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Apotheker protestieren gegen Zwangsrabatte


Autor: Katrin Geyer

Kulmbach, Samstag, 24. November 2012

Am Freitag blieben die meisten Ladentüren der oberfränkischen Apotheken zu. Die Aktion richtete sich gegen die Vergütungspolitik der Krankenkassen.
Viktoria Komlowski und Manfred Wende sind irritiert, dass der Weg in die Apotheke versperrt ist. Von Apotheker Hans Peter Hubmann und seiner Mitarbeiterin Bettina Schubert lassen sie sich den Grund für die Protestaktion erklären. Foto: Katrin Geyer


Die Kundin ist irritiert. "Ist heute nicht offen?", fragt sie und mustert skeptisch das rot-weiße Plastikband, das den Zugang zur Apotheke im "fritz-Einkaufszentrum" versperrt. Apotheker Hans-Peter Hubmann beruhigt: "Natürlich bekommen Sie Ihr Medikament. Aber wir protestieren heute gegen die Abrechnungspraxis der Krankenkassen."

Unzählige Male haben Hubmann und seine Mitarbeiterinnen am Freitag Vormittag diesen Satz gesagt, wieder und wieder erklärt, was es auf sich hat mit dem "Apotheker-Streik", der natürlich kein Streik ist, sondern eine Protestaktion.

Eine, die breit angelegt ist: Bis zum frühen Nachmittag haben die Apotheken in den Landkreisen Kulmbach, Kronach, Lichtenfels, Coburg und Wunsiedel ihre Kunden nur eingeschränkt bedient. Im "fritz" verstellen ein Biertisch und das Plastikband den Eingang.

Die Tür der "Sonnenapotheke" in der Albert-Ruckdeschel-Straße ist komplett blockiert, die Mitarbeiterinnen halten vor dem Gebäude die Stellung. In der Unteren Apotheke am Marktplatz steht nur ein Bedienplatz zur Verfügung. In der Oberen Apotheke gibt's den Service gar nur durchs Notfall-Fensterchen.Überall liegen Flyer und Unterschriftenlisten aus, auf denen sich die Kunden bereitwillig eintragen.

"Wir wollen die Politik der Krankenkassen nicht mehr länger hinnehmen", sagt Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes und fordert "Vergütungsgerechtigkeit". Thomas Metz, der Pressesprecher des Verbandes, präsentiert bei einem Pressegespräch aus Anlass der Protestaktion Zahlen: Deutschlandweit hat sich zwischen 2008 und 2012 die Zahl der Apotheken um 592 verringert, sagt er. In Bayern seien in diesem Zeitraum 79 Apotheken geschlossen worden - "davon allein 71 in den letzten beiden Jahren". Noch drastischer stelle sich die Situation in Oberfranken dar. 337 Apotheken hat es hier im Jahr 2009 gegeben, immerhin noch 323 im Jahr 2011. 316 sind es zur Zeit.

Lange Wege, weniger Jobs

Die Folgen bekämen vor allem die Menschen in der Region zu spüren: "Lange Wege, vor allem dann, wenn der Not- und Nachtdienst benötigt wird." Und: "140 Arbeitsplätze weniger, die meisten davon für Frauen und Teilzeitbeschäftigte."

Für die beiden Vertreter der bayerischen Apotheken ist die Ursache dafür, dass so viele Apotheker aufgeben oder keinen Nachfolger mehr finden, eindeutig. "Die gesetzlichen Krankenkassen bürden den Apotheken seit Jahren immer mehr bürokratische Frondienste auf", sagt Hubmann. Rund fünf Millionen Datensätze hat eine moderne Apotheke zu verwalten - Zeit, die letztlich fürs Kundengespräch fehlt.

Was die Apotheker freilich am meisten ärgert, das ist die von Hubmann als "Zwangsrabatt" bezeichnete Abgabe. Die schmälert das Einkommen der Apotheker beträchtlich. Aktuell erhalten Apotheken bei der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln jeweils 8,10 Euro. Dazu kommen drei Prozent des Einkaufspreises. Ist der Patient gesetzlich krankenversichert, muss der Apotheker allerdings einen Abschlag an die Krankenkasse errichten.
Dieser Abschlag, so erläutert Hubmann, habe bis 2010 1,75 Euro je verkauftem Arzneimittel betragen. Für die Jahre 2011 und 2012 sei der Betrag auf 2,05 Euro angehoben worden, angesichts knapper Kassen bei den Versicherern ausdrücklich als "einmaliges Sonderopfer der Apotheken" deklariert.

In der Praxis bedeute das Einkommenseinbußen für die Apotheker. Immerhin seien in den letzten Jahren unter anderem Personal- und Energiekosten gestiegen. "Unser Einkommen ist damit heute immer noch auf dem Stand von 2004."

Für "Vergütungsgerechtigkeit"

Was ihn dabei besonders ärgert: "Allein im Jahr 2011 haben die Kassen 9,3 Milliarden Euro für Verwaltungskosten ausgegeben. Das sind 5,2 Prozent ihrer Gesamtausgaben. Der Anteil für alle 21.000 deutschen Apotheken an den Gesamtausgaben betrug dagegen nur 2,3 Prozent."

Dagegen wollen sich die Apotheker nun wehren. Ihnen gehe es nicht um "Mehr", sagt Hubmann, vielmehr um eine Rückkehr zum alten Abschlag - eben um "Vergütungsgerechtigkeit". Im eigenen Interesse, aber auch im Interesse ihrer Mitarbeiter - und vor allem ihrer Kunden.

"Wir sind am Anfang einer Welle", sagen Hubmann und Pressesprecher Metz. Sie rechnen mit weiteren Apothekenschließungen, weil angesichts der aktuellen Situation sicherlich viele Berufskollegen, die kurz vor dem Ruhestand stehen, keinen Nachfolger finden werden. "Vor allem auf dem Land wird das spürbare Folgen haben."