19 Gewürzsommeliers in Kulmbach ausgebildet - ein Erfahrungsbericht
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Mittwoch, 01. Juli 2015
19 Lebensmittel-Profis aus ganz Deutschland haben sich in Kulmbach vom Cluster Ernährung zu Gewürzsommeliers ausbilden lassen. Zehn intensive Lehrgangstage haben sie gemeinsam verbracht. Nach den Abschlussprüfungen gab es Grund zur Freude und eine dicke Überraschung.
Gewürzsommelier - Was ist das denn? Und wer braucht so jemanden? Diese Fragen haben wir uns in der Redaktionskonferenz gestellt, als wir vom Cluster Ernährung am Kompetenzzentrum für Ernährung eine Pressemitteilung dazu auf den Tisch bekamen. Deshalb habe ich nachgefragt und ein Interview mit Cluster-Geschäftsführer Simon Reitmeier geführt. Gewürzwissen liegt im Trend, erzählte er mir, und dass viele Lebensmittelprofis Interesse an einer Spezialisierung auf diesem Gebiet haben.
Interesse habe ich auch, aber Lebensmittelprofi bin ich nicht. Ich bin Vorstandsmitglied der Akademie für Ernährung, koche gern mit Gewürzen und kenne mehr als eine Handvoll Kräuter beim Namen. Reicht das, um bei dieser Qualifizierung mitmachen zu dürfen? Ich darf.
Kulmbach wird zur Gewürzstadt
Das Thema passt gut zur unserer Serie "Franken Kulinaria", denn Kulmbach ist auf dem Weg, eine Gewürzstadt zu werden: Wir haben mit der Firma Raps einen großen Gewürzhersteller, eine ausgezeichnet bestückte Gewürzbibliothek, ab Herbst ein innovatives Gewürzmuseum - und jetzt sind wir auch noch Ausbilder für Aroma-Experten.
Los geht's im Februar. Aus ganz Deutschland kommen die Teilnehmer, und ich bin tatsächlich die einzige, die nicht vom Fach ist. Meine Mitstudenten sind Produktentwickler, Köche, Gewürzmüller, Winzer, Restaurantfachleute... Im Schulungsraum im Mupäz erwartet uns Professor Bernhard Tauscher von der Universität Heidelberg. Der Sensorik-Experte hat vor jedem Sitzplatz ein ganzes Arsenal an Teströhrchen und Becherchen aufgebaut.
"Etwa 80 Prozent von dem, was wir im allgemeinen Sprachgebrauch mit Schmecken bezeichnen, ist eigentlich Riechen", sagt er. Wir lernen bei seinem Training unsere Sinne bis ins Detail kennen, und ich weiß jetzt, dass ich eine so genannte Bitterschmeckerin bin - jemand, der schon geringste Konzentrationen an Bitter stoffen wahrnimmt.
Mörsern, schnuppern, kosten
Nach der Sinnes-Schulung geht es mit der Gewürzexpertin Manuela Mahn um Grundwissen zu allen nur denkbaren Einzelgewürzen und Kräutern, zu ihrer Geschichte und zur Verwendung in der Heilkunde. Zum Auftakt gibt's zehn verschiedene Pfeffersorten, dazu eine Fülle weiterer exotischer Gewürze von Paradieskörnern über Galgant bis hin zu Zimtblüten. In kleinen Gruppen wird jedes Gewürz betastet, gemörsert, beschnuppert und gekostet. Kopfnote, Herznote, Basisnote - die Sprache der Parfümeure ist auch für uns als künftige Gewürzsommeliers ein wichtiges Rüstzeug.
Wie entstehen Aromen? Was harmoniert, und wo sollten wir mutig sein und Kontraste setzen? Das lernen wir bei Professor Thomas Vilgis. Der Physiker vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz forscht seit vielen Jahren zum Thema Kochen und Backen und lehrt uns, wie Duft, Konsistenz und andere Charakteristika einer Speise unsere Geschmackswahrnehmung beeinflussen.
Die Chemie muss stimmen
Ich fühle mich an den Chemieunterricht vor 30 Jahren erinnert und bin überzeugt: Die Vielzahl der Aromastoffe merke ich mir nie. Doch wenn man die Systematik und die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Molekülgruppen erst einmal verstanden hat, wird's logisch und damit leichter.
Das Erkennen, Beschreiben und Kombinieren von Aromen beschäftigt uns während des gesamten Kurses. In den Praxissommelier-Einheiten geht es in die Küche - das Mupäz bietet optimale Voraussetzungen, um uns mit eigenen Menü-Kreationen und Gewürzmischungen auszutoben. Ein Chocolatier weiht uns in seine Geheimnisse ein, mit einer Kräuterexpertin entdecken wir die Heil- und Würzkraft der Wildkräuter, ein Apotheker vermittelt botanisches und rechtliches Wissen.
Viel Lernstoff, der beim fünften und letzten Seminarblock schriftlich und mündlich umfassend geprüft wird. Ich habe in den letzten Wochen jede freie Minute dafür gelernt und hoffe, dass mein Wissen reicht, um durchzukommen. Die Prüfungen sind - wie vorab schon angekündigt - sehr anspruchsvoll.
Bei der Abschiedsfeier überreichen dann Cluster-Sprecher Ulrich Brandl, Präsident des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, und Wolfram Schaecke, Leiter des Kompetenzzentrums für Ernährung, die Zertifikate. Dozentin Manuela Mahn und Kursleiterin Maria Kreitmayr haben für den Prüfungsbesten einen Lorbeerkranz gebunden - und den habe plötzlich ich auf dem Kopf und werde von allein Seiten beglückwünscht. Ich kann es kaum glauben: die beste Prüfung - ich?!
Nicht selbstverständlich und gerade deshalb erwähnenswert: der unglaubliche Teamgeist in unserer Studier-Gemeinschaft. Wir sind nicht nur Sommelier-Kollegen, sondern gute Freunde geworden, die sich schon auf die geplanten Aufbau-Kurse freuen.