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A 70: Hang bei Thurnau rutscht immer mehr


Autor: Alexander Hartmann

Thurnau, Montag, 02. Dezember 2019

Weil es an der A 70 bei Thurnau massive Hangbewegungen gibt, soll die Trasse verlegt werden. Die Autobahndirektion hofft, dass mit dem 65-Millionen-Euro-Projekt 2020 begonnen werden kann. Die Böschung wird aus Sicherheitsgründen permanent überwacht.
Der Hang an der A 70 rutscht und wird dauerhaft überwacht. Foto: Alexander Hartmann


Die großen Verkehrsadern, die durch den Landkreis führen, bleiben Großbaustellen. Auf der A 9 wurde die aufwendige Sanierung der Lanzendorfer Talbrücke vor wenigen Tagen abgeschlossen. Ab 2020 wird dort die Strecke zwischen Himmelkron und der Anschlussstelle Marktschorgast erneuert.

Auf 4,2 Kilometern Länge

Auch auf der A 70 könnte schon im kommenden Jahr eine riesige Maßnahme starten. Hatte 2019 die Sanierung der Friesenbachtalbrücke Pkw und Lastwagen ausgebremst, so würde die neue Baustelle den Verkehr aber wohl nicht behindern. Denn bei Thurnau steht keine Sanierung, sondern ein Neubau an. Auf 4,2 Kilometern Länge will die Autobahndirektion Nordbayern in drei Jahren eine neue Trasse errichten, die bis zu 180 Meter nördlich der jetzigen Fahrbahn bei Thurnau-Ost in Richtung Neudrossenfeld entsteht.

Regierung entscheidet

Weshalb das Großprojekt, dessen Kosten auf 65 Millionen Euro geschätzt werden, umgesetzt wird? "Weil der Hang entlang der jetzigen Trasse rutscht", stellt der Leiter der Dienststelle Bayreuth, Thomas Pfeifer, fest. Und das nicht nur etwas, sondern in gewaltiger Dimension. Pfeifer: "Was er sich früher in einem Monat bewegt hat, bewegt er sich jetzt in einer Woche." Es gebe extreme Risse im Böschungsbereich, auch Risse in der Fahrbahn. Die Standsicherheit des Hanges könne niemand mehr garantieren, sagt Pfeifer, der die Dringlichkeit des Projektes deutlich macht, das nach Wunsch der Autobahndirektion möglichst schon 2020 starten sollte. Ob der zeitnahe Baubeginn möglich ist, wird letztlich die Regierung entscheiden, die den Planfeststellungsbeschluss verabschieden muss.

"Wir sind in der Haftung"

Der Leiter der Bayreuther Dienststelle verweist auf einen Alarm- und Notfallplan, der erarbeitet worden ist. Der Hang werde permanent überwacht, denn keiner wisse, ob er noch einen Monat oder noch fünf Jahre hält. Pfeifer: "Sollte es extreme Risse geben, dann müssten wir einschreiten, notfalls sogar die Autobahn sperren, denn wir sind ja in der Haftung."

Standsicherheit nicht gewährleistet

Wie dringend die Trassenverlegung ist, wird im geotechnischen Bericht deutlich, den das Institut Boley Geotechnik aus München zum Planfeststellungsentwurf verfasst hat. Daraus geht hervor, dass der Hang in den Jahren 2016 und 2017 bei 35 Probebohrungen eingehend untersucht worden ist. Es wurden Bodenproben entnommen, etwa 570 Laborversuche durchgeführt. Das Ergebnis: Der Baugrund ist sehr inhomogen. Der Hang entlang der Trasse rutsche zunehmend, eine ausreichende Standsicherheit ist im Rutschbereich nicht mehr gegeben, heißt es im geotechnischen Bericht.

Bei Thurnau ist der Mechanismus des sogenannten Blockkriechens zu beobachten, bei dem harte Gesteinspartien auf eine weiche Unterlage treffen und abwärts kriechen. Bei Thurnau sind es Sandsteine und Tone. "Die einst kompakte Sandsteinschicht wird infolge dieser Bewegungsprozesse in einzelne Blöcke zerlegt, welche zusätzlich zum Kriechen eine Kippbewegung aufweisen", so die Münchner Biologen. Durch konstruktive Maßnahmen könne der Hang nicht stabilisiert werden. "Daher ist die einzige verbleibende und zugleich sinnvolle Maßnahme die Verlegung der Trasse." Da die Rutschungsdynamik zunimmt, wurde von Boley Geotechnik ein Monitoringkonzept erarbeitet, die Standsicherheit der Bestandstrasse wird permanent kontrolliert. Der Warn- und Alarmplan sieht Handlungsschritte vor, die bei einem "Versagen" des Hanges ergriffen werden müssen.

2023 befahrbar?

Sollte der Bau der neuen Tasse 2020 beginnen, würde der Verkehrsfluss auf der A 70 kaum beeinflusst, sagt Thomas Pfeifer. "Eben weil es ein kompletter Neubau entlang der jetzigen Trasse wird. " Gestartet würde mit dem Brückenneubau für die Anschlussstelle Thurnau-Ost. Die Bauzeit ist auf drei Jahre ausgelegt. Thomas Pfeifer: "2023 soll die neue Strecke befahrbar sein."

Auch danach wird die Autobahn aber nicht baustellenfrei sein. Direkt im Anschluss wird nämlich die Sanierung des Streckenabschnitts zwischen Thurnau und der Anschlussstelle Kulmbach-Neudrossenfeld in Angriff genommen.