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AOK-Abrechnungsbetrug: Rentner aus Kulmbach veurteilt


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Dienstag, 24. Januar 2017

Ein Kulmbacher ist wegen Betrugs verurteilt worden. Er soll die AOK getäuscht haben, indem er sich Fitnesskurse bezuschussen ließ. Ein Fall von vielen...
Dumm gelaufen: Einem Rentner aus dem Kreis Kulmbach kam der Besuch von AOK-Gesundheitskursen nachträglich teuer zu stehen. Foto: Pedersen/dpa


So richtig verstehen konnte der ältere Herr nicht, was sich kurz zuvor im Verhandlungssaal des Bayreuther Amtsgerichts zugetragen hatte: Der Rentner war soeben von Richter Torsten Meyer wegen Betrugs zu einer Geldstrafe in Höhe von 1600 Euro verurteilt worden. Der Angeklagte soll seine Krankenkasse, die AOK Bayern, mehrfach betrogen haben, indem er Zuschüsse für Fitness-Kurse beantragte, die ihn aber keinen Cent extra gekostet hatten. Der Studiobetreiber wiederum scheint durch seine Praxis der Teilnahmebestätigung die Gebühren für die Prävention mit Mitgliedsbeiträgen verrechnet zu haben, was auch nicht erlaubt ist.

Den Inhaber des Kulmbacher Studios, gegen den ebenfalls wegen Betrugsverdacht ermittelt wird, machte der über 70-Jährige für die ganze Misere verantwortlich. "Er hat mir doch die Teilnahmebestätigung ausgefüllt und damit festgestellt, dass alles korrekt gelaufen ist. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, ich habe nie betrogen", echauffierte sich der Verurteilte. Insgesamt acht der besagten Bestätigungen reichte er zwischen 2008 und 2013 bei der AOK ein, um sich die Zuschüsse über je 75 Euro zu holen. Die Krux: Die Gebühr über 99 Euro pro Gesundheitskurs, an der sich der Zuschuss orientiert, hatte er nie bezahlt.


"Astreiner Betrug"

"Und das wussten Sie doch genau", entgegnete Staatsanwalt Matthias Eichelsdörfer. Der Angeklagte sei sich bewusst gewesen, dass die Bescheinigung des Studios objektiv falsch war. "Trotzdem haben Sie die Vorlagen immer wieder eingereicht. Insofern haben Sie die Krankenkasse wiederholt über das vermeintlich korrekte Abrechnungsprozedere getäuscht. Ansonsten wären die Zuschüsse doch nie geflossen." Dieses Vorgehen sei zweifelsfrei als "astreiner Betrug" zu werten. Es habe die Einstellung geherrscht, man könne die AOK ja "bescheißen", die hätte es ja. "Aber genau genommen schädigt jemand wie Sie alle Versicherten, sprich die Allgemeinheit."

Richter Meyer folgte vollumfänglich der Argumentation des Staatsanwalts und auch dem geforderten Strafmaß. Der Angeklagte könne sich eben nicht auf die falsche Teilnahmebestätigung berufen und die Schuld von sich schieben. Meyer räumte ein, dass die Taten des Rentners kein Betrug im großen und ausgeklügelten Stil seien. Begünstigt habe die Vergehen sicher auch die undurchsichtige Praxis im Fitness-Studio. "Das entschuldigt aber doch nicht denjenigen, der sich zu Unrecht mit den Zuschüssen bereichert hat. Wo bitte ist denn da die Logik?"


Freispruch gefordert

Genau auf diesen Punkt zielte Rechtsanwalt Alexander Schmidtgall in seinem Plädoyer ab. Er hatte für seinen Mandanten Freispruch gefordert, eben weil er die Verantwortlichen des Fitness-Studios in der Pflicht sieht, korrekte Angaben auf den offiziellen Bestätigungen zu machen. "Welcher Versicherte fragt denn vorher bei seiner Kasse nach, ob er sich mit seinem vom Vertragspartner offiziell bestätigten Antrag auf Erstattung eventuell strafbar macht?"

Darauf konnte ihm auch der einzige Zeuge des vierten Verhandlungstags, ein Sachbearbeiter der AOK aus Bayreuth, keine befriedigende Antwort geben. Der 57-Jährige ist zuständig für die Verfolgung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Erste Hinweise darauf, dass offenbar systematisch Zuschüsse unter fragwürdigen Voraussetzungen bezahlt wurden, hätten sich 2013 ergeben. "Eine Mitarbeiterin bat die Mutter eines Versicherten um einen Zahlungsbeleg als Bestätigung. Als auf dem nachgereichten Überweisungsträger dann aber die Mitgliedsgebühr für das Fitness-Studio ausgewiesen wurde, ist man bei uns hellhörig geworden."

Man kam schnell drauf, so der Zeuge, "dass die Quersubventionierung von Beiträgen und Zuschüssen offenbar gängiges Geschäftsmodell in dem Kulmbacher Studio war". Dabei hatte sich der Studio-Inhaber als Kooperationspartner der Kasse vertraglich verpflichtet, beides sauber zu trennen. Der Sachbearbeiter sagte, es gebe Hinweise auf diese Art des Abrechnungsbetrugs noch in einer anderen Trainingseinrichtung in Kulmbach; es fehlten aber noch handfeste Belege. Auch in anderen Städten Bayerns spüre die AOK ähnlichen Betrugsdelikten bei Präventionskursen nach.