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Alte Viehwaage soll schon bald wieder aufleben


Autor: Dieter Hübner

Trebgast, Donnerstag, 25. März 2021

Dank hoher Zuschüsse plant man in Trebgast, die historische Waage im Ortsteil Michelsreuth herrichten zu lassen.
In dieser kleinen Hütte, die der Großvater von Rudolf Dippold mit gebaut hat, ist noch heute die alte Viehwaage der früheren Michelsreuther Landwirte untergebracht.


Rudolf Dippold hat schon länger eine Vision. Er will der alten Viehwaage, die früher von den Bauern im Ortsteil Michelsreuth genutzt wurde, neues Leben einhauchen und sie wieder aktivieren. Jetzt ist er diesem Ziel einen großen Schritt näher gekommen: Die Integrierte Ländliche Entwicklung Fränkisches Markgrafen- und Bischofsland (ILE) hat ihre finanzielle Unterstützung bei der Realisierung dieses Vorhabens zugesagt.

Rückblick: Bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts gab es fast in jedem Dorf noch eine Viehwaage. Dann sind sie nach und nach aus dem Ortsbild verschwunden, wurden abgebaut und wohl zum größten Teil verschrottet. Sie waren einst regelmäßiger Umschlagplatz für Geschäfte zwischen Landwirt und Viehhändler. Auf den ersten Blick zwei ungleiche Partner. Aber eben auch nur auf den ersten.

Zwar waren Viehhändler ein besonderer Schlag Menschen und mit allen Wassern gewaschen. Doch auch so mancher Landwirt hatte es faustdick hinter den Ohren, man denke nur an die auch heute noch oft zitierte "Bauernschläue".

Alter wird auf 100 Jahre geschätzt

Eine der wenigen im Landkreis noch erhaltenen Waagen steht am Ende des Trebgaster Ortsteils Michelsreuth. Sie gehörte den örtlichen Bauern und ist noch heute in einer kleinen Holzhütte mit einem giebelseitigen Zu- und Ausgang untergebracht. "Mein Großvater war dabei, als die Bauern damals in einer Nacht- und Nebelaktion in den Staatswald (der Wald, der jedem gehört) gingen, und sich das Holz besorgt haben", weiß Rudolf Dippold.

Das Holz haben die Bauern sägen lassen und dann zusammengezimmert. Die Balken wurden mit der Hand rausgehauen. Damit wurde die Hütte praktisch "mit öffentlichen Mitteln" gebaut und dürfte etwa 100 Jahre alt sein. Die Ziegel kamen aus der Himmelkroner Ziegelei.

Lautstarke Verhandlungen

Die Verhandlungen zwischen den Bauern und dem Viehhändler wurden - mitunter auch sehr laut - auf der Straße geführt. Festgelegt wurde dabei nicht der Preis für das ganze Vieh, sondern der Kilopreis, dann wurde das Vieh gewogen. Dazu hatte die Waage vorne und hinten zum Öffnen eine Klappe. Damit wurde das Vieh ruhiggestellt. Damit es nicht ausrutschte, sind am Boden und an den Klappen Latten aufgenagelt. Wenn die Waage durch hin- und herschieben der Gewichte im Lot, und damit das Gewicht ermittelt war, wurde ein Pappstreifen eingeschoben. Auf Druck wurde das Gewicht aufgedruckt. Das war das Dokument, nach dem bezahlt wurde. Der Viehhändler hatte das Geld immer in der Tasche.

Bis der Kauf/Verkauf per Handschlag besiegelt wurde, gab es auch oft Streitereien. "Als kleiner Bub war ich oft irritiert, weil sie sich so anschrien. Aber das hat offensichtlich dazugehört", erinnert sich Dippold heute noch.

Geschäfte werden dort längst nicht mehr abgeschlossen. Dippold ist in Michelsreuth der einzige noch verbliebene Landwirt. Und das auch nur noch im Nebenerwerb. "Heute wird das Vieh vom Schlachthof abgeholt und das Geld wird überwiesen." Das Häuschen, das am Straßenrand auf Gemeindegrund steht, ist mittlerweile baufällig, das Fundament rutscht langsam in die Wiese weg. Die Tür ist vollkommen vernagelt, so dass normalerweise kein Blick ins Innere möglich ist.

Die Schwiegermutter ist kostenlos

Aber die Michelsreuther wollen das "Herzstück", die Waage, erhalten. Rudolf Dippold ließ uns bereits im Frühjahr letzten Jahres einen Blick auf die Waage werfen. "Sie ist ja soweit noch in Ordnung, es hat ja nicht reingeregnet. Die Waage ist heute noch verplombt und mit Eichstempeln versehen. Auch ein Senkblei ist noch da. Die Wiegeskala zeigt von Null bis 1000 Kilogramm (1 Tonne). Stehengeblieben ist sie bei 16 Zentner. Dieses Gewicht entspricht in etwa dem eines schweren Bullen. Für Rinder war die Hütte ausreichend, für ein Pferd wäre sie etwas zu niedrig gewesen", erklärt er.

Dippold hat auch schon eine Idee. "Entrosten und ölen, dann lassen sich die Gewichte wieder schieben", ist er überzeugt. "Wir können uns gut vorstellen, sie sogar wieder in Gang zu bringen, und als ‚Spaßwaage‘ zu betreiben. Zum Beispiel bei einem Fest rund um das Waag-Häusla, mit dem wir die Palette der gemeindlichen Veranstaltungen ergänzen könnten. Das Wiegen der Schwiegermutter ist dann kostenlos."

"Eine neue Hütte könnte etwas verlängert werden, um eine Bank mit aufzustellen. Für die Schulkinder, die dort auf den Schulbus warten. Und für die vielen Spaziergänger, die hier vorbeikommen. An einer Tafel könnte eventuell eine Wanderkarte angebracht werden, denn am Ortsrand geht ja der ‚Fränkische Markgrafen- und Bischofsweg‘ vorbei, der von Bayreuth nach Himmelkron führt", fügt er gleich noch hinzu. "Die Gemeinde müsste halt aktiv werden."

Maximal 10 000 Euro

Zum Jahresanfang hat die Gemeinde den Ball aufgenommen. "Wir verstehen und unterstützen das Anliegen der Michelsreuther Einwohner und werden uns darum kümmern", versprach Bürgermeister Herwig Neumann. Am 25. Januar beschloss der Gemeinderat, das Projekt "Renovierung und Sanierung einer alten Holzscheune für die Lagerung einer ehemaligen Viehwaage im Ortsteil Michelsreuth" beim Regionalfonds anzumelden, den die ILE zusammen mit dem Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken aufgelegt hat. Damit können Kleinprojekte der ILE-Mitgliedsgemeinden mit 80 Prozent der anfallenden Kosten, maximal jedoch mit 10 000 Euro, bezuschusst werden.

Heu und Kartoffeln, Kohlen und Grubenholz

In den Viehwaagen wurde früher nicht nur Vieh gewogen, erfahren wir von Heinz Sahr (86). Auf der Trebgaster Waage, die in der Ortsmitte neben der Brücke über die Trebgast stand, wurde während des letzten Krieges auch Heu gewogen, das die Bauern hier abliefern mussten. Ein Händler - der "Heu-Popp" aus Lindau - kaufte es auf. Danach wurde es mit der Bahn an die Wehrmacht verschickt, um die Pferde zu versorgen, die bei den deutschen Truppen in Einsatz waren. Heinz Sahr erinnert sich: "Einmal - zur Kerwa - mussten wir Jugendlichen rauf auf die Waggons und das Heu zusammentreten."

Nach dem Krieg hat er auch noch Kühe und Schweine durch das Dorf auf die Waage getrieben, die dann der "Schoof-Gerch" aus Neufang verladen hat. Später haben noch zwei örtliche Kohlenhändler die Waage genutzt. Aber auch Kartoffeln wurden gewogen und waggonweise nach Berlin verschickt. Und Grubenholz für den Bergbau. "Da war immer ein Mords Betrieb", erinnert sich Heinz Sahr heute noch.