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1. Mai in Kulmbach - der Mann für die kleinen Leut'


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Dienstag, 28. April 2015

Der katholische Betriebsseelsorger Eckhard Schneider kämpft seit Jahrzehnten für gute Arbeitsbedingungen. Im Interview mit infranken.de spricht er über den 1. Mai, Solidarität und den Götzen Mammon.
Der katholische Betriebsseelsorger Eckhard Schneider hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, sich für gute Arbeitsbedingungen und für die kleinen Leut' einzusetzen. Foto: Corinna Igler


Digitalisierung, Globalisierung und demografische Entwicklung haben die Arbeitswelt bereits enorm verändert. Viele Veränderungen können Vorteile und neue Chancen für die Beschäftigten bringen, andere stellen sie vor neue Herausforderungen. Daher will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am 1. Mai Akzente setzen und hat das Motto gewählt: "Die Arbeit der Zukunft gestalten wir!" Der Kulmbacher DGB-Vorsitzende Detlef Ramming betont: "Diese Veränderungen werden wir für die Beschäftigten positiv mitgestalten."

Ein alter Bekannter hält am Freitag (Beginn 10 Uhr) bei der Kulmbacher Maifeier des DGB im Mönchshofgarten die Festrede: der katholische Betriebsseelsorger Eckhard Schneider.

Macht es nach 30 Jahren immer noch Spaß, sich für die Sache der Arbeitnehmer einzusetzen?
Eckhard Schneider: Mit Menschen zu arbeiten, sie begleiten zu dürfen, ist erfüllend, verbunden mit der Frage: Was bedeutet für die kleinen Leut' gutes Leben? Gerade die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen öffnen schnell ihre Türen und Herzen, wenn man Zeit für sie mitbringt und erzählen von ihren Hoffnungen, aber auch Enttäuschungen. Sich Zeit zu nehmen, das ist mein wichtigster Punkt und Anspruch. Dabei sind Betriebs- und Personalräte, die viele ungesehene Verantwortung zu tragen haben, meine primären Ansprechpartner.

Am 1. Mai werden wieder viele Arbeitnehmer dem DGB-Slogan "Buenos Dias, Wochenende!" folgen und zu bester Mai-Kundgebungszeit ihren Freizeitvergnügen - Wanderung, Ausflug, Grillfest - nachgehen. Dabei hätten doch viele Menschen Grund, sich zu solidarisieren und zusammenzustehen.
Es wäre wichtiger denn je, sich zu solidarisieren - bei dem zunehmenden Arbeitsdruck und bei den Erfahrungen, die die Leute machen, dass alles auf Kante genäht ist und vieles auf ihre Kosten geht. Aber ich sehe, dass die ungute Mentalität der Individualisierung immer weiter um sich greift. Das hängt mit der Zunahme von atypischen Arbeitsverhältnissen auch in unserer Region zusammen, verbunden mit der Unsicherheit, wenn es um persönliche Perspektiven der Menschen geht geht. Und bisweilen entfernen sich die Arbeitnehmer von der Solidarität der Gewerkschaften, um sich den Beitrag zu sparen. Freiheit und Geld sind unsere Götter, die scheinbar alles überstrahlen. Das sehe ich mit großer Sorge.

Erleben Sie es oft bei Ihrer Arbeit in der Region, dass Arbeitnehmer ausgenutzt werden, dass sie dem Stress nicht mehr gewachsen sind, dass Arbeit Menschen krank macht?
Burnout, psychischer Druck und Stress sind derzeit Top-Themen bei Betriebsversammlungen. Auch die Personal- und Betriebsräte haben verstärkt mit Gesundheitsschutz, Fehlzeiten und betrieblichem Eingliederungsmanagement zu tun. Das zeigt, wie belastend die Arbeit für viele Menschen ist. Aber Gott sei Dank haben die Betroffenen es gelernt, sich zu artikulieren. Das merke ich in Einzelgesprächen, wenn die Leute zu mir kommen. Heute sagen sie: Ich kann nicht mehr. Früher hätten sie gearbeitet, bis sie umfallen. Nicht umsonst strebt die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie eine tarifliche Regelung an, ältere Arbeitnehmer um zwei Stunden pro Woche zu entlasten, weil sie körperlich und psychisch aufgearbeitet sind.

Was werden Sie den Menschen bei der Kulmbacher Maikundgebung sagen?
Mein Thema orientiert sich am gewerkschaftlichen Motto "Die Arbeit der Zukunft gestalten wir". Ich möchte aufzeigen, dass es für die Arbeitnehmerschaft notwendig ist, kontinuierlich Herz und Verstand einzubringen. Die Herausforderungen der Zukunft - über die Arbeitswelt hinaus - sind nur gemeinsam zu bewältigen. Gewerkschaften beweisen, dass sie nicht nur mit Kundgebungen ihre Basisnähe zeigen, sondern auch mit qualitativer und menschengerechter Arbeit bei den kleinen Leuten punkten. Als Kirche wollen wir zeigen, wo wir zu stehen haben, und gerne Papst Franziskus zitieren: "Es darf sich niemand von der Sorge um die Armen und um die soziale Gerechtigkeit freigestellt fühlen."

Glauben Sie, dass der Tag der Arbeit noch zeitgemäß ist?
Allein dem Zeitgeist und den stagnierenden Zahlen bei den Maikundgebungen Augenmerk zu schenken, reicht bei einer kritischen Beurteilung nicht. Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, müssen wir uns erinnern - gerade weil der Arbeitnehmerschaft nichts geschenkt wurde, sondern alles erkämpft werden musste zum Wohle der Menschen. Der 1.Mai als Weltfeiertag der Arbeit hat inzwischen eine 125-jährige Tradition und bleibt angesichts der bisherigen Erfolge, aber auch der Herausforderungen unaufgebbar!


Zur Person

Eckhard Schneider 58, verheiratet, drei Kinder

Wohnort Kronach

Studium katholische Theologie

Betriebsseelsorger seit 1985, zuständig für die Landkreise Kulmbach, Kronach, Bayreuth und Hof

Hobbys Jägerei und Fußball