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Bauen auf fremdem Grund?


Autor: Dagmar Besand

Kulmbach, Sonntag, 08. Mai 2022

Das Erbbaurecht erlebt in Zeiten hoher Baulandpreise eine Renaissance. Das Modell hat Vorzüge, aber auch einige Tücken.
Nicht nur der Hausbau kostet viel Geld, auch das Grundstück. Die Erbpacht kann Häuslebauer entlasten.  Foto: Andrea Warnecke/dpa


Ein Haus bauen auf einem Grundstück, das einem nicht gehört? Mancher hat schon bei dem Gedanken ein ungutes Gefühl. Dennoch erlebt Erbbau eine Renaissance - vor allem dort, wo die Preise für Bauland explodieren. Auch in der Stadt Kulmbach sind die Grundstückspreise in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Gibt es hier eine erhöhte Nachfrage? Vergibt die Kommune überhaupt noch Erbbaurechte? Und welche Vor- und Nachteile hat das Konzept?

Es gibt sowohl in der Stadt als auch im Landkreis Erbbaugrundstücke, die privat, von Firmen und Vereinen genutzt werden. Kulmbach hat 123 Erbbaugrundstücke, die von ihr verwaltete Bürgerhospitalstiftung weitere 79, so Jonas Gleich, Pressesprecher der Stadt. Sie sind über das ganze Stadtgebiet verteilt.

Ältester Vertrag wurde 1938 geschlossen

Der älteste derzeit vorliegende Erbbaurechtsvertrag in Kulmbach datiert aus dem Jahr 1938. Da er nur auf die Dauer von 90 Jahren geschlossen wurde, läuft er in sechs Jahren aus. Neuere Verträge laufen jeweils 99 Jahre für private Wohnhäuser, gewerbliche Erbbaurechte gelten 50 Jahre, bei Vereinen gibt es variable Regelungen.

Und danach? Was passiert, wenn das Haus an die nächste Generation vererbt wurde? Muss der Besitzer nach Ablauf der Frist damit rechnen, sein Haus zu verlieren? Dazu kommt es in der Regel nicht. Zwar erlischt das Erbbaurecht nach der vertraglich vereinbarten Laufzeit und das Bauwerk ist dann per Gesetz Eigentum des Grundstücksbesitzers. Doch dafür hat der bis dahin Erbbauberechtigte Anspruch auf eine Entschädigung, die allerdings zum Nachteil des Vorbesitzers deutlich unter dem Gebäudewert liegt.

Noch hat in Kulmbach kein Vertrag durch Zeitablauf geendet. "In der Regel erwerben die Erbbauberechtigten ihre Erbbaugrundstücke schon Jahre oder sogar Jahrzehnte vorher. Diese Möglichkeit hat die Stadt Kulmbach den Erbbauberechtigten bisher immer angeboten. "Sie haben ein Vorkaufsrecht."

Keine weiteren 99 Jahre

Alternativ kann der Erbbauvertrag auch verlängert werden, so Jonas Gleich. "Das erfolgt dann allerdings nicht um weitere 99 Jahre, sondern um die voraussichtliche Standzeit des Gebäudes. "

Für wen kann die Nutzung des Erbbaurechts heute noch interessant sein? "Ein klarer Vorteil ist, dass der Grundstückskaufpreis nicht sofort aufgebracht werden muss. Beim Erbbauzins handelt es sich sozusagen um eine Miete für das Grundstück. Das Grundstück wird mit dem Erbbauzins nicht abbezahlt."

Der Nachteil

Und genau das ist auch einer der Nachteile. Bei der Vergabe eines Erbbaugrundstückes für Wohnbauzwecke beträgt der Erbbauzins in Kulmbach vier Prozent jährlich vom gültigen Kaufpreis. Die Erschließungskosten muss der Erbbauberechtigte zusätzlich bezahlen. Im Grunde bezahlt man während der Laufzeit des Vertrags also das Grundstück, ohne dass es einem am Ende gehört. Angesichts der Tatsache, dass der Erbbauzins derzeit höher ist als die Kreditzinsen für die Aufnahme eines Darlehens, entscheiden sich die meisten Häuslebauer gleich fürs Kaufen.

Dazu kommt, dass nicht jeder für Erbpachtverträge in Frage kommt: Die Einkommensgrenzen, die dem Bayerischen Wohnraumfördergesetz zugrunde liegen, dürfen nicht überschritten werden, die Immobilie muss selbst genutzt werden, und man darf keine anderen Häuser, Grundstücke oder Wohnungen besitzen. "Vermutlich aufgrund des niedrigen Zinsniveaus bei Krediten ist die Nachfrage in Kulmbach derzeit gering", sagt Gleich. Das letzte Erbbaurecht für Wohnbauzwecke wurde im Jahr 2013 bestellt. Fünf Jahre später haben die Erbbauberechtigten der Stadt das Grundstück bereits abgekauft.

Die Stadt Kulmbach ist übrigens selbst Erbbauberechtigte: Das Grundstück, auf dem das Kriegerdenkmal steht, gehört der Petrikirchengemeinde.

Aktuell keine Nachfragen

In den Landkreisgemeinden spielt die Erbpacht nur eine untergeordnete Rolle. "Aktuell haben wir keine Nachfragen, allerdings auch keine Grundstücke, die wir dafür zur Verfügung stellen könnten", sagt Stadtsteinachs Bürgermeister Roland Wolfrum (SPD). Das werde sich aber auch wieder ändern. Grundsätzlich bleibe das Erbbaurecht eine Option.

Erbbaurecht kompakt

Historie Das Gesetz über das Erbbaurecht wurde 1919 erlassen. Ziel war es, dass sich auch Familien mit geringerem Einkommen ein Eigenheim leisten können, ohne selbst Grundstückseigentümer zu sein.

Vorteile Mit begrenztem Budget den Traum vom eigenen Haus verwirklichen, auch dort, wo die Grundstückspreise sehr hoch sind; trotzdem die Chance auf den nachträglichen Grundstückskauf haben.

Nachteile Das Grundstück gehört dem Hausbesitzer nicht. Es gibt Einkommensgrenzen, bei der Belastung mit Grundschulden ist die Zustimmung des Erbbaurechtsausgebers nötig, der Erbbauzins kann während der Laufzeit nicht gesenkt werden.

Wertsicherung In neueren Verträgen ist geregelt, dass der Erbbauzins alle drei Jahre gemäß dem Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes angepasst wird.