Druckartikel: Auch im Landkreis Kulmbach: Der Wasserkraft droht Gefahr

Auch im Landkreis Kulmbach: Der Wasserkraft droht Gefahr


Autor: Ursula Prawitz

Kulmbach, Sonntag, 20. März 2022

An den Flüssen wird vielerorts noch Strom erzeugt. Doch die EU macht den Betreibern der kleinen Kraftwerke massiv zu schaffen - auch im Kulmbacher Raum.
Mit der Kraft des Wassers - wie hier in Dreschen - wird im Landkreis Kulmbach rund ein Prozent des Strombedarfs gedeckt.  Foto: Uschi Prawitz


Ein gutes Prozent des Strombedarfs wird im Landkreis Kulmbach über kleine Wasserkraftwerke eingespeist. Laut Markus Ruckdeschel von der Energieagentur Nordbayern ein kleiner, aber durchaus wertvoller Beitrag zur Deckung des Strombedarfs. "Natürlich wird der Anteil der Wasserkraft nicht auf 20 oder 30 Prozent ansteigen, aber insbesondere in der Grundlast spielt die Wasserkraft, die im Wesentlichen rund um die Uhr Strom produziert, eine wichtige Rolle", erklärt der Energieexperte.

Auch die Schwarzstartfähigkeit des Systems sei ein Vorteil. Das bedeutet, dass diese Kraftwerke bei einem Blackout ohne externe Energiezufuhr binnen weniger Minuten anlaufen und Energie liefern können. Aktuell 30 Wasserkraftanlagen gibt es noch im Landkreis Kulmbach, davon vier im städtischen Gebiet und 26 in den Gemeinden.

"In der Gemeinde Neudrossenfeld etwa decken die Wasserkraftwerke 3,34 Prozent des Strombedarfs", ergänzt Ingrid Flieger, Klimaschutzmanagerin des Landkreises Kulmbach, bei einem Ortstermin in Dreschen.

Anlagen sind schon 500 Jahre alt

Doch werden die Auflagen für kleine Wasserkraftwerksbetreiber immer anspruchsvoller. Deshalb wollen sie aufklären und auf ihre Arbeit aufmerksam machen. "Die meisten Anlagen und Staustufen sind schon 500 Jahre alt", sagt Hartmut Kolb, der ein Wasserkraftwerk in Unterzettlitz betreibt. Etwa 70 bis 80 Haushalte versorgt er mit Strom und sieht sich wie viele andere mit immer neuen Investitionen konfrontiert. "Die Fische störten die Staustufen über Hunderte von Jahren nicht, jetzt müssen wir Fischaufstiege und Abstiege einbauen und sollen künftig auch die Stauhöhe senken." Das sei ein Problem, denn schon einige Zentimeter wirkten sich massiv auf die Turbinenleistung aus. "Sämtliche Flüsse sollen laut EU-Wasserrahmenrichtlinie durchgängig gemacht werden, die Staustufen möglichst weg." Im Altbach solle so viel verbleiben, dass an der flachsten Stelle 2,5 Forellen übereinander schwimmen könnten, so Hartmut Kolb. "Die wollen uns fertigmachen."

Gefahr der Austrocknung

Andreas Friedmann hat in Dreschen kräftig investiert - 100.000 Euro in den letzten fünf Jahren. Das Wasserkraftwerk hat er von seiner Großmutter übernommen. 160.000 kWh hat er letztes Jahr eingespeist und versorgt neben seinem Sägewerk etwa 40 Haushalte mit Strom. Die Turbine ist mindestens 100 Jahre alt und läuft immer noch, die Mühle selbst existiert seit 1387. "Ich habe es selbst schon erlebt, wie schnell das Wasser in unserer Gegend ohne ein Wehr abfließt", erklärt er. 2014 war eine Wehranlage aus Holz durchgebrochen, und "plötzlich war der Main leer." Auch die Fischbestände würden bei der geforderten Durchgängigkeit gefährdet sein.

"Es wird immer trockener, das Wasser rennt durch, die Fische hauen ab", sagt Alexander Zapf aus Stadtsteinach, der einmal die Anlage vom Vater übernehmen will. Dort allerdings, wo gestaut werde, sei auch in Trockenzeiten noch genug Tiefe zum Angeln vorhanden.

Jürgen Oberhauser, der in Schlömen ein Wasserkraftwerk betreibt, befürchtet, dass das Grünland noch mehr austrocknet, wenn Staustufen abgesenkt werden. "An unserem Kraftwerk sind 85 Familien in einer Interessengemeinschaft beteiligt, weil sie es für wichtig halten", erklärt er. Hingegen versuche er seit vier Jahren vergeblich, eine Anlage in Bad Berneck, die er aufwendig saniert hat, wieder in Betrieb zu nehmen, weil die Freigabe durch das Wasserwirtschaftsamt immer wieder verzögert werde.

Was ist mit dem Biber?

Reinhard Moosdorf von der Interessengemeinschaft "Strom aus Wasserkraft" kritisierte die gewünschte Durchgängigkeit der Flüsse. "Ich habe es beobachtet: Oben werden 50 Prozent Forellen eingesetzt, die auf dem Weg alles leer fressen, um unten wieder rausgefangen zu werden." Und das gelte dann als umweltfreundlich. Gerüchten, in den Turbinen würden Fische geschreddert, setzt Moosdorf den Rechen entgegen, der die Turbine schützt. "Welcher Fisch soll durch die Abstände mit einer Breite von etwa zwei Zentimetern in die Turbine geraten?"

Markus Ruckdeschel von der Energieagentur bemängelt eine große Diskrepanz in den Anforderungen. Viele der Wasserkraftwerkler hätten sich bewegt und nachgerüstet, aber es gebe ständig neue Auflagen. "Irgendwann hat auch der größte Enthusiast keine Lust mehr." Eine goldene Nase verdiene sich ohnehin keiner der Betreiber von Wasserkraftwerken bis zu einer Bemessungsleistung von 500 Kilowatt; seit Jahren betrage die Einspeisevergütung unverändert 7,67 Cent pro kWh und 11,67, wenn man beispielsweise in eine Tieraufstiegshilfe investiert habe.

"Ich sage nichts zur Gewässerökologie, da bin ich kein Experte", meint Ruckdeschel. Aber man müsse sich zusammensetzen und einen Ausgleich finden, dürfe es Wasserkraftlern nicht über Jahre erschweren, Standorte zu beleben. "Ich meine: Lasst die kleinen Wasserkraftler ihre Arbeit machen, wir könnten sie noch gut brauchen."