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Aus für den Windpark Rugendorf


Autor: Stephan Tiroch

Rugendorf, Freitag, 10. Juli 2020

Jahrelang wurde wegen der sieben Windräder gestritten und prozessiert - jetzt gab es eine überraschende Entwicklung. In München wurde ein Schlussstrich gezogen.
Wird wohl nicht mehr weiter- und fertiggebaut: der umstrittene Windpark Rugendorf. Fundamente und andere Bauteile müssen nach der Änderung des Baugesetzes wieder entfernt werden. Foto: Stephan Tiroch


Jahrelang wurde gestritten und prozessiert. Die Meinungen in Rugendorf und Umgebungen gingen und gehen weit auseinander: für oder gegen den Windpark Rugendorf. Jetzt kam das überraschende Aus. Der Schlussstrich wurde in München gezogen - vom Gesetzgeber höchstpersönlich.

Der bayerische Landtag änderte in dieser Woche das Baugesetz. Damit wurde auch den sieben Windenergieanlagen die Genehmigung entzogen. "In Rugendorf darf nicht weitergebaut werden", sagte der Kulmbacher Landtagsabgeordnete Rainer Ludwig (Freie Wähler) auf Anfrage.

1. Wie ist der Sachstand im Windpark Rugendorf?

Die Naturstrom AG Düsseldorf - mit einer Niederlassung in Eggolsheim, Landkreis Forchheim - will bei Rugendorf sieben Windräder bauen, vier im Landkreis Kulmbach, drei im Landkreis Kronach. Die gesamte Investitionssumme wird auf 25 Millionen Euro geschätzt. Gegen drei Anlagen auf der Fichtichhöhe bei Grafendobrach ist beim Verwaltungsgericht Bayreuth eine Verbandsklage des Vereins für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB) anhängig. Bei den anderen vier Anlagen zwischen Eisenwind (Rugendorf) und Wötzelsdorf (Kronach) sind die Bauarbeiten angelaufen. Teilweise sind die Fundamente fertig, teilweise wird bereits am Turm gebaut.

2. Wieso wurde das Baugesetzbuch geändert?

Bayern führte im November 2014 die 10H-Regelung ein. Dies bedeutet, dass ein 200 Meter hohes Windrad einen Abstand von zwei Kilometern zur nächsten Siedlung einhalten muss. Wenn allerdings bis zum Stichtag 4. Februar 2014 ein vollständiger Bauantrag eingereicht wurde, konnte das Projekt nach den alten Regeln mit einer geringeren Entfernung genehmigt werden. Weil sich viele Vorhaben verzögerten, stand der genehmigte Anlagentyp nicht mehr zur Verfügung. Wenn aber andere Windräder aufgestellt werden, ist laut Bayerischem Verwaltungsgerichtshof ein neues Genehmigungsverfahren notwendig. Mit seiner Entscheidung sorgte der Landtag nun für Rechtssicherheit.

3. Was hat der Landtag beschlossen?

Laut MdL Rainer Ludwig (FW) standen 58 Windräder in Bayern in der Diskussion. Der von der CSU/FW-Regierungskoalition eingebrachte Kompromiss sieht vor, dass 20 Anlagen, die bereits am Netz sind und Strom produzieren, weiterbetrieben werden dürfen. 38 genehmigte oder im Bau befindliche Anlagen dürfen dagegen nicht fertiggestellt werden. "Darunter fällt auch der Windpark Rugendorf", so Ludwig. Fundamente und andere Bauteile müssten wieder entfernt werden. Das gegen die Stimmen von Grünen, SPD und FDP verabschiedete Gesetz tritt am 1. August in Kraft.

4. Wurde ein Baustopp verhängt?

Nein, bisher gibt es noch keinen Baustopp. Dafür sind die Genehmigungsbehörden zuständig. Für das Landratsamt Kulmbach erklärte Oliver Hempfling, Jurist: "Nach unserem Kenntnisstand tritt die neue Bayerische Bauordnung am 1. August in Kraft. Derzeit gibt es also noch keine Rechtsgrundlage für ein Tätigwerden der Behörden." Zudem gebe es nach Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung Vollzugshinweise seitens des zuständigen Ministeriums. "Auch diese müssen wir abwarten, ehe über das weitere Vorgehen entschieden werden kann." Gleichlautend äußerte sich Pressesprecher Bernd Graf vom Landratsamt Kronach.

5. Wie bewertet man bei der Naturstrom AG die Gesetzesänderung?

Robert Claus, Geschäftsführer Naturstrom-Projekte, teilte mit: "Nach unserer Kenntnis und unserem Verständnis der aktuellen Lage sind unsere sich derzeit im Bau befindlichen Anlagen nicht betroffen. Bei den anderen drei zurzeit noch beklagten Anlagen wird geprüft, ob sie von der Neuregelung betroffen sind." Eine Einschätzung, die er wahrscheinlich exklusiv haben dürfte. Zu Verlusten oder zu einer möglichen Klage sagte Claus nichts.

6. Was sagen die Projektgegner?

"Das ist eine Wendung, mit der konnte man nicht rechnen. Es schien schon alles verloren", erklärte Hermann Dippold, Fraktionsvorsitzender der ÜWG im Gemeinderat Rugendorf und Sprecher der Bürgerinitiative. "Das ganze Projekt war von Anfang an ein Betrug. Es wurde nach dem Bürgerentscheid vom Planungsverband rausgenommen und im Nachhinein durch Bürgermeister und Gemeinderat eigenmächtig wieder reingenommen." Dippold dankte besonders seinem Mitstreiter Jürgen Weiske, der mit privatem Geld geklagt und unermüdlich gekämpft habe. Dadurch sei der Windpark entscheidend verzögert worden. "Sonst wären die Windräder schonlange gebaut." Dippold weiter: "Für die Investoren habe ich kein Verständnis und kein Mitleid. Sie haben gewusst, dass sie sich in einer Grauzone bewegen. Wenn sie Verluste machen, haben sie es sich selber zuzuschreiben."

7. Ist damit der Prozess am Verwaltungsgericht Bayreuth überflüssig?

Die neue Gesetzeslage könnte sich möglicherweise auf die Klage des VLAB gegen die drei Windräder bei Grafendobrach auswirken, so Gerichtssprecher Philipp Hetzel. Eine abschließende Bewertung sei jedoch erst möglich, wenn der genaue Wortlaut im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht wurde. Im laufenden Gerichtsverfahren wird derzeit besonders das bei Antragstellung vorgelegte Brandschutzkonzept geprüft. Aktuell ging bei Gericht eine Stellungnahme des Bauministeriums ein, das das Brandschutzkonzept laut Hetzel als nicht ausreichend bewertet. Schlechte Karten also für den Anlagenbetreiber.

8. Wie schätzt man beim Naturschutzverband VLAB die neue Entwicklung ein?

"Ich bin kein Jurist, aber der Prozess dürfte überflüssig sein. Nach meinem Rechtsempfinden kann ein Verwaltungsrichter nicht mehr anders urteilen, als es der Gesetzgeber vorschreibt", so Vorsitzender Johannes Bradtka vom Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern. Die Entscheidung des Landtags sei das Aus für den Windpark Rugendorf. Bradtka: "Aus unserer Sicht die absolut richtige Entscheidung." Die Investoren hätten das Risiko erkennen müssen, hätten es aber billigend in Kauf genommen.