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Auf dem Weg zum Naturgarten: Es grünt so grün in Partenfeld


Autor: Dagmar Besand

Kulmbach, Donnerstag, 10. Sept. 2020

Anita Hofmann mag es natürlich und hat ihr Grundstück als Naturgarten gestaltet. Damit bewirbt sie sich jetzt um eine offizielle Zertifizierung.
Impressionen aus dem Partenfelder Naturgarten von Anita HofmannFoto: Dagmar Besand


Der erste Eindruck: grün, verwunschen, romantisch. Überall rankt Efeu, es duftet nach Kräutern, zu jeder Jahreszeit blüht etwas. Anita Hofmanns Garten in Partenfeld ist in vielfacher Hinsicht etwas Besonderes. Die 73-Jährige mag es wild. Nicht etwa, weil sie zu faul wäre, Ordnung zu schaffen, sondern weil sie der Natur gerne Platz lässt. Dass dies obendrein den Vorteil hat, in Teilbereiten das Jäten vermeintlicher Unkräuter guten Gewissens bleiben lassen zu können, ist ein zusätzlicher Bonus. Spart Arbeit und fördert gleichzeitig die Vielfalt im Garten. Auf Neudeutsch nennt man so etwas eine Win-Win-Situation.

Als erste Gartenbesitzerin im Landkreis Kulmbach möchte Anita Hofmann ihre grüne Oase im Rahmen der Initiative "Bayern blüht - Naturgarten" zertifizieren lassen. Dabei handelt es sich um einen Impuls der Gartenakademie der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Zusammenarbeit mit den Kreisfachberatern und den Gartenbauvereinen. Mit der Naturgarten-Plakette ausgezeichnet werden können Gärten, die bestimmte Kriterien für Ökologie und Biodiversität erfüllen.

Vielfalt ist das Zauberwort in jedem Naturgarten. Artenvielfalt bei den Pflanzen fördert Artenreichtum im Tierreich. Wo Vögel, Schmetterlinge, Käfer, Bienen und Kleintiere einen idealen Lebensraum vorfinden, da siedeln sie sich gerne an. So entsteht langfristig ein ökologisches Gleichgewicht.

Anita Hofmann verfolgt diesen Ansatz in ihrem Garten seit einigen Jahren ganz gezielt. Als sie mit ihrer Familie vor rund 50 Jahren das Anwesen kaufte, gab es da etwas Baumbestand, aber noch keinen wirklichen Garten. Statt dessen eine baufällige Scheune. An deren Stelle entstand im Lauf der Jahre ein schöner Innenhof, die freien Flächen ringsherum verwandelte die Besitzerin nach und nach in verschiedene grüne Räume.

Die ehemalige Rechtsanwältin hat ihr grünes Reichen immer als einen Ort der Entspannung verstanden. "Wenn ich gestresst nach Hause gekommen bin und dann eine Weile im Garten gewerkelt habe, war ich danach immer gut drauf", erzählt sie. "Gartenarbeit entspannt und ist gut für die Seele."

In ihrem Naturgarten gibt es viel zu entdecken. Zwei Teiche, einen Gemüsegarten, eine Kräuterspirale, in Holz gefasste Hochbeete, Stein- und Holzhaufen, Röhren aus Baumrinde. "Die sind als Unterschlupf für Kleintiere und Insekten gedacht."

Ein besonders komfortables Wohnangebot gibt es für Igel: Eine Holztruhe ohne Boden wurde zum Igelhaus. In trockenem Stroh kann er es sich dort gemütlich machen. Nahrung findet er ringsum reichlich.

Einige Arten möchte Anita Hofmann gezielt in ihren Garten locken: Eichenholz an einem schattigen Platz wartet auf Hirschkäfer, ein Faulbaum wurde eigens für die Zitronenfalter gepflanzt.

Woher hat die 73-Jährige ihr Wissen? "Vor allem aus Büchern." Systematisch hat Anita Hofmann sich Literatur zu den verschiedensten Aspekten natürlicher Gartengestaltung besorgt.

Das Zertifikat Naturgarten würde sie als Bestätigung dafür sehen, dass ihr Konzept gut ist. Gleichzeitig wäre es eine zusätzliche Attraktion für die Besucher ihres 2014 eröffneten privaten Nachttopfmuseums.

Nicht zuletzt liegt Anita Hofmann auch am Herzen, dass Kinder lernen, wie wertvoll natürliche Lebensräume sind. Deshalb will sie Grundschülern die Möglichkeit geben, in ihrem Garten praktischen Anschauungsunterricht zu erleben. "Da kann man dann auch gut zusammen Nisthilfen oder andere nützliche Kleinigkeiten für den Garten basteln", so ihre Idee.

Friedhelm Haun, Kreisfachberater für Gartenbau und Landespflege am Landratsamt Kulmbach, hat den Garten schon einmal besichtigt und sieht darin Potenzial. Er wirbt für das Prinzip, Natur im Garten nicht nur zuzulassen, sondern gezielt zu fördern. Haun ist einer der beiden Zertifizierer, die im Landkreis beurteilen, ob eine Bewerbung um die Naturgarten-Plakette Erfolg hat. Der zweite ist Wolfgang Sack, Landschaftsarchitekt und Vorsitzender des Gartenbauvereins Himmelkron.

Noch gibt es keinen zertifizierten Naturgarten im Landkreis Kulmbach. "Corona hat uns ausgebremst", sagt Haun. Die Initiative läuft erst seit Jahresanfang, und noch habe man nicht richtig Werbung dafür machen können. "Es haben sich aber bereits einige Interessierte gemeldet."

Wer kann seinen Garten zertifizieren lassen? "Grundsätzlich steht diese Möglichkeit jedem offen, nicht nur Mitgliedern von Gartenbauvereinen", sagt der Kreisfachberater (Details siehe "Der Weg zum zertifizierten Naturgarten).

Friedhelm Haun sieht in der Zertifizierung eine Möglichkeit, das Thema Naturgarten mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. "Mancher sieht Naturgärten nicht als Schatzkästchen, sondern als ungepflegte Wildnis. Aber ökologisch ist nicht dasselbe wie ungepflegt." Für die Besitzer eines Naturgartens könne die Plakette Bestätigung dafür sein, dass sie auf dem richtigen Weg sind.

Der Weg zum zertifizierten Naturgarten

Wer? Die Möglichkeit, seinen Naturgarten zertifizieren zu lassen, steht jedem offen. Wie? Interessierte stellen einen Antrag und wenden sich dafür an den Kreisfachberater oder ihren Gartenbauverein. Dann wird ein Termin festgesetzt, bei dem zwei geschulte Zertifizierer den Garten begutachten. Werden die Kriterien erfüllt und die nötige Punktzahl erreicht, gibt es ein Zertifikat vom Landesverband Gartenbau und ein wetterfestes Tonmodel in Form der bayerischen Raute als sichtbares Zeichen.

Kriterien Vier Kernkriterien müssen zwingend erfüllt sein: Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel, Verzicht auf chemisch-synthetische Dünger, kein Torf zur Bodenverbesserung, hohe ökologische Vielfalt (Biodiversität).

Dazu gibt es noch Kann-Kriterien - die Kür zur Pflicht, bei denen eine Mindestpunktzahl erreicht werden muss.

Das Spektrum der Beurteilungskriterien reicht hier von der Vielfalt der Lebensräume einschließlich "wilder Ecken" über Blühwiesen, Gemüsebeete mit Mischkultur und sinnvoller Fruchtfolge bis hin zu Regenwassernutzung, Kompostierung und Verwendung umweltfreundlicher Materialien für Zäune, Wege und Beeteinfassungen mit regionaltypischen Steinen und Hölzern.

Kosten Die Gebühr für den gesamten Zertifizierungsprozess beläuft sich auf 60 Euro. Für Mitglieder von Gartenbauvereinen ist ein Preisnachlass vorgesehen.

Wegen der Corona-Pandemie hat der Kulmbacher Kreisvorstand allerdings noch nicht getagt. Detailregelungen in dieser Frage stehen deshalb noch aus. Kontakt Wer sich für eine Naturgarten-Zertifizierung interessiert, kann sich für weitergehende Informationen an Kreisfachberater Friedhelm Haun im Landratsamt Kulmbach wenden, Telefon 09221/707-553, Mail:

haun.friedhelm@landkreis-kulmbach.de

Kommentar: Was werden da die Nachbarn denken?

Naturschutz, Artenvielfalt, Blühwiese - die Schlagworte haben wir alle im Kopf. Die Natur braucht Platz. Das finden wir gut.

Aber einen Stein- oder Reisighaufen im eigenen Garten, eine dicke Mulchschicht aus Grasschnitt und gehäckseltem Gartenabfall auf den Beeten, einen abgestorbenen Baum einfach stehen lassen? Das geht vielen Hobbygärtnern dann doch gegen den Strich. Unordentlich sieht das aus. Was werden denn da die Nachbarn denken?

Vielleicht denk sie ja das: Hier arbeitet jemand mit der Natur, nicht gegen sie. Trägt etwas bei zu mehr ökologischem Gleichgewicht - und schafft damit Lebensräume, in denen sich letztlich auch der Mensch richtig wohl fühlt.

Grün und wild bedeutet nicht faul und chaotisch, auch wenn sich dieses Vorurteil hartnäckig hält. Die Initiative für zertifizierte Naturgärten ist deshalb eine gute Idee, um das Bewusstsein dafür zu schärfen. Wer sich um die Plakette bewirbt und sie erhält, dokumentiert damit, dass es ihm ernst ist mit dem Natur- und Artenschutz.

Mit einem Garten besitzt man schließlich nicht nur Grund und Boden, sondern hat auch ein Stück Verantwortung dafür, was dort geschieht.

Ein Umdenken ist vielerorts schon spürbar. Wenn man mit offenen Augen im Landkreis unterwegs ist, sieht man viele grüne Paradiese, in denen die Natur zu ihrem Recht kommt.

Doch daneben finden sich leider auch reichlich versiegelte Vorgärten - Schotterbeete, die zwar fast keine Arbeit machen, aber auch keine Freude. Pflegeleicht geht auch anders - indem man die Natur ganz entspannt einfach mal machen lässt und nicht dauernd versucht, sie aufzuräumen.

Wenn Sie eine Pflanze wären, wollten Sie sich eine Steinwüste mit einer Zwergkonifere teilen? Oder stellen Sie sich vor, Sie wären ein Käfer - ständig auf der Flucht vor Mähroboter und Laubsauger. Die Vorstellung macht Ihnen Angst? Dann gehen Sie doch mit gutem Beispiel voran. Und wenn es nur mit einem kleinen Fleckchen Garten ist.