast wie ein Naturgesetz klingt, ist aber keines. Denn dass es auch anders geht, weiß Herbert Hering. Der neunzigjährige und sehr rüstige Mann erinnert sich an den Wiederbeginn der Blaicher Kerwa vor 70 Jahren: 1947, als nach dem Krieg die Not noch überall spürbar war.
Zwei Jahre nach Kriegsende stand den Menschen der Sinn wieder nach Zerstreuung und Unterhaltung. Denn leicht hatten sie es nicht. "Damals hat's nichts gegeben", sagt Hering. "Bis 1949 galten die Lebensmittelmarken, da hatte jeder zu tun, dass überhaupt was zu essen auf den Tisch kam."
Alles in Eigenregie
Die Blaicher Ortsburschen ("man musste ledig sein") hatten sich den gelernten Buchhalter als Oberortsbursch ausgeschaut. Seine Aufgabe war es, das komplette Fest zu organisieren. Hering: "Wir haben die Kerwa in Eigenregie aufgezogen und mussten alles selber machen." Der Mönchshofgarten war total runtergekommen und verwahrlost. "Wir haben dreimal saubergemacht." Der Pavillon wurde repariert und der Beton außenrum ausgebessert. "Dann haben wir die Tanzbruck bei der Wernlein-Mühle in Waizendorf abgeholt und im Garten aufgestellt", erzählt Hering. Das ganze Gelände - "auch drüben bei der Schmieden" - wurde mit Birken geschmückt.
Das Kerwavergnügen - anders als nächste Woche, wenn in der Blaich wieder gefeiert wird - hielt sich allerdings zeitlich in Grenzen. Weder am Donnerstag noch am Freitag oder am Samstag ging die Kerwa los, sondern erst am Sonntag. "Schlachtschüssel oder Krenfleisch? So was gab's nicht." Dafür hätten "die paar Gramm Fleisch auf Lebensmittelmarken" nicht gereicht. "Ich wüsste nicht mal, dass Bratwürste gebraten wurden", sagt der Blaicher von Geburt.
"Halb Kulmbach war vertreten"
Die erste Kerwa nach dem Krieg war anders: Am Sonntag - traditionell der letzte im Juni - fand der Umzug statt. Unterpurbach, Blaicher Straße, Hermann-Limmer-Straße, Mönchshofgarten - diese Wegstrecke legte der Zug durch den geschmückten Stadtteil zurück. "Im Garten wurde getanzt, die Musik haben wir bezahlt, und es gab Bier - das war alles", weiß Hering noch. Zum Essen ging man heim, um sich sogleich wieder zu treffen und bis in den späten Abend weiterzufeiern. "Halb Kulmbach war vertreten. Die Blaicher Kerwa war schon immer eine Attraktion."
Am Montag nahm sich, wer konnte, Urlaub fürs Rumspielen. Die Burschen gingen von Haus zu Haus, und ihr Korb füllte sich mit Eiern, Küchla und Geld. Hering: "Die Eier haben wir ins Wirtshaus getragen, die hat die Werta gleich gemacht." Schluss war am späten Nachmittag, "da wurden die Mönchshoflaster vor der Abfahrt mit Musik aus dem Hof nausg'spielt."
Ein einziges Mal verschoben
Im Jahr darauf organisierte Hering die Kerwa noch einmal - danach durfte er nicht mehr, weil er seine Bärbel geheiratet hat. Das 1948er Fest ist ihm besonders in Erinnerung geblieben, "weil es die einzige Kerwa war, die verschoben wurde". Den Blaichern ist ihr Termin heilig, aber hier ging es ums - Geld. Es war die Zeit der Währungsreform: Die Reichsmark hatte ausgedient, die neue D-Mark wurde eingeführt. "Keiner hat Geld gehabt, denn jeder bekam nicht mehr als 40 D-Mark", so der damalige Oberortsbursch. "Deswegen haben wir die Kerwa sechs Wochen später am 1. August gehalten."