Auch bei Kulmbacher Politikern: Angst vor Atomkrieg ist da
Autor: Jürgen Gärtner
Kulmbach, Dienstag, 01. März 2022
Wir haben Mitglieder von SPD, FDP und Grünen befragt: Was hält die Rot/Gelb/Grüne Basis von den Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet? Wie schätzt sie die weiteren Entwicklungen ein?
Die Ampel-Regierung ist noch nicht lange im Amt und steht mit dem Ukraine-Krieg vor einer der größten Krisen der vergangenen Jahrzehnte. Gerade für Anhänger der Grünen, die als Friedenspartei angetreten sind und sich bislang stets gegen deutsche Waffenlieferungen in Kriegsgebiete ausgesprochen haben, dürften die Waffenlieferungen in die Ukraine für Diskussionen sorgen. Das gilt auch für das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt hat. Was sagt die Basis der Regierungsparteien zu den Entscheidungen von Rot/Gelb/Grün?
Für SPD-Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Inge Aures kommt die Waffenlieferung in die Ukraine viel zu spät. "Das sind unsere Freunde. Warum haben wir so lange zugeschaut, bis die Lage eskaliert ist?", fragt sie. Sie sei aber froh, dass man die Entscheidung doch noch getroffen hat, die Ukraine zu unterstützen.
Dass Russlands Präsident Wladimir Putin nun droht, dass die Waffenlieferungen nicht ohne Konsequenzen bleiben werden, sieht Aures genau als das: eine Drohung. "Das macht er die ganze Zeit schon. Er ist ein Erpresser." Die Freundschaft des russischen Machthabers gegenüber Deutschland sei rückenblickend nur vorgespielt gewesen, sagt sie mit Blick auf den Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz bei Putin. "Ein paar Tage später fallen die Bomben".
Inge Aures hat Angst vor einer Eskalation, vor einem Atomkrieg, räumt sie ein. "Es weiß keiner, auf was wir zusteuern." Zumal es Putin wohl nicht wie geplant gelungen sei, handstreichartig die Ukraine zu übernehmen. Die Situation sei sehr bedrückend. Sie habe die Hoffnung, dass Russland nun auf China höre, das versuche, ausgleichend einzuwirken, und dass die russische Bevölkerung gegen den Krieg mobil mache. Allerdings müsse man auch überlegen, welche Brücken man Putin bauen könne, den Krieg zu beenden, ohne dass er sein Gesicht verliere.
Dass die SPD künftig zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren will, hält Aures für die richtige Entscheidung. Allerdings werde es eine gewisse Zeit dauern, bis die Truppe wieder schlagkräftig sei. "Wenn man hört, dass Bundeswehrpanzer nicht schießen und Flugzeuge nicht fliegen, dann schämt man sich für so ein reiches Land", sagt sie und erklärt, dass "es mit der Bundeswehr abwärts ging, als der Verteidigungsminister aus Kulmbach war".
Die Waffenlieferung in ein Kriegsgebiet stellt für Thomas Nagel von der FDP eine Kehrtwende in der bisherigen Politik der Freien Demokraten dar. "Aber zum Schutz von Frieden und Freiheit sehe ich das als vertretbar an", sagt Nagel. Deutschland habe hier aus dem Reigen der europäischen Länder nicht ausscheren können, die noch nie so geschlossen zusammengestanden hätten, um die Ukraine zu unterstützen. Man befinde sich in einer Situation, von der er sich nie hätte vorstellen können, "dass es in Europa jemals so weit kommt". Er habe noch nie so viel Angst gehabt, dass ein - auch atomar geführter - Krieg ausbrechen könne.
Russland habe den Krieg begonnen, ohne dass das Land bedroht worden sei, so Nagel weiter. Der einzige Grund sei die Annäherung der Ukraine an den Westen gewesen. Was ihm Sorgen bereitet, sei der Umstand, dass Putin eventuell als Verlierer aus dem Krieg gehen könnte und dass die Hemmschwelle bei dem russischen Machthaber daher niedrig sei. "Die Frage ist, wie kann man jemanden wie Putin stoppen?" Wenn es dazu eine Chance gebe, dann nur gemeinsam.