Druckartikel: Aus Süßgras wird ein mildes Dunkles

Aus Süßgras wird ein mildes Dunkles


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Dienstag, 21. August 2018

Roggentrespe wird als Unkraut bekämpft. Doch wenn sich Experten von der Universität Bayreuth und der Ireks-Mälzerei zusammentun, entsteht daraus Bier.
Wohl bekomm's! Doktorand Songvan Ben Huang, Frank Hilbrig, Matthias Hansen (Ireks) und Pflanzenökologe Pedro Gerstberger (von links) verköstigen das neue Bier aus Roggentrespe. Gebraut wurde im Brautechnikum der Universität Bayreuth, das Malz dafür stammte aus Kulmbach.Uni Bayreuth


Im Mittelhochdeutschen hieß es Trebs, in Österreich sagt man heute Gerstentwalch respektive Korndurst dazu; in einigen bayerischen Gebieten ist die landläufige Bezeichnung Dorp oder Dorst. Gemeint ist immer das Gleiche: die Roggentrespe, eine Pflanzenart aus der Familie der Süßgräser. Als Unkraut vom Menschen über die Äonen verflucht und bekämpft, ist das einjährige Gras, das schon in der Jungsteinzeit zum Not-Brotbacken Verwendung fand, mittlerweile eine Seltenheit geworden auf den Äckern der Neuzeit.

Nicht so auf dem landwirtschaftlichen Bezirkslehrgut in Bayreuth. Dort hat das Team von Pflanzenökologe Pedro Gerstberger extra ein Versuchsfeld mit Roggentrespe angelegt. Das Areal ist überschaubar: rund 100 Quadratmeter; das Saatgut hatte der Biologie auf Getreidefeldern der Fränkischen Alb gesammelt. Kein einfaches Unterfangen. "Die Halb-Kulturpflanze ist fast ausgestorben, weil die üblichen Verfahren der Saatgutreinigung und Unkrautbekämpfung sehr effektiv sind", sagt der Wissenschaftler.

Ertrag: gerade zwölf Kilogramm

Seine Idee: Ließe sich die Roggentrespe womöglich für die Bierproduktion kultivieren und somit der Nachwelt erhalten? Gerstberger und Frank Hilbrig, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bioprozesstechnik der Uni Bayreuth, nahmen Kontakt nach Kulmbach auf - genauer gesagt zur Firma Ireks. Dort arbeitet Matthias Hansen als Leiter des Betriebslabors Malz. Der Diplomingenieur war den Bayreuthern kein Unbekannter: Er war in Erlangen am gleichen Lehrstuhl wie Doktorand Songvan Ben Huang, der in Bayreuth zusammen mit Gerstberger und Hilbrig das ungewöhnlichen Brauobjekt initiierten.Und so trafen sich alle zu einem besonderen Experiment in den Laboren der Kulmbacher Großmälzerei, um aus zwölf Kilogramm (!) Körnern Malz herzustellen.

"Es war auch für mich ein Blindschuss", sagt Matthias Hansen mit einem Lächeln. Von Broten mit Roggentrespe weiß er, dass sie ein besonderes, an Nüsse erinnerndes Aroma entfalten. Der gebürtige Nürnberger erstellte nach einem Standardverfahren das ungewöhnliche Trespenmalz; heraus kamen knapp sechs Kilogramm für rund 40 Liter Bier. "Wie üblich haben wir entsprechende Laboranalysen gemacht, wie sie Usus sind bei der Qualitätssicherung. Festzustellen war: Die Würze aus Roggentrespe-Malz weist eine ähnlich hohe Viskosität wie die aus Roggenmalz auf. Die Viskosität ist somit deutlich höher als die von Gersten- und Weizenmalzwürzen."

Das Rezept für das Craft-Bier (Stammwürze 12,8 Prozent, 5,5 Prozent Alkoholgehalt) hat sich der gebürtige Nürnberger selber ausgedacht. "Wir mussten uns erst herantasten, welcher Anteil an Trespenmalz der beste ist. Das Gras verströmt einen starken Geruch und hat einen spürbaren Eigengeschmack, insofern probierten wir es mit 40 Prozent und dazu 60 Prozent Gerste."

Der erste Versuch ist gelungen

Und wie mundet es? Hansen, der auch Biersommelier ist, umschreibt es so: "Ich finde den ersten Versuch durchaus gelungen. Das Mundgefühl ist sämig. Der Geruch ist sortentypisch - auch der Geruch der Würze. Geschmacklich ist es vergleichbar mit herkömmlichen Bieren aus alternativen Getreidearten. Vor der Gärung stellte sich, wie zu erwarten, ein starkes Nussaroma ein - davon ist leider im fertigen Bier nichts mehr zu schmecken gewesen. Wir wissen nicht genau, woran das liegt. Womöglich hat die Hefe die Aromakomponenten der Trespe zu stark verstoffwechselt. Besser wäre es, den Trespe-Anteil auf 50 Prozent erhöhen."

So viel müssten es auch mindestens sein, um ein Roggentrespe-Bier auf den deutschen Markt bringen zu dürfen, so wie es etwa beim Weizenbier der Fall ist. "Es war für uns eine Weltpremiere, vor allem aber ein Experiment, das nicht in ein fertiges Produkt münden sollte. Ein kommerzieller Hintergrund bestand nicht. Die zur Verfügung stehende Menge an Roggentrespe ist auch viel zu gering. Dafür bräuchten wir Mengen im Tonnen- statt im Kilobereich." Doch woher nehmen?

Pedro Gerstberger will im kommenden Jahr erneut Roggentrespe auf dem Testgelände anbauen. Und vielleicht ergibt sich, entsprechende Erträge vorausgesetzt, irgendwann eine Nische im Sektor der boomenden Craft-Biere. Emmer- und Dinkelbiere sind ja bereits erhältlich. "Ich könnte mir vorstellen", sagt Matthias Hansen, "dass auch ein Getränk aus Roggentrespe seine Liebhaber findet. Das müsste man vor Fachpublikum auf einer Lebensmittelmesse mal ausprobieren." Dafür aber reicht der erste Sud aus Bayreuth definitiv nicht.