Druckartikel: Als Arzt in einer anderen Welt

Als Arzt in einer anderen Welt


Autor: Katharina Müller-Sanke

Lindenberg, Montag, 12. Januar 2015

Der Lindenberger Arzt Eike Haessler hat für "German Doctors" sechs Monate in Bangladesch gearbeitet und dort viel Leid gesehen. Dank der Hilfsorganisation kann in dem armen Land wenigstens die ärztliche Versorgung gewährleistet werden.
Eike Haessler bei der Behandlung einer Patientin. Foto: privat


Er hat es aus Nächstenliebe getan, um den Ärmsten der Armen zu helfen, aus christlichen Motiven. Eike Haessler, Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirotherapie aus dem Kasendorfer Ortsteil Lindenberg, hat sechs Wochen freiwilligen Dienst bei den "German Doctors" geleistert. Für die Hilfsorganisation war er in Bangladesch eingesetzt.

Im Oktober ist er zurückgekehrt. Doch seine Eindrücke sind noch genauso frisch wie am ersten Tag. "Was ich dort gesehen und erlebt habe, das Leid vieler Menschen, das werde ich niemals vergessen", so Haessler.
In einem umfangreichen Blog hat er während der Zeit in Bangladesch über seine Erlebnisse und Eindrücke berichtet. Unterernährung sei ein sehr großes Problem in den Slums gewesen. "Ein Kind, das zu uns kam, wog mit viereinhalb Jahren gerade mal 8,2 Kilo", erinnert sich der Arzt. Mindestens das Doppelte wäre normal.

Das Kind war kein Einzelfall.

Armut, Depression, Überforderung und mangelnde Bildung gehören zu den vielfältigen Gründen für die Situation, betont Haessler. Zwei Ärzte, Schwestern, Übersetzer, Fahrer - die "German Doctors" haben eine richtige kleine Praxis in Bangladesch aufgebaut. Insgesamt acht Projekte in sechs Nationen werden von der Hilfsorganisation betreut. Anders als die fliegenden Ärzte gehen die Helfer extra nicht in Kriegsgebiete, sondern bauen ärztliche Versorgung dort auf, wo dauerhaft Armut herrscht.

Die "German Doctors" haben in Bangladesch auch eine Feeding Station eingerichtet, um unterernährte Kinder wieder aufzupäppeln. Dass Eike Haessler die Erlebnisse noch nicht losgelassen haben, spürt man deutlich, wenn er spricht. Vieles hat ihn persönlich sehr betroffen gemacht. Neben der Unterernährung hat Haessler vor allem das Thema Gewalt gegen Frauen beschäftigt. "Eine Frau mit gebrochener Hand, Unzählige mit blauen Flecken und unbestimmten Schmerzen: Das lässt keinen kalt", sagt der junge Arzt.

Dauerhafter Schutz unmöglich

Die "German Doctors" können zwar die Symptome behandeln, aber die Frauen nicht dauerhaft schützen. Zur Polizei zu gehen, ins Frauenhaus oder sonst Hilfe zu finden, wie es bei uns möglich ist, ist in Bangladesch nicht denkbar. "Im Gegenteil: Die stark unterernährte Frau und ihr Kind sind nicht ins Krankenhaus gegangen, sie sagte, sie müsse erst ihren Mann fragen."

Ein wichtiges Ziel der "German Doctors" ist die Aufklärung und damit die Prävention. Bei regelmäßigen Schulungen werde den Patienten das erklärt, was für uns selbstverständlich ist: Die Bedeutung des Händewaschens, der Umgang mit Wunden und Durchfall und die Ernährung eines Kindes. "Die Schulungen leisten einen wichtigen Beitrag, um Krankheiten vorzubeugen", betont Haessler.

Nicht nur die Überbevölkerung, auch die instabile politische Situation und häufige Naturkatastrophen machen dem Land und den Menschen zu schaffen. Doch Haessler kennt auch ein ganz anderes Gesicht von Bangladesch: "Viele Menschen sind unendlich hilfsbereit und sehr fleißig. Sie schuften oft für einen Hungerlohn. Vor allem bei Kindern fällt auf, wie neugierig auf aufgeschlossen sie sind", so der Mediziner, der "unendlich dankbar" zu seiner Familie nach Deutschland zurückgekehrt ist. "Vieles kann ich jetzt ganz anders schätzen."

Auch in seinem Glauben fühlt er sich bestärkt. In seinem Blog schreibt er: "Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich die Liebe, die ich durch Jesus Christus erfahre, ein bisschen weitergeben durfte. Nur so war es mir überhaupt möglich, all die vielen... zu ertragen und nicht zu verzweifeln."

Wiederholung schon beschlossen

Haessler will auf jeden Fall noch einmal mit den "German Doctors" losziehen. Er hofft, dass er damit dazu beitragen kann, die Welt wenigstens ein bisschen besser zu machen.