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Bäckermeister will der Industrie Paroli bieten


Autor: Jürgen Gärtner

Kulmbach, Donnerstag, 11. April 2013

Gesunde, handgefertigte Lebensmittel, gut ausgebildete Mitarbeiter, Produkte aus der näheren Umgebung: Bäckermeister Ralf Groß sieht in der "Genussregion Oberfranken" eine große Chance.
Ralf Groß ist von der Genussregion überzeugt - und setzt wo es nur geht auf regionale Produkte. Fotos: Jürgen Gärtner


"Genussregion Oberfranken" - für den Obermeister der Kulmbacher Bäckerinnung, Ralf Groß, ist das mehr als nur ein Verein. Für ihn ist es Herausforderung, Überzeugung und Lebenseinstellung zugleich. Es ist für ihn die Möglichkeit, "ehrliche Lebensmittel herzustellen". Eine Chance, der Lebensmittel-Industrie Paroli zu bieten, "die die Leute hinters Licht führen will".

Den 50-Jährigen ärgert das Vorgehen der Konzerte, die um des Profits Willen "Jahrhunderte alte Begriffe verwässert". Nur zwei Beispiele: Bei einem "Holzofenbrot" handele es sich nur dann um ein traditionell gefertigtes Brot, wenn es mit dem Zusatz "Original" ausgeschildert sei.

Die Unterschiede kennen
"Und kennen Sie den Unterschied zwischen einer Bäckereifachverkäuferin und einer Fachkraft für Backwaren", fragt Ralf Groß, nur um im nächsten Atemzug die Antwort selbst

zu geben: "Eine Bäckereifachverkäuferin lernt drei Jahre den Beruf, eine Fachkraft für Backwaren kann sich so nach einem halben Nachmittag Unterricht in der IHK Düsseldorf so nennen." Der Wissensunterschied - und meist auch die Bezahlung - zwischen den beiden sei logischerweise groß.

Auch mit Blick auf die Zusatzstoffe in den Lebensmitteln würden in der "Genusregion" höhere Maßstäbe angelegt, bestimmte Stoffe würden ganz vermieden. Das Ziel: "So ehrlich und natürlich zu backen wie möglich."
Und der Grünwehr-Beck nimmt den Begriff Genussregion wörtlich: "Mein Mehl hole ich aus Stadtsteinach, das Malz aus Kulmbach, die Eier aus Weißenbrunn." Doch damit dieser Kreislauf weiter funktioniert, muss der Preis stimmen. "Wir wollen schließlich sicherstellen, dass die Bäckerinnung weiterhin das Getreide von den Bauern hier bekommt. Auch das gehört für mich zu ehrlichen Lebensmitteln."

Selbst beim Thema "Bio" ist er kritisch, und zwar dann, "wenn Bio-Getreide aus Russland kommt und der Bio-Landwirt hier auf seinem Roggen sitzen bleibt. Das wollen wir in der Genussregion nicht".

Bei alledem sei der Kunde jedoch das Wichtigste: "Wenn der nicht mitmacht und weiter zu Aldi rennt, nutzen uns die ganzen Anstrengungen nichts." Doch habe er die Erfahrung gemacht, dass Menschen nichts gegen höhere Preise sagen, wenn sie wissen, dass die Waren regional produziert und handwerklich hergestellt sind." Sie hätten Verständnis dafür, dass die Unterschiede zur industriellen Produktion bezahlt werden müssten.

Doch nicht nur an der Ladentheke können die Leute die Genussregion Oberfranken unterstützen. Denn es besteht die Möglichkeit, als Förder-Mitglieder der Vereinigung beizutreten.

Der schönste Beruf der Welt
Groß hat damals nicht gezögert: "Seit der ersten Sekunde" ist er bei der Vereinigung dabei, sagt der 50-Jährige. Um die Region voranzubringen und weiter "den schönsten Beruf der Welt" auszuüben und Menschen gesunden Lebensmittel zu bieten.

Für Landrat Klaus Peter Söllner ist die "Genussregion Oberfranken" die größte Imagekampagne, die in Oberfranken je gelaufen ist. Und eine der erfolgreichsten obendrein.

Unbezahlbarer Image-Gewinn
"Wir haben es geschafft, ein oberfränkisches Thema für alle Oberfranken zu etablieren. Der Image-Gewinn ist für unsere Betriebe unbezahlbar", sagt Söllner, der zugleich Vorsitzender des Vereins "Genussregion Oberfranken" ist. Aber nicht nur dass: Denn neben der Werbung gehe es auch darum, Qualitätsstandards bei den Mitgliedsbetrieben zu etablieren.

Die Kritieren erläutert der Marketing-Leiter der Handwerkskammer für Oberfranken, Bernd Sauer: In Gaststätten zzähle da neben der Verwendung von regionalen Erzeugnissen in Gaststätten auch das Angebot von fränkischen Gerichten, Bieren, Weinen, Schnäpsen dazu. Ein Kriterienkatalog stehe auch für den Handel an. Da gehe es bei Getränkemärkten zum Beispiel darum, fränkische Biere im Angebot zu haben.

Doch was sind fränkische Spezialitäten überhaupt? Um das herauszufinden, war eine Kulturgeschichts-Professorin in unterwegs und hat die kulinarischen Genüsse erforscht. 316 Leckereien, von denen die meisten in anderen Region völlig unbekannt sind, wurden Sauer zufolge erfasst.

Aber nicht nur das: Auf der Homepage des Vereins ( www.genussregion-oberfranken.de ) sind die Spezialitäten von A wie Arme-Beamten-Soße über G wie Gaukelzampe und Z wie Zerfahrene Suppe aufgelistet und mit Fotos präsentiert. Dazu kommen Anbieter-Infos und vieles mehr. Fast fünf Millionen Aufrufe zählt die Internetseite jedes Jahr.

Essen und Trinken ist "in"
Das mit 365000 Euro geförderte Projekt wird nun weitergeführt: "Die Genussregion soll mit touristischen Zielen verknüpft werden, um Leute herzulocken", gibt Söllner die Marschrichtung vor. Er ist überzeugt: "Mit Genuss Essen und Trinken interessiert immer mehr Menschen. Essen und Trinken sind en vogue."

Das zeige auch der Erfolg der "Genussregion"-Schilder an den oberfränkischen Autobahnen, die auf seine Initiative hin errichtet wurden, sagt Söllner. "Man glaubt nicht, was die Schilder für eine Resonanz gefunden haben."
Kein Wunder, denn das Genussangebot, das gemeinsam mit dem Schwesterverein "Bierland Oberfranken" vermarktet wird ist riesig. Denn in Oberfranken gibt es 529 Bäckerei und 714 Metzgereien. "In keiner Region Deutschlands oder Europas gibt es nur annähernd so eine Vielfalt", stellt Söllner heraus.


Der Verein "Genussregion Oberfranken":

Ursprünge Die Genussregion Oberfranken basiert auf zwei Projekten der Handwerkskammer ("Bierland Oberfranken", 2002, und "Genussregion - Bäcker- und Metzgerhandwerk", 2004) sowie dem Projekt "Lebensmittelstandort Kulmbach".

Gründung Der Verein Genussregion Oberfranken wurde am 25. Oktober 2007 im Haus des Handwerks in Kulmbach ins Leben gerufen.

Mitglieder Im Verein arbeiten Lebensmittelproduzenten (Bäcker, Metzger, Brauer, Landwirte) mit Touristikern, Hoteliers und Gastronomen ebenso wie Vertreter von Innungen, HWK, IHK und Ämtern eng zusammen.