Abfallberater Detlef Zenk: "Vorsortieren ist immer sinnvoll"
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Dienstag, 18. März 2014
Auf Kunststoffe ganz verzichten geht nicht. Was aber passiert, wenn der Joghurt gegessen und die Limo in der PET-Flasche geleert ist? Abfallberater Detlef Zenk hat tief in den Gelben Sack geguckt. Im Video gibt Zenk nützliche Tipps zur Abfalltrennung.
Plastikfrei leben? "Schwer, eigentlich unmöglich." Das sagt einer, der von Berufs wegen mit Müll, seiner Trennung und Beseitigung zu tun hat: Detlef Zenk ist Abfallberater des Landkreises und als solcher Fachmann, wenn es um Sortenreinheit von Kunststoffen geht und die kommunale Müllentsorgung der Zukunft. Im Interview spricht er über das duale System, die schlechte Qualität von gelben Müllsäcken und die Vorzüge von Tetra-Pak.
Hand aufs Herz: Wie konsequent trennt der Privatmann Detlef Zenk zu Hause seinen Müll?
Detlef Zenk: Ich schaue schon genau hin. Und meine Kinder entwickeln beim Sortieren einen gewissen Ehrgeiz. Aber gerade was Verpackungsmüll angeht, fällt eine Unmenge an. Plastikfrei leben ist bei einer fünfköpfigen Familie so ganz ohne Einschränkung einfach nicht drin.
Der Kunststoff an sich überdauert die Produkte, die daraus entstanden, um Jahrhunderte. 1990 wurde bei uns das Duale System geboren, bekannt geworden durch den "grünen Punkt". Wie sehr hat er zur Abfallvermeidung und Rohstoffrückgewinnung beigetragen?
Das Duale System ist ja ursprünglich vor dem Hintergrund konzipiert worden, die Produktverantwortung der Hersteller zu wecken. Die Idee war eine gute: Wenn die Produzenten alles an Reststoffen selber einsammeln und verwerten müssen, werden sie ja wohl drauf schauen, dass die Sachen tauglich sind für die Wiederverwertung. Diese Hoffnung hat sich so nicht erfüllt. Das System ist mittlerweile vor allem ein Geschäft, das bundesweit von zehn Firmen betrieben wird.
Hat sich der Gelbe Sack bewährt?
Ich halte das System mit den gelben Säcken, wie es der Landkreis Kulmbach betreibt, für sehr gut. Die Säcke sind transparent und man sieht, was drin ist. Man kann uns Fremdstoffe also nicht so leicht unterjubeln. Ich muss aber auch sagen: Die Qualität der Säcke selber ist bisweilen eine Katastrophe. Da haben wir als Kommune aber leider keinen Einfluss drauf. Persönlich hielte ich auch eine gelbe Tonne für akzeptabel. Aber da sagen viele Bürger: Wohin denn mit noch einem Riesenbehälter?
Wäre es eine Überlegung wert, die Bürger den Verpackungsmüll an zentraler Stelle anliefern zu lassen?
Ich selber würde immer ein Holsystem bevorzugen. Wenn ich die Bürger den Wertstoffmüll bringen lasse wie etwa in Bayreuth, dann verlangt das ein hohes Maß an Disziplin von den Menschen. Ich bin mir sicher: Dann würde bei uns im Kreis wesentlich mehr in der Restmülltonne landen, was dann für den Recyclingkreislauf verloren wäre. Der Vorteil eines Bringsystems: Die Leute trennen genau, etwa zwischen Polyethylen und Polypropylen. Auf dem Wertstoffhof landen die Stoffe dann schon nahezu sortenrein.
Würde das die Recyclingquote erhöhen?
Den höchsten Grad bei der Wiederverwertung erreicht man nur dann, wenn man den Ausgangsstoff nahezu unverändert zurückbekommt. Bei den Kunststoffen findet aber häufiger ein Downcycling statt, das heißt: Die Qualität nimmt im Zuge der einzelnen Verwertungszyklen ab. Es besteht auch die Möglichkeit, ein Granulat zu erzielen, aus dem sich Warnbaken oder Abstandhalter pressen lassen.
Oft haben Bürger den Eindruck: Sie trennen mühsam den Plastikmüll - und dann landet er doch in der Verbrennung. Täuscht das?
Einfach verbrennen ist natürlich immer die schlechteste Variante. Wir reden hier von thermischer Verwertung. Die macht Sinn, wo sie andere Brennstoffe einsparen hilft, zum Beispiel als Schweröl-Ersatz in der Stahlindustrie. Die klassische Müllverbrennung in Schwandorf ist mittlerweile ein Multi-Energie-Erzeuger. Die gewinnen dort Strom, Dampf und Wärme. Das ist schon fast ein Heizkraftwerk. Natürlich wäre es sinnvoller, es ließen sich alle Kunststoffe ohne großen Aufwand einer neuen Nutzung zuführen. Das ist Angelegenheit der Industrie. Der Bürger fragt sich zurecht: Warum gehen die Stoffe über Sortierbänder, um abgefackelt zu werden? Und vorher hat sie jemand womöglich noch abgespült. Das sollte unterbleiben. Für die Verwertung reicht der Zustand, den wir löffelrein nennen. Niemand soll Trinkwasser oder gar Spülmittel verwenden, um den Joghurtbecher klinisch rein wegzuwerfen.
Wie hoch ist denn in Kulmbach die Sortier-Disziplin?
Von den Mengen her sehr gut. Das, was in den Säcken landet, ist qualitativ gut verwertbar. Es sind aber bisweilen noch erhebliche Mengen Verpackungsmüll in den Restmülltonnen zu finden. Würden die aussortiert, wäre die Quote noch besser.
Was sind die von der Industrie begehrten Wertstoffe?
Nehmen wir mal eine typische Verbundverpackung: den Tetra-Pak. Das ist ein Mischwesen, aber in der Abfallwirtschaft ein begehrtes Gut. Tetra-Paks bestehen zu 80 Prozent aus lang faserigem und damit hochwertigem Papier, das sich komplett wiederverwerten lässt. Dazu kommen eine dünne Kunststoffbeschichtung und Aluminium, bei Getränken wichtig wegen den Lichtundurchlässigkeit. Der Papieranteil lässt sich abscheiden in einem so genannten Wasserpulper. Der Rest wird der thermischen Verwertung zugeführt. Was die Ökobilanz angeht, ist bei Getränken nur Glas besser - auch wenn ein Tetra-Pak nur einmal verwendet wird.
Wie sieht es denn mit der Müllmenge für Kulmbach aus?
Die Menge bei der Leichtfraktion - so heißen die Leichtverpackungen im Fachjargon - stagniert momentan bei etwa 1800 Tonnen im Jahr. Im Vergleich zu anderen sind wir mit unserer Menge relativ weit oben, weil wir besagtes Holsystem haben.
Gibt es irgendwann nur noch eine Tonne für alles? Angeblich soll es Sortieranlagen geben, die alles auslesen könnten.
Eine Tonne für alles an Reststoffen, abzüglich Papier und Biomüll? Das ist vielleicht die Zukunft. Aber dafür bräuchten wir die entsprechende Automatisierung. Eine normale Sortieranlage von heute auf morgen auf diesen Standard umzustellen, ist praktisch nicht möglich. Dass die Bürger vorab sortieren, ist weiterhin sinnvoll.
Das Gespräch führte Jochen Nützel.