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Anton Nagel war kleinen Schätzen auf der Spur


Autor: Siegfried Sesselmann

Stadtsteinach, Freitag, 09. Sept. 2016

Ohne Anton Nagel gäbe es das Stadtsteinacher Heimatmuseum nicht. Die Einrichtung war sein Lebenswerk.
Der unermüdliche Heimatforscher Anton Nagel (1925 bis 1999), der sein Lebenswerk mit dem Heimatmuseum gegenüber der Kirche verwirklichte. Foto: privat


Wenn man in Stadtsteinach von Kulmbach kommend zum Marktplatz hochfährt, steht linker Hand das Heimatmuseum. Wenn man den Vorraum betritt, hängt - wachend über sein Lebenswerk - ein Bildnis von Anton Nagel.
Die Vorfahren von Anton Nagel kamen aus Vogtendorf. 1899 zog der Schneidermeister und Nachtwächter Andreas Nagel (1871 bis 1960) nach Stadtsteinach in den Burggraben 1. Dessen Sohn Andreas Nagel (1901 bis 1982) war Bäcker und wohnte mit seiner Frau Barbara, eine geborene Günther aus der Alten Pressecker Straße 7, im Hotel Kette. Dort kam am 15. Februar 1925 Anton Nagel zur Welt, als "waschechter Stanicher", wie er immer gerne betonte.

Nach dem Besuch der Volksschule begann er eine Lehre als Möbelschreiner bei Hermann Mayer in der 1926 erbauten Schreinerei in der Alten Pressecker Straße 22, die manchem noch als Schreinerei Kaiser in Erinnerung ist.




Panzerfunker an der Ostfront


Schon in dieser Zeit streifte Nagel gerne auf der Grünbürg oder auf der Nordeck umher, um Schätze zu finden. Er war eifrig und unbeirrbar dabei, sich in die Geschichte seiner Heimat einzuarbeiten. Als er 1942 als Bester seine Gesellenprüfung abschloss, begann ein Abschnitt, der sein Leben für immer beeinflussen sollte.

Anton Nagel meldete sich im gleichen Jahr als Kriegsfreiwilliger. Als Panzerfunker landete er an der Ostfront. Auf dem Rückzug vor den herannahenden russischen Divisionen geriet er am 13. Mai 1945 bei Prag in russische Gefangenschaft. Fünf Jahre sollte er in 39 Arbeitslagern alle Strapazen durchleben. Aber er besaß Energie und einen unbändigen Willen zu überleben.


Abgemagert aus dem Krieg zurück


So kehrte er im Januar 1950, kaum wiederzuerkennen, abgemagert und traumatisiert in sein Heimatstädtchen zurück. Er musste seine Erlebnisse auf 230 Buchseiten niederschreiben, um diese Zeit zu verarbeiten.

Sofort kehrte Anton Nagel wieder in seinen gelernten Beruf zurück und begann bei der Firma Karl Bauerschmidt, Hausname Birklein, in der Bahnhofstraße 20, die später in Nordeck-Holz umbenannt wurde. Als diese 1963 schloss, wechselte der vielseitig handwerklich begabte Anton Nagel als Wiegemeister zur Firma Hans Weiß nach Kulmbach. Als 1973 die Kreissonderschule in das Gebäude der AOK in der Alten Pressecker Straße 25 einzog, stand Nagel als Hausmeister bereit.


Eine Idealbesetzung


Er war nicht nur die Idealbesetzung, der liebevoll "mit seinen Kindern" umging, er wohnte direkt daneben. Kurz nachdem die Sonderschule 1986 aufgelöst wurde, begann für ihn das Rentnerdasein und er konnte für alle seine Vereine seine ganze Energie einbringen. Doch die Hauptrolle sollte sein Lebenswerk, sein Heimatmuseum spielen.

Als Anton Nagel 1954 Margareta Hanft (seine Amons Gretl) heiratete, wusste sie, dass sie ihren Anton mit vielen Vereinen teilen musste. Sie stand fest hinter ihm. Wo immer Vereine gegründet werden sollten, stand er als Gründungsmitglied bereit. Ob Heimkehrerverband, Luftsportvereinigung, Krieger- und Veteranenverein, Briefmarkenfreunde, Historikerverein, CHW, Kolpingfamilie oder Musikverein - der bekennende Christ war bereit, sein ständig wachsendes Wissen um die Geschichte der Stadt einzubringen.

Seit seiner Kindheit sammelten sich bei Anton Nagel Funde, Sammlerstücke, Bilder, uralte Werkzeuge, Modelle und vieles mehr, was dafür bestimmt war, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Zuerst war Nagel, dem viele Stadtsteinacher gerne Nachlässe und Auflösungen brachten, froh, in der alten Fahrradwerkstatt von Carl Klöthe hinter dem heutigen Rathaus einen Platz dafür gefunden zu haben.


Sammethaus stand Verkehr im Weg


Doch Material häufte sich bei ihm zu Hause. Nun fasste man das alte Schulhaus an der Staffel 2 ins Visier. Seit 1973 befand sich ein naturhistorisches Museum von Albert Klein im Gebäude, nun sollte nach vier Jahren die Sammlung von Nagel platziert werden. In mehreren Zimmern konnten nun auch die Modelle und handwerkliche Ecken, wie Schuster oder Gerber, neben Rahmen mit Fotos besser dargestellt werden.

Als 1975 die Bundesstraßenverwaltung das Sammethaus in der Kulmbacher Straße, das den Namen seines Bewohners Georg Sammet (1876 bis 1947) erhielt, abreißen wollte, um die Engstelle zum Marktplatz zu beseitigen, ergriff die Stadt die Initiative. Zehn Jahre später kaufte sie dieses historische Fachwerkhaus.


Tag und Nacht im Kämmerlein


Der beharrliche Wille Anton Nagels und die Verbundenheit zum damaligen Bürgermeister Werner Döll führten zum Ziel. Seit 1989 standen neben dem Felsenkeller zwei komplette Stockwerke und ein Dachgeschoss zur Verfügung. Für Nagel war der wichtigste Schritt getan, aber nun musste er alle Ausstellungsstücke für die Besucher fachmännisch "aufmachen".

Der Schreiner aus Berufung fertigte alle Ausstellungsrahmen selbst an und passte sie haargenau ein, um jeden Winkel im Haus zu nutzen. Anton Nagel saß Tag und Nacht in seinem Kämmerlein ganz oben im Sammethaus und schrieb ungezählte Streifen und Kärtchen - alle mit gelben Hintergrund und alle mit einer gestochen schönen Handschrift. Wenn jemand bei seiner Gretel nach ihm fragte, kam immer die gleiche Auskunft: "Wo wird er denn scho sa?"


Modell der Nordeck gebaut


Jetzt hatte sein Modell der Nordeck Platz, die Meisterleistung eines Einzelnen, der unermüdlich änderte, verbesserte und neue Informationen einarbeitete. Seine Führungen in seinem Museum waren begehrt, Nagel konnte stundenlang erzählen. Auch seine Vorträge zum Kirchenbrand oder zur Ruine Nordeck zogen Gäste an. Seine Frau Gretel war stets dabei und zeigte bei allen Veranstaltungen, dass auch sie stolz auf ihren Anton sein konnte.
Für sein Lebenswerk würdigte die Stadt Stadtsteinach Anton Nagel mit der Bürgermedaille. Bis kurz vor seinem Tod am 7. August 1999 vergaß er nie, die Stadt und die Vereine daran zu erinnern, dass man rechtzeitig mit den Planungen für die 850-Jahr-Feier der Stadt beginnen sollte. Auch hier war er der Motor. Doch leider konnte der Heimatforscher Anton Nagel dies nicht mehr erleben.

So grüßt Anton Nagel die Besucher, die sonntags von 14 bis 17 Uhr sein Heimatmuseum besichtigen. Im Eingangsbereich beim Modell der Stadt um 1700, das er einst in akribischer Kleinarbeit erstellte, hängt sein Foto mit einem zufriedenen Schmunzeln, wie man ihn kannte.