Auch Kulmbacher zocken wie Uli Hoeneß
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Montag, 28. April 2014
Wann der Ex-Bayern-Boss ins Gefängnis muss, ist noch ein Geheimnis. Aber Suchttherapeutin Gunhild Scheidler hat festgestellt, dass auch in der Region exzessiv an der Börse gehandelt wird.
Deutschlands prominentester Straftäter befindet sich noch auf freiem Fuß - jedoch wohl nicht mehr lange. Um den Haftantritt von Uli Hoeneß wird ein Geheimnis gemacht. Es ist aber damit zu rechnen, dass der Ex-Präsident des FC Bayern, der wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde, im Mai in der JVA Landsberg am Lech antreten muss.
Sein Problem war es, dass er jahrelang mit Millionenbeträgen an der Börse gezockt hat. Nach einer Studie ist das exzessive Handeln an der Börse in Deutschland weit verbreitet. Gibt es solche Börsen zocker auch in Kulmbach? Liegt hier eine Suchterkrankung vor? Alles Fragen, die Gunhild Scheidler, Diplom-Sozialpädagogin (FH) und Suchttherapeutin (VDR) beantworten kann. Die Expertin für Glücksspielsucht arbeitet bei der Beratungsstelle für Suchtfragen in Bayreuth und betreut auch Klienten aus dem Raum Kulmbach.
Ist exzessives Börsenzocken eine Sucht, vergleichbar der Glücksspielsucht?
Gunhild Scheidler: Ja, es kann eine Sucht vorliegen. Das erkennt man daran, dass vieles, was für sonstige Glücksspieler zutrifft, auch bei diesen Menschen gilt. Da wäre vor allem der Kontrollverlust: Sie nehmen sich vor, nur eine gewisse Zeit zu zocken. Aber wenn sie dabei sind, brechen alle Dämme, und sie können ihre Vorsätze nicht einhalten. Ein andere Kriterium wäre es, das Börsenzocken vor nahestehenden Bezugspersonen zu verheimlichen. Und was bei Börsenzockern relativ schnell geht, ist der Übergang in die Illegalität, wie man ja in gewisser Weise auch bei Uli Hoeneß gesehen hat.
Ist das wirklich krankhaft, oder steckt nicht eigentlich nur Gier dahinter?
Das, was ich beschrieben habe, ist krankhaft und behandlungsbedürftig. Die süchtigen Börsenzocker setzten durchwegs auf kurzfristige Kursschwankungen, die eigentlich rational nicht vorhersagbar sind. Das ist wie eine Wette, die man abschließt. Es geht um den Zufallsfaktor.
Ist dann wohl jeder, der sein Geld in Aktien anlegt, süchtig?
Nein, es gibt natürlich auch Menschen, die mit großen Beträgen an der Börse jonglieren und nicht süchtig sind. Sie haben aufgrund zuverlässiger Informationen langfristige Anlagestrategien entwickelt.
Gibt es solche Börsenzocker auch in der Region Kulmbach?
Ja, aber auf niedrigem Niveau. Ich habe solche Leute schon in meiner Sprechstunde gehabt. Deren Zahl ist relativ niedrig, doch sie steigt deutlich.
Geht es dabei ebenfalls um solche Millionenbeträge?
Nein, um so hohe Beträge wie bei Hoeneß nicht. Ich kenne aber Fälle, da ging es auch um Hundertausende und bis an die Millionengrenze. Und diese Leute überschreiten schnell die Grenze zur Illegalität, weil sie die notwendigen Geldbeträge nicht mehr herkriegen.
Welche Hilfen gibt es?
Auf jeden Fall in die Beratungsstelle kommen. Alles Weitere muss man dann sehen, ob es ambulant geht oder ob eine stationäre Therapie nötig ist. Es gibt auch eine Selbsthilfegruppe in Bayreuth - weil ja dieselben Mechanismen wie bei den anderen Glücksspielern vorliegen, fügen sich Börsenzocker problemlos in die Gruppe ein.
Hilfe für Börsenzocker
Beratung ist auch in Kulmbach möglich.
Online Unter www.evangelische-beratung.info/gluecksspiel-bayreuthgibt es das Angebot der Online-Beratung. Hier kann man rund um die Uhr anonym Fragen stellen.
Suchtberatung in Bayreuth