Arbeiterwohlfahrt geht raus aus dem Bürgerhospital
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Freitag, 28. April 2017
Die Awo verlängert den Vertrag mit der Stadt nicht, bestätigt die Awo-Kreisvorsitzende Inge Aures. OB Schramm spricht von "völlig neuen Konstellationen".
Die Bewohner im Bürgerhospital werden bald die Koffer packen. Der Grund: Ende Juni verlässt die Arbeiterwohlfahrt die Einrichtung in der Spitalgasse. Für 33 Pflegebedürftige bedeutet das den Umzug in ein anderes Awo-Heim. Oder? Awo-Kreisvorsitzende Inge Aures beteuert, dass es sich beim Auszug aus dem Bürgerhospital in keiner Weise um einen übereilten oder gar ungeplanten Schritt handele - im Gegenteil: "Die Arbeiterwohlfahrt ist seit langem Mieter im Bürgerhospital. Den Mietvertrag haben wir fristgerecht vor zwei Jahren gekündigt."
Die Bewohner hätten nun die Wahl, sich zwischen vier Einrichtungen zu entscheiden: dem "Rosengarten" in Neuenmarkt, dem Seniorenwohnheim in der Kirschenallee in Thurnau sowie den beiden Kulmbacher Einrichtungen in der Brenkstraße sowie Am Rasen. "Mehr als die Hälfte der Menschen hat sich bereits entschieden. So wie es aussieht, werden die meisten in die Heiner-Stenglein-Wohnanlage umziehen", sagt die Kreisvorsitzende.
Die Anlage lässt die Awo seit 2015 für annähernd 14 Millionen Euro aus eigenen Mitteln sanieren und umbauen. Die Fertigstellung erfolge wie geplant. "Das Seniorenheim hatte bisher 73 Betten, jetzt sind es 116, also 43 mehr." Platz genug demnach für alle Frauen und Männer aus dem Bürgerhospital.
Neue Pflegevorschriften
Ausschlaggebender Grund, die Einrichtung in der Innenstadt aufzugeben, seien die neuen Pflegevorschriften gewesen. "Die Awo als Träger muss die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Am Rasen können wir das, im Bürgerhospital so nicht." Die 33 Betroffenen respektive deren Betreuer seien informiert worden, sagt Aures. Die entsprechenden Heimverträge wurden gekündigt, die Awo macht das Angebot, sich jeden der vier Alternativstandorte anzuschauen und sich dann zu entscheiden. Awo-Geschäftsführer Peter Konrad stehe dafür bereit. "Es gab einige Bewohner, die schon vor längerer Zeit gerne gewechselt hätten, aber natürlich mussten erst die Arbeiten abgeschlossen sein."
Keinem wird gekündigt
Das 20-köpfige Mitarbeiterteam werde ebenfalls komplett übernommen und künftig in der Heiner-Stenglein-Wohnanlage arbeiten. "Wir haben den Bewohnern versprochen, dass sie ihre gewohnten Betreuer auch weiterhin um sich haben werden." Zudem erwarte die Pflegebedürftigen eine Einrichtung, die sich auf dem allerneuesten Stand befinde. "Es gibt hochmoderne Rufanlagen für die Schwestern und Sicherheitsvorkehrungen wie etwa Infrarot-Melder, die sofort erkennen, wenn jemand gestürzt ist. Dazu kommen modernste Pflegebetten. Das alles wird für die nächsten 15 Jahre Standard der Betreuung sein."
"Neue Situation seit Montag"
Henry Schramm, in seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister zugleich Vorsitzender der Bürgerhospitalstiftung, spricht von einer "neuen Situation, die sich seit Montag dieser Woche ergeben hat und auf die ich jetzt reagieren muss". Er habe bereits den Ältestenrat der Stadt über die Absichten der Awo informiert und will das Thema Bürgerhospital in der nächsten Stadtratssitzung kommenden Donnerstag ansprechen."Seit vielen Jahren gibt es immer wieder Gespräche bezüglich der Vertragsinhalte zwischen der Stadt und der Arbeiterwohlfahrt. Dabei ging es unter anderem um die Verteilung der Kosten." Schramm bestätigt die Kündigung der Awo zum 23. Juni 2015, macht aber deutlich: "Unser Ziel war immer, einen neuen Vertrag abzuschließen. Es ging uns nie darum, das Heim aufzugeben. Es ist beliebt, weil es zentral in der Innenstadt liegt. Die Menschen fühlen sich wohl und von den Mitarbeitern sehr gut betreut."
Aufgrund der räumlichen Situation vor Ort und mit Blick auf die veränderten Vorgaben des Pflegegesetzes hätten verschiedene Begehungen, unter anderem mit der Heimaufsicht, stattgefunden. "Wir haben besprochen, wie wir eventuell was umbauen können, um den neuen Vorschriften gerecht zu werden. Im historischen Bestand ist das sicher schwieriger als in einem Neubau", sagt Schramm. Daher seien entsprechende Übergangsfristen beim Landratsamt beantragt worden, die von der Heimaufsicht auch in Aussicht gestellt worden seien. "Es ging um Maßnahmen, die mit überschaubarem Kostenaufwand umsetzbar gewesen wären, etwa den Einbau automatischer Türen oder die Gewähr der Barrierefreiheit, die über die Stiftung hätten finanziert werden können."
Betrieb mit Ausnahmeregeln
Noch im Juni 2016 habe die Awo einen entsprechenden Antrag im Landratsamt vorgelegt mit dem Ziel, den weiteren Betrieb des Heimes unter bestimmten Ausnahmeregelungen zu gewährleisten. "Nun heißt es seitens des Landratsamts plötzlich: Die Awo braucht keine amtliche Entscheidung über Ausnahmeregelungen mehr, sie geht raus aus dem Bürgerhospital. Das ist weit von dem entfernt, was nach unserer Ansicht gegenseitiger Konsens war", betont Schramm und fügt hinzu: "Ich verstehe die Awo, dass die Betreuung von Schwerstpflegebedürftigen im Bürgerhospital schwer zu bewerkstelligen ist. Was aber ist mit denen, die womöglich bleiben wollen?" Für jene müsste die Stadt nun nach einer anderen Lösung suchen. "Wir ziehen diverse Optionen in Betracht, damit es weitergeht. Natürlich stellt sich auch die Frage nach einem anderen Betreiber, der vielleicht sogar die Beschäftigten übernehmen würde."
Von der Innenstadt in die Wohnanlage Am Rasen
Bürgerhospital Die Einrichtung in der Spitalgasse gehört der Bürgerhospitalstiftung. Sie besteht aus zwei gegenüberliegenden Gebäuden. Der ältere Teil ist mit 17 Einzelzimmerbetten auf drei Etagen ausgestattet und besitzt direkten Zugang zur Spitalkirche. Im "Neubau" befinden sich 14 Zimmer, davon zwei Doppelzimmer, über vier Stockwerke verteilt.
Alternative Eine neue Bleibe können die Bewohner unter anderem im Heiner-Stenglein-Senioren- und Pflegewohnheim Am Rasen finden. Das Haus wurde 1952 als erstes im Kreisverband Kulmbach der Arbeiterwohlfahrt in Betrieb genommen und diente zunächst als Ausbildungs- und Jugendwohnheim. Seit 1988 bot es als Wohnheim 75 Pflegeplätze.
Umbau Im ersten Abschnitt wurde ein Anbau mit 48 neuen Plätzen erstellt. Zudem entstand im Neubau eine offene Station für Demenzkranke. Im zweiten Bauabschnitt erfolgte die Sanierung des bestehenden Gebäudes. Im dritten Abschnitt, der abgerissen wird, entsteht eine Begegnungsstätte, die auch als Treffpunkt für Bürger des Siedlungsgebiets dient.