Altenpflege in Schutzmontur: "Man fühlt sich wie in einer Plastiktüte"
Autor: Jürgen Gärtner
Kulmbach, Freitag, 05. Februar 2021
Vier Kulmbacher Frauen erzählen von den Herausforderungen in ihrem Job als Altenpflegerin.
An das Arbeiten in voller Schutzmontur haben sie sich mittlerweile gewöhnt. An das Gefühl, wie in einer großen Plastiktüte zu stecken, wenn sie die Wohnungen von Quarantäne-Patienten betreten. Auch an das Tragen der Masken in den warmen Räumen und Bädern, wo sie die alten Menschen waschen und pflegen. An das Gefühl, durch die FFP2-Masken bei ihrer manchmal körperlich anstrengenden Arbeit nur schwer Luft zu bekommen. Drei Mitarbeiterinnen des ambulanten Pflegedienstes Jürgen Vierthaler - Silvia Hempfling, Diana Burkhardt und Miriam Klatt - sowie Pflegedienstleiterin Anja Vierthaler berichten aus ihrem Alltag.
Dabei geht es nicht nur um die Arbeit am und mit den Menschen, sondern auch um Verwaltung, Materialkosten und die Sorge vor einer Infektion mit dem Coronavirus.
Masken als Normalität
Die größte Umstellung war für die Altenpflegerinnen - wie für die meisten Menschen wohl auch - das Tragen der Schutzmasken. "Doch das ist inzwischen zur Normalität geworden", sagt Miriam Klatt. Anfangs habe es hin und wieder Diskussionen mit Pflegebedürftigen gegeben, die ihren Mund-Nase-Schutz nicht aufsetzen wollten, weil sie die Wohnung schon länger nicht mehr verlassen hatten. Doch diese Diskussionen gehören der Vergangenheit an.
Dafür, so haben die Pflegerinnen festgestellt, fehlt im Umgang mit den Patienten die Mimik, die durch die Maske verdeckt wird. "Bei neuen Patienten habe ich gemerkt, dass sie dankbar sind, wenn du ihnen mal das Gesicht zeigst", sagt Miriam Klatt. Natürlich immer unter Beachtung aller Sicherheitsbestimmungen.
Hier spielen auch soziale Aspekte eine wichtige Rolle. "Viele unserer Patienten sehen nur noch uns, weil sich die Angehörigen zurückgezogen haben", erklärt Silvia Hempfling. Nur bei Corona-Fällen und bei Personen, die unter Quarantäne stehen, ist das Tragen der vollen Schutzausrüstung erforderlich. Die Besuche werden nach Möglichkeit auf das Ende einer Tour gelegt. "Danach möchtest du gleich duschen", ergänzt Diana Burkhardt.
"Einen positiven Fall hatten wir bisher aber noch nicht", erzählt Silvia Hempfling. Weder in der Belegschaft, noch unter den Patienten. Damit das auch so bleibt, habe die Frauen ihre privaten Kontakte so weit wie möglich reduziert, erzählen sie.
Ihre größte Sorge ist es, das Virus weiterzutragen zu ihren anvertrauten Patienten. Das will keine von ihnen. Besondere Angst, sich selbst anzustecken, haben sie angesichts der Sicherheitsvorkehrungen und Schutzmaßnahmen nicht. "Wir sind gut ausgestattet." Dazu kommt die Eigenverantwortung. "Aus dem Betrieb ist letztes Jahr niemand im Urlaub verreist", sagt Pflegedienstleiterin Anja Vierthaler, die ebenso wie ihr Mann und die zwölf Mitarbeiter im Pflegeeinsatz sind.
Und das ist etwas, was sie von anderen Einrichtungen unterscheidet. "So verstehen sie, was bei den Leuten los ist", lobt Silvia Hempfling Chef und Chefin und empfiehlt das auch anderen Betrieben. "Die Geschäftsführer sollten mal mitarbeiten." Um so am eigenen Leib zu erfahren, wo es hakt.
Auch der Informationsfluss, welche Auflagen und Vorgaben es gibt, funktioniere deshalb bestens. Ob das überall so ist, da hat Silvia Hempfling ihre Zweifel: "Ich bin von Mitarbeitern einer anderen Sozialstation gefragt worden, wie man mit Corona-Positiven oder Leuten in Quarantäne umzugehen hat." Da sei sie erst einmal sprachlos gewesen. "Das gibt es doch nicht, dass man das nach dieser Zeit nicht weiß." Es gebe ausreichend Richtlinien und Leitfäden, die müssten halt weitergegeben werden.
Wo hakt es?
Wo hakt es eigentlich beim Pflegedienst Vierthaler? Das ist die Versorgung mit Arbeitsmaterial wie Handschuhe, Desinfektionsmittel, Masken, Covid-Montur (Anzüge, Schutzbrille). Es ist laut Anja Vierthaler nicht nur das Bestellen, das Zeit und Nerven koste, sondern es sind auch die Preise, die der mittelständische Betrieb dafür zahlen muss. "Die Großen kriegen andere Preise." Als Beispiel nennt sie eine 100er-Packung Handschuhe. Die kostete vor Corona 5 Euro, inzwischen muss sie 14 Euro dafür berappen. "Die Großen bekommen sie für 8."
Hier würde sich Anja Vierthaler eine Kooperation mit einem der großen Verbände wünschen oder dass der Staat regulierend eingreift. Ansonsten ist sie mit der Unterstützung durch die Regierung für Mehraufwand und Mindereinnahmen zufrieden. Die ist nötig, denn die Touren ihrer Mitarbeiter könnten nicht ausgelastet werden. Als Sicherheitspuffer. "Man weiß ja nie, was noch kommt."
Drei Mal pro Woche werden die Mitarbeiter auf Corona getestet - immer während der Dienstzeit. "Ich kann nicht von meinen Angestellten erwarten, dass sie in ihrer wenigen Freizeit deswegen hier reinkommen", so Anja Vierthaler.
Etwas Gutes können die Altenpflegerinnen der Corona-Krise sogar abgewinnen: Durch die vielen Home-Office-Arbeiter sei kaum Autoverkehr bei ihren Touren. "Es ist ein Traum, wie wenig auf den Straßen los ist", sagt Miriam Klatt.