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Amtsgericht Kulmbach: Zeugin rennt weinend davon


Autor: Stephan-Herbert Fuchs

Kulmbach, Freitag, 10. April 2015

Sekundenschlaf: Führerschein weg, Auto kaputt und hoher Sachschaden. Dass Fahren im Zustand der Übermüdung ein Straftatbestand ist, erfuhr ein 24-Jähriger Soldat. Auch seine Ex-Freundin kam ins Spiel.
Weil er am Steuer eingeschlafen war, verursachte ein 24-jähriger Bundeswehrsoldat auf der Autobahn einen Unfall. Deshalb stand er nun vor Gericht. Seine Freundin sorgte für einen Eklat: Sie rannte weinend aus dem Gerichtssaal, bevor ihre Zeugenaussage beendet war. Foto: privat


Er ist der Alptraum eines jeden Autofahrers: der Sekundenschlaf am Steuer. Einem 24-jährigen Bundeswehrsoldaten aus dem Landkreis Tirschenreuth ist genau das passiert. Am 23. September gegen 22 Uhr nickte er kurz ein und schrammte an der Leitplanke auf der Bundesautobahn A 70 zwischen Thurnau und Neudrossenfeld 150 Meter entlang, ehe sein Fahrzeug zum Stehen kam. Passiert ist zum Glück nichts weiter. Lediglich an der Leitplanke entstand ein Sachschaden von knapp 2300 Euro. Für das Auto musste ein Totalschaden verzeichnet werden.

Dienstrechtliche Konsequenzen

Glück im Unglück, könnte man meinen. Doch ganz so einfach war die juristische Aufarbeitung vor dem Kulmbacher Amtsgericht dann doch nicht. Der Grund: Fahren im Zustand der Übermüdung ist ein Straftatbestand. Außerdem ist beim Sekundenschlaf der Führerschein erst einmal weg, und das könnte für einen Berufssoldaten durchaus auch dienstrechtliche Konsequenzen haben.

Zusammen mit seinem Verteidiger Oliver Gerhards aus Bayreuth hatte sich der Angeklagte deshalb die Strategie zurecht gelegt, dass er während der Fahrt telefoniert und im Internet gesurft habe. Das nämlich wäre "nur" eine Ordnungswidrigkeit mit ganz anderen Auswirkungen auf die Strafe und den Führerscheinentzug.

Nach mehreren Stunden Verhandlung und der Einvernahme zahlreicher Zeugen stand für Richterin Sieglinde Tettmann allerdings fest: Ursache für den Unfall war die Übermüdung des Angeklagten. "Das Gericht ist ohne jeden vernünftigen Zweifel der Überzeugung, dass der Angeklagte kurz weggenickt ist", sagte Tettmann.

Sie stützte ihre Überzeugung vor allem auf die Aussage von drei Polizeibeamten, die an jenem Abend zur Unfallaufnahme vor Ort waren. Allen drei Beamten hatte der Angeklagte gegenüber geäußert, dass er kurz eingeschlafen sei. Einer der Polizisten hatte sogar das Telefonat mitgehört, das der Angeklagte mit seiner Mutter geführt hat. Auch hier hatte er unmissverständlich geäußert, dass er am Steuer eingeschlafen sei.

Verteidiger Gerhards wollte dies später alles nicht gelten lassen - zum einen, weil der Polizist unbefugt fremde Telefonate mitgehört habe; zum anderen, weil sein Mandant vor Ort angeblich nicht ordnungsgemäß über seine Rechte als Beschuldigter belehrt worden sei.

Telefonat mitgeschnitten

Dabei gab es noch weitere Beweise für den Sekundenschlaf. So lag der Mitschnitt des Telefonats vor, mit dem der Angeklagte die Polizei verständigt hatte. Ohne überhaupt gefragt zu werden, sagte der Angeklagte dabei, dass er einen Sekundenschlaf gehabt habe. Diese Aussage war eindeutig, da sollte es auch nichts nützen, das Telefonat im Gerichtssaal ein zweites und ein drittes Mal vorzuspielen.

Abgerundet wurden diese Aussagen schließlich von einem Kfz-Sachverständigen der Dekra. Der Ingenieur hatte anhand von Spuren und Fotos den Unfallverlauf genau konstruiert und festgestellt, dass der Aufprallwinkel und das Entlangschrammen an der Leitplanke sehr wohl mit einem Sekundenschlaf in Einklang gebracht werden können.

Sorgerechtsstreit

Nichts zur Sache tat dagegen ein Nebenkriegsschauplatz, den der Angeklagte und sein Verteidiger immer wieder ins Spiel bringen wollten. Der 24-Jährige hatte nämlich kurz vor dem Unfall noch mit seiner Ex-Freundin telefoniert. Zwischen den beiden schwelt "ein langer und tiefer Konflikt", wie es Richterin Tettmann später ausdrückte. Bei dem Telefonat war es um einen Sorgerechtsstreit wegen der gemeinsamen Tochter gegangen. Auch der Frau gegenüber soll der Angeklagte geäußert haben, dass er schon ziemlich müde sei, was er noch zu Beginn der Verhandlung triumphierend als Lüge abgetan hatte. Die Aussage war allerdings eindeutig, auch, dass der Angeklagte sie vor der Verhandlung angeblich noch zu einer Falschaussage bewegen wollte. Als Verteidiger Gerhards dann in der gemeinsamen Vergangenheit der beiden zu stöbern begann, kam es zum Eklat: Die junge Frau rannte weinend aus dem Saal, ehe Richterin Tettmann die Vernehmung der Frau kurzerhand beendete.

Verurteilt wurde der Angeklagte am Ende wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu 60 Tagessätzen zu jeweils 40 Euro (2400 Euro). Außerdem wird dem Mann der Führerschein entzogen, vor dem Ablauf weiterer drei Monate darf er keine neue Fahrerlaubnis beantragen. Der 24-Jährige bleibt schließlich auch auf den Kosten des Verfahrens sitzen.

Das Urteil entsprach genau der Forderung der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Oliver Gerhards hatte zuvor auf Freispruch plädiert.